Landtagswahl 2026 Mission Machterhalt: So wollen die Grünen die Wahl gewinnen

Kann er den Grünen im kommenden Jahr die Macht im Südwesten sichern? Cem Özdemir tritt für die Partei als Spitzenkandidat bei de
Kann er den Grünen im kommenden Jahr die Macht im Südwesten sichern? Cem Özdemir tritt für die Partei als Spitzenkandidat bei der Landtagswahl an. (Archivbild) Foto
© Marijan Murat/dpa
Derzeit sehen die Umfrage nur wenig Chancen, dass die Grünen auch den nächsten Ministerpräsidenten im Südwesten stellen werden. Wie will sich die Partei für den Wahlkampf aufstellen?

Nach fast 15 Jahren an der Regierung müssen die Grünen um ihre Macht im Südwesten bangen. Knapp drei Monate vor der Landtagswahl stimmt sich die Partei von Freitag an beim Parteitag in Ludwigsburg auf den Wahlkampf ein und will ihr Programm beschließen. Warum die Lage schwierig ist – und worauf die Grünen nun setzen:

Die Ausgangslage

Glaubt man den Umfragen, dann besteht eine relativ große Chance, dass der nächste Ministerpräsident im Südwesten wieder ein CDU-Parteibuch besitzt: In der jüngsten Erhebung von SWR und "Stuttgarter Zeitung" kommen die Christdemokraten mit Spitzenmann Manuel Hagel auf 29 Prozent der Stimmen, die Grünen lagen mit 20 Prozent sogar knapp hinter der AfD auf Platz 3. Zuletzt führten die Grünen die Umfragen im März 2023 an, seitdem ging es deutlich bergab. 

Das hängt vor allem mit der generellen politischen Stimmung und Themenlage zusammen. Grüne Kernthemen wie Klima- und Umweltschutz sind angesichts von Krieg, Wirtschaftskrise und Inflation in den Hintergrund gerückt. Und auch der Dauer-Streit in der Ampel-Regierung schadete den Umfragewerten. In Baden-Württemberg bricht bei der nächsten Wahl zudem der vielbeschworene Bonus von Amtsinhaber Winfried Kretschmann weg. Keine einfache Ausgangslage für Spitzenkandidat Cem Özdemir.

Der Kandidat

Aus Ministerpräsidenten-Holz sei Özdemir geschnitzt, bescheinigte Kretschmann seinem möglichen Nachfolger bei dessen Nominierung im Frühjahr. Mit Landespolitik hatte der 59-Jährige allerdings bislang wenig am Hut. Seit 1981 ist er Mitglied der Grünen, von 2008 bis 2018 war er Bundesvorsitzender. 1994 wurde er zum ersten Mal in den Bundestag gewählt – als erster Abgeordneter mit türkischen Wurzeln. 

Auch politische Rückschläge gehören zu seiner Vita: Nach Ärger um dienstlich gesammelte Bonusmeilen und einen Privatkredit legte er eine Auszeit ein, kehrte später in Brüssel und Berlin zurück. Zuletzt war er Landwirtschaftsminister im Ampel-Kabinett und übernahm nach dem Koalitionsbruch zusätzlich das Bildungsressort. Seit dem Ende der Ampel konzentriert er sich ganz auf den Wahlkampf im Südwesten und tourt durchs Land.

Gregor Peter Schmitz mit den Buchstaben GPS

Wollen Sie nichts mehr vom stern verpassen?

Persönlich, kompetent und unterhaltsam: Chefredakteur Gregor Peter Schmitz sendet Ihnen jeden Mittwoch in einem kostenlosen Newsletter die wichtigsten Inhalte aus der stern-Redaktion und ordnet ein, worüber Deutschland spricht. Hier geht es zur Registrierung.

Die Strategie

Nach dem Kretschmann-Bonus setzten die Grünen nun voll auf den Özdemir-Faktor. Denn: Kein Politiker ist im Südwesten so bekannt wie er. Könnten die Menschen den Ministerpräsidenten direkt wählen, läge der ehemalige Bundesagrarminister mit 41 Prozent klar vorne.

Weil auf dem Stimmzettel aber Parteien stehen, muss der Spitzenkandidat eine klare Botschaft vermitteln: Wer mich als Ministerpräsidenten will, muss Grün wählen. Die Kampagne dürfte deswegen komplett auf den prominenten Spitzenmann zugeschnitten werden - ähnlich wie die Partei das bei den vergangenen Wahlen mit Kretschmann erfolgreich gehandhabt hat. 

Özdemir selbst bemüht sich, als natürlicher Nachfolger wahrgenommen zu werden. Man müsse Kretschmann kapieren und nicht kopieren, sagt er – und betont bewusst Eigenschaften, die sein Vorgänger populär machten, etwa Distanz zu strengen Parteilinien. In der Debatte um das Verbrenner-Aus sprach er sich für flexiblere Regeln aus, auch in der Migrationspolitik wich er mehrfach von der Parteilinie ab.

Zuletzt forderte er seine Partei auf, das Image des Besserwissers abzulegen. "Wir Grünen in Baden-Württemberg wollen nicht jeden Lebensbereich regeln, sondern mit den Leuten gemeinsam die Dinge verändern", sagte er der Wochenzeitung "Die Zeit".

Die Themen

Inhaltlich will die Partei - wie auch die Konkurrenz - im Wahlprogramm einen klaren Fokus auf Wirtschaftsthemen setzen. Schon bei seiner Nominierung hatte Özdemir angekündigt, es gehe um "Wirtschaft, Wirtschaft und Wirtschaft". Im Entwurf des Parteiprogramms ist deswegen das Kapitel zu Wirtschaft und Innovation besonders lang und steht direkt am Anfang. Klassische grüne Themen wie Klima- und Naturschutz oder Verkehr werden erst deutlich weiter hinten und auch weniger ausführlich behandelt. 

Die Risiken

Um die Wahl gewinnen zu können, müssen die Grünen einen großen Teil eher konservativer Wähler erreichen, die sich vorstellen könnten, entweder die CDU oder die Grünen zu wählen. Das ist nicht ohne Risiko, denn zugleich muss die Partei aufpassen, dass ihr im städtischen Bereich nicht die Wähler von der Linken abspenstig gemacht werden. Diese setzt stark auf lebensnahe Themen wie bezahlbare Mieten, Kitaplätze oder ÖPNV-Ausbau - und hat bei der kommenden Wahl eine so große Chance wie nie, erstmals in den Landtag einzuziehen. 

In diese Richtung drängt auch der Parteinachwuchs von der Grünen Jugend. Erst vor wenigen Wochen wählte die Nachwuchsorganisation zwei neue Vorsitzende, die betonten: "Wir wollen für linksgrüne Inhalte in unserer Partei und darüber hinaus kämpfen." Entscheidend für den Kampf um die Macht im Südwesten dürfte daher auch die Frage sein, wie geschlossen die Grünen in den Wahlkampf ziehen. Das dürfte sich auch beim Parteitag und in der Debatte um das Wahlprogramm zeigen: Zu den fünf Kapiteln haben die Delegierten hunderte Änderungsanträge gestellt.

dpa

Mehr zum Thema