Markus Söder hat dieser Tage etwas Interessantes gesagt. Vor schöner Kulisse am Kloster Andechs knöpfte sich der bayerische Ministerpräsident die Ampel-Regierung in Berlin vor.
Die Koalition müsse aufhören, jeden Tag "eine neue Sau durchs Dorf" zu treiben, forderte der Christsoziale. Die Menschen, so die These Söders, würden bei diesem Durcheinander ja ganz verrückt.
Da ist natürlich was dran, nur ist es lustig, die Nummer mit der Sau ausgerechnet aus dem Munde Söders zu hören. Zu behaupten, er treibe gern selbst hin und wieder eine durchs Dorf, wäre noch untertrieben. Zuweilen wirkt es fast, als befreie er einen ganzen Schweinestall. Kurzer Überblick über die vergangenen Monate: Söder kündigt ein bayerisches Bauprogramm an. Söder fordert die Überarbeitung des Bürgergelds. Söder drängt auf den Weiterbetrieb von Kernkraftwerken. Söder will Biokraftstoffe stärken, Grenzkontrollen intensivieren, einen Landesaktionsplan für sexuelle Vielfalt auflegen. In dieser Woche forderte Söder Entlastungen beim Einkaufen.
Wenn die Menschen schon beim Ampel-Durcheinander verrückt werden, müssten sie im Falle Söders eigentlich längst in stationärer Behandlung sein.
Die Union braucht einen Kern
Schon klar, es ist besser, wenn politisch mal nachgedacht wird, als wenn der Betrieb stehen bleibt. Medien wollen Schlagzeilen. Außerdem ist in Bayern Wahlkampf, und die AfD ist auch noch da.
Aber Söders Aktionismus weist auf ein grundsätzliches Problem von CDU und CSU: Die Union ist zu hibbelig, zu ungeordnet, sie verzettelt sich. Kaum ein Tag vergeht ohne einen neuen Vorstoß.
Allein diese Woche: Carsten Linnemann, der neue CDU-General, fordert Schnellverfahren für Schwimmbad-Prügler. Thorsten Frei, der Fraktionsgeschäftsführer, will das Grundrecht auf Asyl abschaffen. Und die CSU stellt gleich einen ganzen Katalog an Ideen vor, von der Streichung der Erbschaftssteuer, über die Verdreifachung der steuerlichen Forschungszulage bis zur Komplettreform des Gesundheitssystems. Fast wirkt es, als folge die Union gerade dem Sigmar-Gabriel-Lehrbuch für kurzweilige aber erfolglose Oppositionspolitik.
Nichts spricht dagegen, ein Programm aufzustellen, auch nicht fernab der Macht. Aber die Union ist immer dann gut, wenn sie Ruhe ausstrahlt, Souveränität. Die Ära Angela Merkels schien häufig wie eine bleierne Zeit. Ihr Stil entsprach dem konservativen Lebensgefühl, nur ja nichts vom Kopf auf die Füße zu stellen, jedoch sicher eher, als das Brummkreiselverhalten, mit dem die Truppen von Markus Söder und Friedrich Merz in diesen Wochen zu Werke gehen.
Muss sich die Union also einfach schlafen legen, um neues Vertrauen zu gewinnen? Natürlich nicht. Aber es wäre schon schön, wenn mal ein Vorschlag etwas länger durchgetragen würde. Damit man weiß, wohin CDU und CSU so ganz grob wollen. Die Union braucht einen Kern, eine Klärung der Frage, was die zwei, drei Felder sind, auf denen sie Domänenkompetenz besitzt oder noch entwickeln will. Ist das die Wirtschaft? Die innere Sicherheit? Die Energiepolitik? Womöglich sogar die Migrationspolitik? Im Moment scheint es, als wolle die Union überall ein bisschen vorkommen. Dabei braucht sie mehr Mut zum Minimalismus.
Einer hat's vorgemacht: Olaf Scholz. Der sprach im Jahr 2021 monatelang über nichts anderes als das Soziale, über den Mindestlohn, das Bürgergeld, die Stabilisierung des Rentenniveaus. Man konnte es nicht mehr hören. Aber am Ende wurde er Kanzler.