Meinung Alle Achtung, Herr Bundeskanzler!

Friedrich Merz und Donald Trump beim Antrittsbesuch des Bundeskanzlers im Weißen Haus
Bewährungsprobe bestanden: Bundeskanzler Friedrich Merz während seines Antrittsbesuchs bei Donald Trump
© Michael Kappeler/dpa Pool/dpa
Wer hätte das gedacht? Friedrich Merz überrascht selbst Linke wie mich: Beim Treffen mit Donald Trump zeigte er Souveränität und diplomatisches Geschick.

Ich bin wirklich kein Fan von Kanzler Friedrich Merz. Nicht nur, weil der CDU-Chef, bevor er Kanzler wurde, noch nie ein Regierungsamt innehatte. Besonders bei seinem Ausfall im Wahlkampf, als er davon sprach, endlich Politik machen zu wollen für Leute, die "alle Tassen im Schrank haben … Politik für die Mehrheit der Bevölkerung" und "nicht für irgendwelche grünen und linken Spinner, die da draußen rumlaufen", dachte ich: Um Gottes willen, diesen Mann kann man doch nicht als Kanzler auf das Land loslassen – und auf die Welt.

Noch nie habe ich CDU gewählt, aber Merz hat mich beeindruckt

Unmöglich fand ich auch das Auftreten seiner Frau Charlotte, die das Mikrofon von Satire-Reporter Lutz van der Horst wegdrückte, als dieser ihrem Mann eine Frage zur Leitkultur stellen wollte. "Sie ist Richterin und als solche dem Grundgesetz verpflichtet, aber das Wort Pressefreiheit kann sie offenbar nicht buchstabieren", kommentierte ich damals. 

Über Merz’ Schlappe bei der Kanzlerwahl habe ich gefeixt. Ich bin Ex-"Taz"-Redakteurin und linksliberal. Noch nie in meinem Leben habe ich CDU gewählt. Doch nach dem Besuch von Merz bei Trump muss ich sagen: Alle Achtung, Herr Bundeskanzler!

Sein Auftritt war souverän; selbst, als Trump über Merkel lästern wollte, ließ sich Merz nicht darauf ein. Dass Merz nicht das beste Verhältnis zu ihr hatte, ist ein offenes Geheimnis. In der Flüchtlingsfrage hat er ihr Kontra gegeben, was ich damals für falsch hielt. Was hätte Merkel machen sollen, als die Flüchtlinge sich auf den Weg nach Deutschland machten? Sagen: "Wir schaffen das nicht"?

Merz ließ Trump reden. Sein Gastgeschenk, eine goldgerahmte Kopie der Geburtsurkunde des Großvaters Friedrich Trump, war ein schlauer Schachzug. Noch schlauer war, dass er sich bei Trump für die Verdienste der Amerikaner um die deutsche Demokratie bedankte. Er verstand es auch, Trumps Eitelkeit zu bedienen, indem er ihn als "Schlüsselfigur" bei den Friedensbemühungen im Krieg zwischen Russland und der Ukraine bezeichnete. Und er wies klar darauf hin, welche Unterschiede es bei der Kriegsführung gibt – anders als Russland greife die Ukraine nämlich keine zivilen Ziele an. Das war mutig.

Nein, ich glaube nicht, dass ich jetzt die CDU wählen werde. Die Union ist mir zu konservativ, manchmal auch zu hartherzig. Dass Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) den Familiennachzug für Geflüchtete verschärfen will, halte ich für geradezu unmenschlich. Wie sollen sich Flüchtlinge integrieren, wenn ihre Familie nicht mit ihnen in Deutschland lebt? Wie grausam ist es, wenn Kinder ohne Eltern aufwachsen müssen, weil Landesgrenzen es verhindern?

Gregor Peter Schmitz mit den Buchstaben GPS

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Aber den Test auf dem heißen Stuhl im Oval Office hat Friedrich Merz mit Bravour bestanden. Das muss man ihm lassen.