Karneval-Duell: Kölle Alaaf vs. Samba de Janeiro Tchau, Carnaval!

Zwei stern.de-Redakteure im Karneval: die eine im heißen Rio, der andere im jecken Köln. Wo feiert es sich besser? Die närrischen Abenteuer im Tagebuch.

Rio de Janeiro - Aschermittwoch, 5.3.

Aschermittwoch. Endlich vorbei. Ich bin völlig kaputtgefeiert, aber glücklich. Auch, weil mein Mageninfekt überwunden ist. Um meinen geschlauchten Körper zu entspannen, gehe ich an den Strand von Leblon und trinke Agua de Coco, und zwar per Strohhalm aus einer frisch geköpften Kokosnuss - das beste Mittel gegen Kater und Karnevalserschöpfung. Am Samstag geht's für mich wieder nach Hamburg, bis dahin steht pure Erholung auf dem Plan. Und ich will kein einziges Mal mehr das Wort Bloco hören, obwohl hier in Rio noch am Wochenende welche stattfinden. Für mich ist klar: Brasilien ist Party-Weltmeister! Und ich bin spätestens nächstes Jahr wieder hier. Tchau, Carnaval!

Köln - Aschermittwoch, 5.3.

Geschafft! Sechs Tage Ausnahmezustand sind vorbei. Zum Abschluss wurden um Mitternacht vor den Kneipen der Stadt die Nubbel verbrannt. Das sind jene armen Strohpuppen, die symbolisch alle Feier-Sünden der vergangenen Tage auf sich nehmen müssen, damit es reinen Gewissens weitergehen kann. Für die verrückteste Woche des Jahres in die kölsche Heimat zu fahren, hat sich mal wieder voll gelohnt. Was die liebe Kollegin alles aus Rio berichtet hat, hat mich aber doch auch ein bisschen angefixt. Ich muss unbedingt mal mit einer Kölner Abordnung zum Carnaval nach Rio fahren!

Rio de Janeiro - Karnevalsdienstag, 4.3.

Als hätte ich's geahnt: Statt mich im Sambodrom an der überwältigend bunten Parade der besten Sambaschulen zu ergötzen, liege ich mit einem spontan aufgetretenen Magendarm-Infekt flach. Ein entscheidender Nachteil an Hostels ist nämlich nicht nur die gemeinschaftliche Nutzung von Klo und Küche, sondern auch von Viren und Bazillen. Macht nix - ich habe trotzdem ein Kostüm aus der Nähe gesehen. Eine Rakete! Sie gehört einem der Hostelgäste, der an der Parade teilgenommen hat. So. Und jetzt wieder flott ins Bett, vielleicht werde ich ja zum letzten Karnevals-Tamtam doch noch wieder fit. (jbw)

Köln – Karnevalsdienstag, 4.3.

Und so sieht die Bilanz eines Karnevalszuges aus Kindersicht aus. Meine Nichten und Neffen haben alles gegeben, um mehr Kamelle einzusammeln als sie in einem Jahr essen können. Fast noch schöner als die Jagd nach dem bunten Naschzeug selbst ist die Auswertung der Beute hinterher. Bonbons, Lollis, Schoki, Popcorn-Tütchen, Gummibärchen und Zuckerstangen werden über das halbe Wohnzimmer ausgebreitet und gewissenhaft sortiert. Und das hier ist nur die Ausbeute eines kleinen Stadtteilzuges. Ich selbst halte mich mittlerweile mit dem Kamellesammeln zurück. Ich müsste die Säcke schließlich alle wieder mit zurück nach Hamburg schleppen. (bak)

Gregor Peter Schmitz mit den Buchstaben GPS

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Köln – Rosenmontag, 3.3.

Den Rosenmontag-Wahnsinn in Köln muss man wohl kaum erklären. Sogar, wer noch nie da war und nur die alljährlichen Bilder aus der Tagesschau kennt, weiß: Die ganze Stadt ist voller Jecken. 1,5 Millionen Besucher sollen es in diesem Jahr gewesen sein. Menschen, die direkt am Zugweg wohnen, haben zumindest für diesen einen Tag die begehrtesten Wohnungen der Stadt. Zum Glück habe ich auch einen Kumpel, der alljährlich ein, zwei, drei, vier Fässchen Kölsch für Freunde vor seiner Haustür auf dem Gehweg aufbaut, um den "Zoch" zu gucken. Wer zwischendurch mal in die Vogelperspektive wechseln will, geht einfach hoch in die Wohnung, wo auch das Toilettenproblem eine Lösung findet. (bak)

Rio de Janeiro - Montag, 3.3.

Heute am Rosenmontag bin ich schon relativ stark kaputtgefeiert. Kein Wunder - immerhin singe, steppe und saufe ich hier schon seit über einer Woche von früh bis spät; in meinen Augenringen nisten kleine Vögelchen. Doch der Karneval kennt kein Erbarmen. Gestern hatten wir in unserem Hostel hier in der Favela Vidigal ein Churrasco, ein brasilianisches Barbecue. Hauptakteure: Wurst, Fleisch und jede Menge Caipirinha. Und lauter mehr oder minder bekloppt verkleidete Brasilianer und Touristen, die die just fertiggestellte Dachterrasse mit gefühlt hundert Polonaisen eintanzten. Heute steht der nächste Bloco an. Und später dann die Parade der Gewinner im Sambodrom. Wenn meine Füße und Leber das mitmachen. Oh, jemand reicht mir eine Mittags-Caipi ... *geht tanzend und irre kichernd ab* (jbw)

Rio de Janeiro - Sonntag, 2.3.

