Transplantation Neues Organspende-Gesetz ab 1. März: Was sich jetzt ändert und was noch fehlt

Organspende: Eine Medizinerin in Schutzkleidung hebt bei einem Organtransport vor einem Klinikeingang die Hand für Einlass
Organspende: Eine Medizinerin gibt bei einem Organtransport ein Zeichen für den Einlass vor einer Klinik
© Robert Kneschke / Picture Alliance
In Deutschland stehen mehr als 9000 Menschen auf der Warteliste für ein Spenderorgan. Am 1. März tritt eine Gesetzesreform in Kraft, die zu mehr Organspenden führen soll. 

Die Menschen im Land sollen sich mehr mit dem Thema Organspende befassen. Die Hoffnung dahinter: mehr Organspenden. So lässt sich das Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende grob zusammenfassen. Die Reform tritt am 1. März in Kraft. Das Ziel sind eine bessere Aufklärung und die regelmäßige Auseinandersetzung mit dem Thema Organspende sowie die Registrierung der persönlichen Entscheidung. Noch immer warten in Deutschland viele Menschen auf ein Spenderorgan. Etwa 9100 Personen stehen laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung auf der Warteliste. Die meisten von ihnen brauchen eine Spenderniere. 

Im Kern bleibt die Gesetzeslage mit der Reform unverändert. Deutschland hält weiterhin an der sogenannten Entscheidungslösung fest. Das bedeutet, dass eine Organ- und Gewebespende grundsätzlich nur dann möglich sind, wenn der potenzielle Spender zu Lebzeiten eingewilligt oder sein nächster Angehöriger zugestimmt hat. Im Zentrum des neuen Gesetzes steht vor allem die Aufklärung und die Errichtung eines Onlineregisters.

Was das neue Gesetz vorsieht: 

  • Die Einrichtung eines bundesweiten Onlineregisters beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte.

  • Die Ausweisstellen von Bund und Ländern müssen den Bürgerinnen und Bürgern zukünftig Aufklärungsmaterial und Organspendeausweise aushändigen. Dabei wird auf weitere Informations- und Beratungsmöglichkeiten hingewiesen. Das Gesetz sieht zudem die Möglichkeit vor, sich vor Ort in das Onlineregister einzutragen.

  • Hausärztinnen und Hausärzte können künftig bei Bedarf ihre Patientinnen und Patienten alle zwei Jahre über die Organ- und Gewebespende ergebnisoffen beraten. Das Gesetz sieht außerdem vor, die Organ- und Gewebespende verstärkt in der ärztlichen Ausbildung zu verankern.
  • Grundwissen zur Organ- und Gewebespende soll zudem in den Erste-Hilfe-Kursen zum Erwerb der Fahrerlaubnis vermittelt werden. 

Das Organspende-Onlineregister ist noch nicht fertig

Wenn das Gesetz am 1. März in Kraft tritt, fehlt allerdings ein wesentliches Instrument: das Onlineregister. Der ursprünglich vorgesehene Start des Registers zum 1. März wird nicht erreicht, wie das Bundesgesundheitsministerium mitteilte. Den Betrieb aufnehmen soll es nun frühestens Ende des Jahres. Hintergrund sei, in der Corona-Pandemie eine weitere Belastung der Kliniken durch technisch-organisatorische Vorarbeiten zu vermeiden, die mit ihrer Anbindung ans Register einhergehen würden. Es ist ein Kernelement einer Reform, die der Bundestag 2020 beschloss.

Wie die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" (FAS) berichtet, kommen weitere Probleme hinzu. Bund und Länder konnten sich demnach noch nicht darauf einigen, wer für die technische Anbindung der Ausweisstellen an das Register zuständig sein soll. Wer einen neuen Personalausweis oder Reisepass beantragt oder verlängert, soll künftig in diesem Prozess über Organspende informiert werden. Vor Ort soll dann die Entscheidung direkt in ein Register eingetragen werden können – wenn es denn eines gäbe. Und wenn geklärt wäre, wer genau dafür zuständig ist. 

Immerhin sind die Hausärzte mit Informationsmaterial versorgt worden, wie der Deutsche Hausärzteverband auf Anfrage der "FAS" bestätigte. Doch es gibt Kritik. Es sei "absurd", dass den Hausärzten für ein Aufklärungsgespräch fünf Minuten eingeräumt werden, wird Ulrich Weigeldt, der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, zitiert. 

Spanien ist regelmäßig an der Spitze beim Thema Organspende

Die Reform, die am 1. März in Kraft tritt, geht auf die Initiative einer Abgeordnetengruppe um die heutige Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und die damalige Linke-Chefin Katja Kipping zurück. Während der Debatte im Bundestag hatten sich unter anderem der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sowie der amtierende Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) für die "doppelte Widerspruchslösung" stark gemacht. Sie wollten das Prinzip der ausdrücklich nötigen Zustimmung umkehren: Mit der "doppelten Widerspruchslösung" wäre automatisch jeder und jede Spender und Spenderin – außer man widerspricht zu Lebzeiten ausdrücklich. Das wäre wiederum jederzeit möglich gewesen (der stern berichtete). Der Bundestag bestätigte am Ende die Entscheidungslösung. 

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Mit der Widerspruchslösung haben beispielsweise Nachbarländer Erfahrungswerte gesammelt, ebenso Spanien. Das Land, das in Europa regelmäßig die Statistiken zur Organspende anführt. In Deutschland gab es 2020 bundesweit 913 Organspenderinnen und Organspender. Das sind 10,9 je eine Million Einwohner. In Spanien kamen 2020 auf eine Million Einwohner 38 Organspenderinnen und Organspender. 

Umfrage zeigt hohe Bereitschaft zur Organspende in Deutschland

Die grundsätzliche Zustimmung zu Organspenden in Deutschland ist einer Umfrage zufolge weiterhin hoch – ihre konkrete Bereitschaft dazu erklärt haben aber weniger Menschen im Land. Das Thema generell "eher positiv" sehen 86 Prozent der Befragten, wie die Umfrage im Auftrag der Techniker Krankenkasse (TK) ergab. Einen ausgefüllten Organspendeausweise haben demnach nach eigenen Angaben 41 Prozent.

Eine Frau hält einen Organspendeausweis in den Händen
Der Organspendeausweis kann jederzeit und ganz unbürokratisch ausgefüllt werden 
© Fotostand / K. Schmitt/ / Picture Alliance

Jüngere stehen dem Thema generell "eher positiv" gegenüber. Selbst einen ausgefüllten Organspendeausweis haben nach eigenen Angaben 49 Prozent der 18- bis 39-Jährigen, bei Menschen ab 60 Jahren sind es 32 Prozent. Für die Umfrage wurden den Angaben zufolge 1000 Menschen ab 18 Jahren vom 30. November bis 15. Dezember telefonisch vom Institut Forsa befragt.

Organspendeausweise liegen in Arztpraxen und Kliniken aus, häufig auch in Ämtern und sie können über die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung auch online ausgefüllt und ausgedruckt oder kostenfrei bestellt werden. Sie haben Kreditkartengröße und können beispielsweise im Portemonnaie aufbewahrt werden. Irgendwann soll es laut neuem Gesetz auch das Onlineregister geben – allerdings frühestens Ende 2022. 

Quellen: Bundesministerium für Gesundheit, "FAS", Organspende Info, mit Material der dpa

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