Naja, was soll man als Postkartenproduzent auch machen. Warten, bis die Show vorbei ist? Währenddessen in 24-Stunden-Schichten produzieren? Alles albern. Wozu gibt es moderne Bildbearbeitungsprogramme. Ein Klick hier und ein Klick da und schon steht Papst Benedikt XVI, formerly known as Joseph Kardinal Ratzinger, mit ausgebreiteten Armen vor dem Kölner Dom. Einfach ausdrucken und fertig. Und so kommen die Besucher, die derzeit die Stadt fluten, in den Genuss eines leicht surrealen Erlebnisses. Sie können Postkarten von Ereignissen kaufen, die noch gar nicht stattgefunden haben.
Erst der Papst, dann der Papst
Hinter den Postkartenständern geht es päpstlich weiter. Bei "Souvenirs Schönenberg" in der Hohe Straße, einen Steinwurf vom Dom entfernt, strahlt Benedikt XVI. von einem mächtigen Bierhumpen (39,50 pro Stück), das traditionelle Kölschglas wäre wohl zu profan für ein Mann dieses Formats gewesen. Außerdem im Angebot: Schlüsselanhänger mit Papstporträt für 6,10 Euro das Stück und Kühlschrankmagneten für 3,95 Euro. Die Verkäuferin ist zwar noch skeptisch, ob die Rucksackkatholiken liquide genug sind, um derlei Devotionalien zu erwerben, aber wenigstens das Gedränge im Laden hat schon zugenommen.
Ein paar Meter weiter, auf der Freifläche vor dem Dom, hat Strassenmaler Klaus-Jürgen Hoppke Position bezogen. Er ist eigens wegen des Weltjugendtages (WJT) angereist und will die kommenden zwei Wochen seine Kreidemalereien gewinnbringend präsentieren. Das erste Bild, das er auf die Platten gezeichnet hat, ist - wer hätte es vermutet - Papst Benedikt XVI mit ausgebreiteten Armen. Und welches Motiv kommt danach? "Mir wird schon noch was einfallen", brummt Hoppke.
Hostie auf Ebay versteigert
Das Erzbistum Köln nimmt das Big Business im Namen Benedikts mit geradezu buddhistischer Gelassenheit hin. "Dass es so ein Bedürfnis gibt, ist verständlich", sagt Sprecher Carsten Horn. Selbst Stefan Raabs "Ratze - mach et"-T-Shirts, die sich in einem großen Kölner Buchladen stapeln, können ihn nicht aus der Ruhe bringen. "Ich kenne fromme Menschen, die finden solche T-Shirts cool", sagt Horn. "Es kommt auf die Haltung an, mit der sie getragen werden."
Einschreiten würde die Kirche nur bei Artikeln, die Glaubensinhalte angriffen oder Gläubige verletzten. Inakzeptabel fand Horn zum Beispiel den Fall eines Schlitzohrs, das sich noch zu den Zeiten von Johannes Paul II auf dem Petersplatz die Kommunion spenden ließ, aber die geweihte Hostie in die Tasche steckte und sie später auf im Internet-Auktionshaus Ebay versteigern wollte. Ebay, so Horn, habe das Angebot schließlich selbst vom Server genommen. Auch gegen Karnevalskostüme, die der Kleidung von Nonnen und Mönchen nachgeschneidert sind, geht das Erzbistum mitunter vor. Man ahnt ja schließlich, was in diesen Gewändern so alles getrieben wird.
WJT-Tasse versus Pope-Watching
Natürlich wäre es für die Katholische Kirche extrem lukrativ, die "Marke Benedikt XVI" selbst auszubeuten und die Menschheit mit exklusiven Fan-Artikeln zu überschwemmen. Aber zumindest das Erzbistum Köln hält sich vornehm zurück. "Die Person des heiligen Vaters ist nicht in erster Linie eine Geldquelle", bemerkt Carsten Horn trocken. Außerdem, so scheint es, will das Erzbistum den innerkirchlichen Kritikern nicht zusätzliche Munition liefern. Sie befürchten, dass der Weltjugendtag, der eigentlich der Diskussion zwischen Klerus und jungen Laien dienen soll, zum reinen "Pope-Watching" verkommt.
Auch deshalb sind die offiziellen Merchandising-Artikel des Weltjugendtages, die der schwäbische Dienstleister Henze Team vertreibt, von geradezu mustergültiger Biederkeit. Ein Holzkreuz ist im Angebot, eine WJT-Tasse, ein "Fashion-Hat", der wie ein Anglerhut aus den 50ern aussieht, auch ein Sitzkissen für den wundgelaufenen Pilger. Die gewagtesten Artikel sind wohl ein T-Shirt mit Papstporträt und eine Flasche Sekt mit WJT-Emblem ("trocken, rassig, mit kräftigem Körper"). Trotz des insgesamt eher nüchtern anmutenden Sortiments laufen die Geschäfte gut. Die T-Shirts werden laut Henze-Geschäftsführer Peter Töpfer in einer Auflage von mehr als 200.000 Stück pro Motiv unters Volk gebracht und die erste Kollektion sei schon fast ausverkauft. Insgesamt sollen, so die Maßgabe der Kirche, 15 Millionen Euro über Sponsoring und Merchandising erwirtschaftet werden. Der gesamte Weltjugendtag kostet etwa 100 Millionen Euro, die von öffentlichen Trägern und der Kirche vorfinanziert werden.
Von irdischen Erlösen
Doch was sind schon 100 Millionen Euro? Die Industrie und Handelskammer (IHK) Köln schätzt, dass die Pilger allein in Geschäften und Kneipen 52 Millionen Euro auf den Tisch legen werden. "Der größte Teil ihres Budgets wird für den Kauf von Souvenirs, Devotionalien und Textilien verwendet", schreibt die IHK in freudigster Erwartung der irdischen Erlöse. Alles in allem soll der sich der ökonomische Effekt für die Region sogar auf bis zu 180 Millionen Euro belaufen.

Wollen Sie nichts mehr vom stern verpassen?
Persönlich, kompetent und unterhaltsam: Chefredakteur Gregor Peter Schmitz sendet Ihnen jeden Mittwoch in einem kostenlosen Newsletter die wichtigsten Inhalte aus der stern-Redaktion und ordnet ein, worüber Deutschland spricht. Hier geht es zur Registrierung.
Davon profitieren werden auch Händler, deren unkatholisches Treiben berüchtigt ist. Das Angebot eines Produzenten, ein spezielles Weltjugendtags-Kondom zu unters Jungvolk zu bringen, lehnte das zuständige Organisationsbüro selbstredend ab. Nun will die Gewerkschaft der Polizei das Verkehrsproblem angehen und - zum Ärger der Veranstalter - kostenlos Verhüterli verteilen. Dass sich das Thema ohnehin nicht unter den Teppich kehren lässt, zeigte eine kurze Stippvisite im Beate-Uhse-Shop unweit des Doms. Die Verkäufer haben strikte Anweisung, keine Interviews zu geben, aber das müssen sie auch nicht. Ein Blick reicht: Der Laden ist nachmittags um 16 Uhr schon mehr als gut besucht.