Koalitionskrise Bündnis auf Bewährung - hält Brandenburgs SPD/BSW-Koalition?

Die BSW-Fraktion im Brandenburger Landtag um Fraktionschef Niels-Olaf Lüders (r) ist in der Krise und sorgt für Turbulenzen auch
Die BSW-Fraktion im Brandenburger Landtag um Fraktionschef Niels-Olaf Lüders (r) ist in der Krise und sorgt für Turbulenzen auch in der SPD/BSW-Koalition. (Archivbild) Foto
© Soeren Stache/dpa
Erst Streit über die Rundfunkreform, dann vier Parteiaustritte, nun ein Rücktritt nach umstrittenen Äußerungen: Die Koalition aus SPD und BSW in Brandenburg erlebt turbulente Zeiten. Wie lange noch?

Die Weihnachtsmärkte öffnen, Lichter und Sterne glitzern - eigentlich ist es eine Zeit der Freude. Doch in der SPD/BSW-Koalition in Brandenburg ist vor ihrem ersten Geburtstag Krisenstimmung angesagt. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) sorgt für immer neue Turbulenzen in der bundesweit einzigen politischen Zweckehe dieser Art: Zuletzt trat Fraktionsvizechef Christian Dorst nach einer Reaktion auf eine umstrittene AfD-Äußerung zurück. Was kommt noch?

Warum ist das BSW in der Krise?

Die Landtagsfraktion ist gespalten. Eine Mehrheit lehnte die Medienstaatsverträge zu Rundfunkreform und Jugendmedienschutz im Landtag vergangene Woche ab. Die Koalition hat eigentlich vereinbart, im Landtag nicht mit wechselnden Mehrheiten abzustimmen - doch das BSW sieht in den Staatsverträgen eine Ausnahme, weil sie vor der Koalition ausgehandelt wurden.

Vier Abgeordnete traten im Zuge des Streits aus der Partei aus und sprachen von "autoritären Tendenzen" im BSW. Nur mit knapper Mehrheit wurden in einer Krisensitzung Misstrauensanträge gegen Fraktionschef Niels-Olaf Lüders und Dorst zurückgewiesen.

Warum ist Fraktionsvizechef Dorst zurückgetreten?

Dorst zeigte beim Portal X Verständnis für eine Äußerung von Sachsen-Anhalts AfD-Spitzenkandidat zur Landtagswahl 2026, Ulrich Siegmund. Der hatte in einem Podcast des Portals "Politico" auf die Frage gesagt, ob die NS-Zeit "das Schlimmste der Menschheit" gewesen sei: "Das maße ich mir nicht an zu bewerten, weil ich die gesamte Menschheit nicht aufarbeiten kann und aus allen Verbrechen dieser Menschheit natürlich lernen muss." 

Dorst schrieb: Man könne die Äußerung von Siegmund als "Vorstufe zur Leugnung des Holocaust" bewerten. "Man kann das allerdings auch völlig anders bewerten." Frei nach dem Motto: "Ich weiß, dass ich nichts weiß." Letztere Interpretation lasse den AfD-Spitzenmann völlig anders erscheinen als erstere. Fraktionschef Lüders teilte dann mit, dass Dorst zurücktritt. Zugleich erklärte er, Dorst zweifle die Singularität des Holocaust nicht an. Der Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt stuft die AfD, deren Spitzenkandidat Siegmund ist, als rechtsextremistisch ein. 

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Hält die Koalition?

Die SPD hat das Verhalten des kleineren Koalitionspartners bisher toleriert - ob es der BSW-Abgeordnete Sven Hornauf ist, der im Landtag für einen AfD-Antrag stimmt, die Einladung des russischen Botschafters in Deutschland zu einer Ausstellungseröffnung oder das Mehrheits-Nein zu Medienstaatsverträgen.

Ministerpräsident und SPD-Landeschef Dietmar Woidke rief das BSW erneut zur Klärung der Konflikte auf. Es gehe darum, dass "wir uns nicht so sehr mit uns selber beschäftigen sollten", sagte er dem RBB. Für die Arbeit in der Koalition sieht er bisher eine Grundlage. SPD-Generalsekretär Kurt Fischer wurde noch deutlicher: Dorsts Äußerungen seien "nicht akzeptabel".

Auch BSW-Chefin Sahra Wagenknecht hält an der Koalition fest. "Das war jetzt natürlich ein überfälliger Schritt", sagte sie Welt TV über den Rücktritt von Fraktionsvize Dorst. Sie appellierte an die Fraktion: "Ich hoffe, dass insgesamt jetzt auch dort wieder zu solidem Arbeiten zurückgefunden wird."

Wann ist die rote Linie für die SPD überschritten?

Die Koalition ist seit fast einem Jahr im Amt. Die vergangenen drei Wochen waren mehrfach eine Zerreißprobe für das Bündnis. Die SPD beobachtet die Krise in der BSW-Fraktion kritisch. Für künftige Abstimmungen fordert sie ein einheitliches Vorgehen beider Partner. Unklar ist jedoch, wie stabil die BSW-Fraktion nach dem Zoff um die Staatsverträge, nach dem Parteiaustritt von vier Abgeordneten und dem Rücktritt des Fraktionsvizes noch sein kann.

Die SPD/BSW-Koalition hat zwei Stimmen Mehrheit. Was ginge außerdem? Ein Bündnis aus SPD und CDU hätte keine Mehrheit, sondern ein Patt. Für die Sozialdemokraten ist das - bisher jedenfalls - keine Alternative.

dpa

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