Karneval ist kein Kindergeburtstag - hier geht's gleich um 11 weiter mit dem nächsten Bloco, diesmal an der Promenade von São Conrado. Es ist trotz Bewölkung viel zu heiß und viel zu voll, also gehen wir nach knapp zwei Stunden wieder.

Die größte Straßenparty hier in Rios Zona Sul steigt aber abends in Ipanema: Eine Million Menschen drängen sich um Beach und Bateria. Wir flüchten vor dem Gewusel an den Strand, irgendwo trommelt jemand Samba-Rhythmen, wir tanzen mit ein paar halbnackten Schlümpfen barfuß dazu. Das kann man sich in Köln trotz eigener Trommelgruppe leider nicht erlauben. 1:0 für Brasilien!

Später treffe ich zwei Berliner und singe mit ihnen "Eisgekühlter Bommerlunder" - zum großen Amüsement der anwesenden Einheimischen. Als wir nach offiziellem Bloco-Ende gegen Mitternacht schließlich ins Amüsierviertel Lapa wollen, werden wir mit Rios Verkehrsproblem konfrontiert: Die Schlange vor der Metro-Station "General Osorio" ist geschätzte 150 Meter lang, die Busse sind vollgestopft und ein Taxi ist nicht zu bekommen. Das kann heiter werden mit der WM ... (jbw)

Köln - Sonntag, 2.3.

In diesem Jahr habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, den kölschen Wahnsinn einigen völlig karnevalsunerfahrenen Hamburger Freunden näherzubringen. Die Nordlichter halten sich auch ganz wacker, glänzen mit kreativen Verkleidungen und schunkeln, was das Zeug hält. Nur mit der kölschen Sprache klappt es noch nicht so gut: Die Textzeile "mir sprechen hück all dieselve Sproch“ löst nach wie vor verzweifeltes Kopfschütteln aus. Ein bisschen Hamburg findet man aber auch im Kölner Karneval: Ich habe im Brauhaus einen Udo Lindenberg getroffen! Die Zigarre musste allerdings aus bleiben, in Kölner Kneipen herrscht Rauchverbot. (bak)

Rio de Janeiro - Samstag, 1.3.

Seit Bürgermeister Eduardo Paes am Freitag den Stadtschlüssel an König Momo übergeben hat, befindet sich Rio im Ausnahmezustand. Egal, in welchen Bus man einsteigt: Es sind schon singende Cariocas und Touristen drin, die Wände, Fenster und Decke als Trommeln benutzen. Gleich zu Beginn des Blocos in Ipanema treffe ich in meinem Engelskostüm auf einen Priester. Ein Wunder? Für ein gemeinsames Foto setze ich meine beste Unschuldsmiene auf. Klappt so medium. Das liegt vielleicht an den ein bis drölfzig Gläschen Wodka mit Guarana, einem brasilianischen Energydrink. Aber anders hält man den Karneval hier nicht aus - gemeinsam mit 5000 Feierwütigen aus aller Welt tanzen wir verschwitzt und zugeglitzert bis nach Mitternacht durch die Straßen Ipanemas. Und am nächsten Morgen geht's gleich heiter weiter.

PS: Das Foto von den drei Jungs im Peniskostüm muss ich Ihnen leider vorenthalten - es war ein Hochformat... (jbw)

Köln - Samstag, 1.3.

Sambamusik gehört nicht nur in Rio, sondern auch in Köln zum guten Ton. Es gibt kaum einen Straßenumzug, der ohne eine entsprechende Trommlergruppe auskommt, die die Zuschauer in Bewegung bringt. Ein ganz besonderer Zug ist der Geisterzug, der traditionell Samstag nach Einbruch der Dunkelheit startet und bei dem jeder selbst mitgehen darf. Entstanden ist der Geisterzug 1991 als Anti-Golfkriegs-Demonstration und auch heute ist das Ganze noch eine Mischung aus Karneval und politischer Demonstration.

Jeder, der mitgeht, darf für oder gegen das protestieren, was er will – oder einfach nur zum Takt der Trommeln tanzen. Als wir gegen Mitternacht schließlich die Eigelsteintorburg erreichen, das alte römische Nordtor der Stadt, sind die Trommler noch lange nicht müde. Noch stundenlang stehen sie mit Tausenden auf dem Platz und erfüllen die Nacht mit ihrer Musik. (bak)

Rio de Janeiro - Freitag, 28.2.

