Verstorbener Betrüger Die große Gier

  • von Jürgen Steinhoff und Herbert Uniewski
Collage zeigt Betrüger Jürgen Harksen, vor dem Atlantichotel in Hamburg rechts eine Hand mit Geld und links zwei rote Ferraris
Jürgen Harksen fuhr schnelle Autos und verprach das große Geld. Aber das Versprechen erwies sich als leer.
© Stern-Montage: Fotos: Picture Alliance / dpa
Jürgen Harksen versprach Hamburgs Reichen, sie noch reicher zu machen. Sie gaben dem "Börsenprofi" Millionen. Es stellte sich heraus: Er hatte sie alle genarrt.

Er galt als schillernde Figur mit Hang zum Luxus. Showgrößen, Ärzte, Rechtsanwälte soll Jürgen Harksen um mehr als 150 Millionen Mark geprellt haben. Im Jahr 2003 verurteilte ihn das Landgericht Hamburg wegen Betrugs zu einer mehrjährigen Haftstrafe. Zuvor hatte Harksen sich nach Südafrika abgesetzt und so dem Zugriff der deutschen Justiz jahrelang entzogen. Dort trafen ihn Reporter des stern, ihre Recherche erschien im April 1994. Am Dienstag ist Jürgen Harksen im Alter von 63 Jahren verstorben. Aus diesem Anlass veröffentlichen wir den Artikel aus unserem Archiv an dieser Stelle erneut.

Für den Hamburger Zahnarzt Dr. Niels Bohr*, dem er bei einem Backenzahn-Termin 118.000 Mark aus der Nase zog, ist er "eine Ratte". Für den Hamburger Tennisschulen-Besitzer Wilfried Volley*, der ihm anderthalb Millionen anvertraute, ist er "ein schräger Vogel". Und für den Hamburger Tonsetzer Dietmar Dohlen*, der den Verlust von 2,1 Millionen beklagt, ist er "ein Schwein".

Jürgen Harksen bei "Anne Will"
Jürgen Harksen im Jahr 2011 in der Talkshow "Anne Will"
© Karlheinz Schindler/dpa-Zentralbild/dpa

Auch viele andere scheuen in ihrer Wut vor groben Beleidigungen nicht zurück. Doch ob Ratte, schräger Vogel oder Schwein – die Hansestadt Hamburg amüsiert sich tierisch darüber, wie der erst 33-jährige angebliche Börsenprofi Jürgen Harksen sechs Jahre lang nicht nur Zahnärzten und Schlagerkomponisten, sondern auch Rechtsanwälten und Steuerberatern, ja sogar hartleibigen Finanz- und Immobilienkaufleuten Abermillionen aus den Taschen gezogen hat; laut "Bild" Hamburg 800 Millionen, laut "Hamburger Morgenpost" 300 Millionen. Die Staatsanwaltschaft sieht es zwar etwas nüchterner. Doch auch ihre Zahlen sind für einen Einzeltäter ganz schön happig. Sie wirft Harksen vor, "einen fortgesetzten Betrug begangen zu haben, indem er etwa 300 von ihm als 'Anleger' bezeichneten Personen" dadurch zur Zahlung von knapp 98 Millionen Mark veranlasste, dass er ihnen eine "Gewinnbeteiligung von 1300 Prozent" versprach, tatsächlich aber nur 75 Millionen zurückzahlte.

Harksen selbst kommen die 98 Millionen der Staatsanwaltschaft etwas mickrig vor. In Kapstadt, wohin er kurz vor Weihnachten sowohl vor einem Haftbefehl als auch vor wütenden Gläubigern geflüchtet ist, meinte er gegenüber dem stern: "150 Millionen dürften es schon gewesen sein." Auf der Terrasse des noblen "Cellars Hotel" am Fuße des Tafelberges. wo er sich zum Interview stellte, fragen sich die Leute vom stern und insgeheim wohl auch die vier südafrikanischen Anwälte, die Harksen zur Beratung mitgebracht hat, wie es diesem milchgesichtigen Möchtegern-Yuppie, der krampfhaft versucht, seine abgekauten Fingernägel zu verbergen, gelungen ist, reihenweise Hamburger Kaufleute zu ködern.

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