Autorin aus Brandenburg Juli Zeh über ihren Alltag unter Wutbürgern – und einen Weg aus der Populismuskrise

Juli Zeh lebt, wo die AfD groß ist. "Ich höre manchmal Sachen, da denke ich: Oh Gott!", sagt die Schriftstellerin dem stern. Ein Gespräch über politische Versäumnisse, Schulen in Brandenburg und das Wort Respekt. 
Juli Zeh in einem gelben Blumenfeld
Weites Land: Brandenburg ist die Kulisse von Zehs Erfolgsromanen "Unterleuten" (2016) und "Über Menschen" (2021)
© Marzena Skubatz/laif

Frau Zeh, die AfD wächst von Umfrage zu Umfrage. Erschreckt Sie das noch?
Sicher. Aber es überrascht mich nicht.

Warum nicht?
Durch das große Dreigestirn an Krisen – Corona, Ukraine und Klima – hat diese Partei es wahnsinnig leicht, alle abzuholen, die das Gefühl haben: Alles läuft aus dem Ruder. Es gibt sehr viele Menschen, die die Welt nicht mehr verstehen. Oder die politischen Antworten auf die Welt.

Woran machen Sie das fest?
Ich höre vielen Menschen zu, die mit Ausländerfeindlichkeit nichts zu tun haben, aber trotzdem mit der AfD liebäugeln. Zum Beispiel, weil sie die Vorhaben der Grünen kritisch sehen und die AfD nur deshalb wählen würden, weil sie als einzige Partei nicht mit den Grünen koaliert. Im Westen ist die Hemmschwelle glücklicherweise noch höher, einer rechtspopulistischen Partei die Stimme zu geben. Aber ich habe die Sorge, dass diese Schwelle langsam absinkt.

Erschienen in stern 29/2023