Jetzt geht's los! Gemeinsam mit Seth und Julia aus Kalifornien habe ich mich für einen Bloco in Centro herausgeputzt. Blocos sind große Straßenpartys rund um eine frenetisch trommelnde Sambagruppe. Über 500 dieser Partys finden während der Karnevals in Rios Straßen statt: der carnaval da rua. Es wird aber nicht nur getanzt, sondern vor allem eiskaltes Antarctica-Bier im Übermaß genossen. Bei der Hitze muss man ja auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr achten... Außerdem wird hier - ganz ähnlich wie in Köln - gern und viel geknutscht. Nur, dass die Menschen hier wirklich wenig Kleidung tragen. (jbw)

Köln – Freitag 28.2.

Karnevalsfreitag ist der Tag, an dem man sich von Weiberfastnacht erholt. Und in seinen Fotos nachschaut, was man so alles erlebt hat. Dabei bin ich auf ein Bild dieser schönen Begegnung zweier Ninja Turtles gestoßen. Jemand anderes hat das gleiche Outfit an? Was bei der Oscarverleihung Sonntagnacht furchtbar peinlich wäre, löst im Karneval große Freude aus. Nach dem Motto: Hurra, der andere fand die Kostümidee auch geil. Dementsprechend ausgelassen zelebrieren diese beiden Schildkröten ihr Treffen unter Artgenossen, Posen mit dem Nunchaku gehören natürlich dazu. (bak)

Rio de Janeiro - Donnerstag, 27.2.

Nicht jedes brasilianische Karnevalskostüm besteht aus einem winzigen Glitzerbikini, das tragen die Tänzerinnen der Sambaschulen. Ganz ohne Verkleidung geht's aber auch hier nicht. Also bin ich los und habe ein paar Accessoires gekauft: Teufelszeug, Engelsgedöns und - passend zu meinem schwarzweiß gestreiften Kleid - eine Diebesmaske und Handschellen. Meiner Erfahrung nach werde ich auf mindestens zehn Mithäftlinge und doppelt so viele Polizisten treffen. Die meisten davon oben ohne. Schließlich sind hier fast 40 Grad ... (jbw)

Köln - Weiberfastnacht, 27.2.

Weiberfastnacht ist wohl der einzige Tag im Jahr, an dem ich mir zum Feiern einen Wecker stelle. Schließlich gilt es, um 11:11 Uhr in Position zu sein, um den Straßenkarneval gebührend zu eröffnen. In Köln tut man das traditionell am Alter Markt, aber der ist ebenso traditionell auch verdammt voll. Wir entscheiden uns daher für den Severinskirchplatz in der Südstadt, der allerdings auch nicht gerade leer ist, wie man auf dem Foto unschwer erkennen kann. Auf der Bühne geben sich die Größen der kölschen Karnevalsmusik das Mikro in die Hand. In der Menge trifft man unverhoffterweise alte Schulkollegen wieder. Die Stimmung ist top. Kein Regen, etwa zehn Grad, mehr braucht man doch gar nicht, um Karneval zu feiern. (bak)

Rio de Janeiro - Mittwoch, 26.2.

Karneval in Rio findet zur selben Zeit wie in Deutschland statt - allerdings ist hier gerade Sommer. 38 Grad und strahlender Sonnenschein. Um mich in Karnevalsstimmung zu bringen, ging ich am Sonntag mit brasilianischen Bekannten ins Sambódromo - das ist so was wie ein 700 Meter langes Stadion mit Tribünen voller Fans an den Seiten, wo am Wochenende vor Rosenmontag die besten Sambaschulen ihre Paraden abhalten.

Sambaschulen sind aber keine Schulen, wie wir sie uns vielleicht vorstellen, sondern eher vergleichbar mit Fußballvereinen - zumindest, was ihre Fans angeht. Bei der Generalprobe von Vila Isabel am Sonntag desfilierten tausende Mitwirkende durch das Sambódromo. Noch ohne Kostüme. Man will ja nicht zuviel verraten. Doch das ist nur die eine Seite des Karnevals, es gibt in der Woche vorher schon gigantische Straßenpartys überall in Rio. Dazu später mehr. Ich muss los, Kostüme kaufen. (jbw)

Köln - Mittwoch, 26.2.

Karneval in Köln ist bekanntlich selten bei 38 Grad. Deshalb habe ich mich auch in diesem Jahr schweren Herzens gegen ein Bikini-Kostüm entschieden. Da im Freundeskreis das Märchenthema ausgegeben wurde, fiel die Wahl auf den bösen Wolf aus Rotkäppchen. Ein äußerst praktisches Sowohl-draußen-als-auch-drinnen-Kostüm, weil man drunter sowohl mit Jacke als auch mit T-Shirt rumlaufen kann. Hier seht ihr mich bei der Kostümprobe mit Fässchen: Denn wie jedermann weiß, verspeiste der böse Wolf erst die Großmutter, dann das Rotkäppchen und spülte die beiden hinterher mit einem ordentlichen Schluck Kölsch hinunter (wobei die Brüder Grimm letzteres verschweigen).

Morgen wird anstrengend. Weiberfastnacht ist für Kölner, neben Rosenmontag, der Hauptkarnevalstag. Ab 11:11 Uhr wird Vollgas gegeben. Könnte daher sein, dass ich erst Freitag wieder was schreibe. (bak)