Gießen rüstet sich für einen Polizeigroßeinsatz am Wochenende. Die AfD will in der mittelhessischen Universitätsstadt am Samstag eine neue Nachwuchsorganisation gründen. Es wird mit 50.000 Gegendemonstranten gerechnet. Worum es bei dem AfD-Treffen konkret geht.
Warum gründet die AfD eine neue Jugendorganisation?
Die Junge Alternative (JA), hatte sich im Frühjahr aufgelöst, die AfD hatte sich zuvor von ihr getrennt. Die JA war als eigenständiger Verein nur lose an die AfD angebunden. Mitglieder – mit Ausnahme der Vorstände – mussten nicht Mitglied der Partei sein und agierten weitgehend unabhängig. Die AfD hatte daher wenig Einfluss auf das Verhalten der JA, was bei extremen Vorfällen regelmäßig auf das Image der Partei zurückfiel. Als Verein lief die JA auch Gefahr, verboten zu werden. Das ist bei Vereinen deutlich einfacher als bei Parteien und hätte dem Image der AfD ebenfalls schaden können. Deshalb die Trennung.
Wodurch fiel die Junge Alternative auf?
Jugendorganisationen von Parteien treten oft provokanter auf als ihre Mutterparteien. Bei der JA ging dies aber so weit, dass der Verfassungsschutz sie als erwiesen rechtsextremistisch einstufte. Die JA-Ideologie sei durch einen ethnisch-kulturell geprägten Volksbegriff bestimmt, der Erhalt des "autochthonen Staatsvolkes" werde zum obersten politischen Ziel erklärt, hieß es im Verfassungsschutzbericht.
Schlagzeilen machten JAler etwa 2024 nach der Brandenburger Landtagswahl, als sie auf der Wahlparty eine abgewandelte Version des Atzen-Songs "Das geht ab - wir feiern die ganze Nacht" auflegten und mitsangen. Im Text des veränderten Liedes hieß es unter anderem "diese Nacht ist Deutschlands Nacht, die Remigration geht los" und im Refrain: "Hey, jetzt geht's ab, wir schieben sie alle ab". Hochgehalten wurde auch eine Tafel mit der Aufschrift "Millionenfach abschieben".
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Was soll sich jetzt konkret ändern?
Mitglied in der neuen AfD-Jugendorganisation kann in der Regel nur noch sein, wer auch schon in der AfD ist. Die Organisation ist ein "rechtlich unselbstständiger Teil der Partei", heißt es in der extra dafür geänderten AfD-Satzung. Verstöße gegen Regeln oder Fehlverhalten können somit geahndet werden bis hin zum Parteiausschluss. Mitmachen können alle AfD-Mitglieder unter 36. Das sind nach Angaben des designierten Vorsitzenden, Jean-Pascal Hohm, mehr als 10.000. Die neue Jugendorganisation könnte also deutlich größer werden als der Vorgänger JA mit zum Schluss rund 4.000 Mitgliedern.
Wird die neue Organisation gemäßigter auftreten?
Mehr Geschmeidigkeit ist auf jeden Fall das Ziel der Parteispitze, besonders im Hinblick auf anstehende Wahlen 2026, bei denen die AfD laut Umfragen in Sachsen-Anhalt oder Mecklenburg-Vorpommern erstmals in eine Regierung in Deutschland kommen könnte. Weniger Krawall, weniger Skandale, mehr Wähler so das Kalkül. "Wir wollen auch mal frech auftreten, aber immer im Bewusstsein, dass unser Handeln dem Erfolg der Partei dienen muss", sagte Hohm der dpa.
Im Gespräch mit der "Jungen Freiheit" plädierte er für ein "seriöses und vernünftiges Auftreten". Man müsse sich bei allem, was man tue, immer fragen, "ist das ansprechend für den Otto-Normalbürger?" Der "Welt" sagte er aber auch: "Es wird in unseren Kerninhalten keine Abkehr von dem geben, was wir seit Jahren fordern". Er stehe ganz sicher nicht für einen "Wischiwaschi-Kurs".
Der Rechtsextremismusforscher Reiner Becker von der Universität Marburg glaubt nicht an einen großen Wandel. Er sagte der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", die Junge Alternative habe Kontakte in die rechtsextremistische Szene meist nicht verheimlicht. Daran werde sich auch mit der neuen Organisation nichts ändern.
Wer ist der designierte Chef?
Der 28-jährige Hohm trat schon mit 17 in die AfD ein und sitzt heute für die Partei im Brandenburger Landtag. Er ist der einzige Kandidat für den Vorsitz. Der Brandenburger Verfassungsschutz stuft die Brandenburger AfD und auch Hohm als rechtsextremistisch ein und beschreibt ihn und andere AfD-Landespolitiker als "in Brandenburger Hochburgen des Rechtsextremismus politisch sozialisiert" und "dort persönlich vernetzt".
Aufgeführt werden Aussagen von Hohm von Veranstaltungen und im Netz, etwa "ohne Deutsche kein Deutschland. Widerstand ist darum Pflicht. Für Deutschland." Hohm selbst hält seine Einstufung für "politisch motiviert" und sieht seine Positionen "fest in der Mitte der Gesellschaft verankert".
Was passiert nun konkret in Gießen?
In der Messe wollen sich rund 1.000 AfDler versammeln und die neue Organisation gründen. Es sind Reden der AfD-Chefs Alice Weidel und Tino Chrupalla sowie von Parteigründer Alexander Gauland geplant. Die Teilnehmer stimmen über das sogenannte Jugendstatut ab, in dem Selbstverständnis, Bindung an die AfD, interne Abläufe und der Name der Organisation festgehalten werden. Außerdem wird der Vorstand gewählt. Über das Logo der neuen Organisation wird voraussichtlich erst später entschieden.
Wie soll die neue Organisation heißen
Der Name Generation Deutschland (GD) gilt als gesetzt, auch wenn es Gegenvorschläge gibt. Eine Gruppe Teilnehmer hat beantragt, die neue Organisation Jugend Germania (JG) zu nennen, weil dies ein "stimmiger und einprägsamer Name" sei der "Traditions- und Heimatverbundenheit" signalisiere. Andere hätten gerne den alten Namen "Junge Alternative" wieder, was die AfD-Spitze aber schon ausgeschlossen hatte. Der AfD-Vorstand hat das letzte Wort. Er muss laut AfD-Satzung am Ende das Statut und damit auch den Namen der Parteijugend genehmigen.