Verschüttete Bergleute in Chile Rettung der Kumpel hält die Welt in Atem

In der Nacht beginnt die Rettung der verschütteten Bergleute. Die Angehörigen warten am Bergwerk in San José. stern.de verfolgt die Aktion ab 1 Uhr mit einem Live-Ticker.

Beten und Daumendrücken für die verschütteten Kumpel in Chile: Die spektakulärste Rettungsaktion in der Bergbaugeschichte steht kurz vor dem lange ersehnten Start. Nachdem der obere Teil des am Wochenende fertig gebohrten Rettungsschachts mit Metallrohren verstärkt worden war, absolvierte die Rettungskapsel "Phoenix 1" vier fehlerfreie Testläufe. Der Koordinator des Rettungsteams, Andre Sougarret, schrieb daraufhin über Twitter: "Heute schlafen die Bergleute die letzte Nacht zusammen".

Am Dienstagabend (Ortszeit/1 Uhr MESZ) soll der erste Retter in einer Kapsel in die Tiefe zu den Bergleuten hinabgelassen werden. Anschließend soll die Bergung der 33 Kumpel losgehen. Im Lager bei der Mine beten die Angehörigen für einen glücklichen Ausgang des längsten Grubendramas der Geschichte. Die Männer fristeten seit fast 70 Tagen ein Dasein in dunkler Tiefe.

Nach der Rettung in den Urlaub

Die Rettung der verschütteten Bergleute in Chile wird auch zum weltweiten Fernsehereignis. Etliche deutsche Sender sind mit eigenen Kamerateams und Reportern am Einsatzort vertreten und wollen live von der Bergung berichten. stern.de wird ab 1 Uhr mit einem Live-Ticker die Rettungsaktion verfolgen.

Die Bergleute erwartet nun vor allem ein riesiger Medienrummel, Journalisten aus aller Welt haben sich vor der Mine versammelt. In einer Erklärung baten die Verschütteten, die ersten Tage mit ihren Familien in Ruhe verbringen zu können. Fragen der Medienhorde würden sie dann später gerne beantworten. Ein Teil der Familien plane einen Kurzurlaub in Ferienhäusern im Süden und Norden des Landes, was die Psychologen empfohlen hatten.

Der erste Sanitäter der Polizei wird voraussichtlich kurz nach Mitternacht europäischer Zeit zu den Eingeschlossenen heruntergelassen, teilte die Regierung mit. Bei der Mine San José in der Atacama-Wüste werden auch Präsident Sebastián Piñera und sein bolivianischer Amtskollege Evo Morales erwartet. Einer der Bergleute ist Bolivianer.

Die fittesten zuerst

Die Bergung selbst dürfte auch zu einer Geduldsprobe werden: Für die Rettung eines jeden Bergmanns wurden etwa 55 Minuten veranschlagt. Daher wird die Aktion bis zu zwei Tage dauern. Die Rettungskapsel "Phönix" brauche etwa 20 Minuten, um mehr als 600 Meter nach unten gelassen zu werden, sagte Ingenieur René Aguilar. Dann würden etwa 20 Minuten für das Einsteigen erwartet und weitere 15 Minuten für das Hochziehen. Gesundheitsminister Jaime Manalich sagte, als erste würden vier der physisch und psychisch fittesten Bergleute nach oben geholt. Sollte es Probleme geben, könnten sie am besten damit umgehen und später den Schwächeren sagen, wie sie diese meistern können. Danach werden die zehn schwächsten heraufgeholt: Ein Mann leidet unter Bluthochdruck, eine anderer an Diabetes, andere haben Zahn- und Atemwegsinfektionen oder Hautverletzungen.

Die Bergleute bekamen zum Abschluss eine Diät mit erhöhtem Salzgehalt, damit sie mehr trinken und damit sie besser auf die Auffahrt vorbereitet seien, sagte Gesundheitsminister Jaime Mañalich. Psychologen werden mit jedem einzelnen der Eingeschlossenen sprechen, um festzulegen, in welcher Reihenfolge die Männer an die Oberfläche gezogen werden sollen. Die katholische Kirche des südamerikanischen Landes rief die Gläubigen zu Gebeten auf, bis auch der letzte Kumpel gerettet ist.

Oben angekommen, müssen Fingerabdrücke genommen werden

Der Retter der Polizei soll in der Tiefe den Zustand der Kumpel beurteilen und diese für die Bergung vorbereiten. Drei weitere Spezialisten werden ebenfalls nach unten gelassen. In die Kapsel nach oben steigt dann wiederum jeweils ein Kumpel. Die vier Helfer sollten die Lage sondieren, letzte Details zur Reihenfolge klären und den Bergleuten die Kapsel erklären. Insgesamt 16 Männer hielten sich für diese Aufgabe bereit.

Gregor Peter Schmitz mit den Buchstaben GPS

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An der Oberfläche angekommen, werden die Männer von einem Arzt untersucht, medizinisch betreut und können sich waschen. Dann kommt das sehnsüchtig erwartete Wiedersehen mit engsten Familienangehörigen. Allerdings müssen sie dann auch noch ihre Fingerabdrücke bei der Polizei abgeben. "Es läuft ein Ermittlungsverfahren wegen eines Unglücks", sagte der Polizeipräfekt Luis Mardones. In diesem Zusammenhang würden die Fingerabdrücke zur Identifizierung benötigt. Es handelt sich dabei jedoch nur um einen bürokratischen Akt, da die Männer nach dem Unglück in der Mine vermisst gemeldet worden waren.

Immer vier Kumpel werden anschließend in Hubschraubern in das Krankenhaus der nahe gelegenen Stadt Copiapó geflogen. Das ist auch der Grund für die Vorverlegung der Rettungsaktion: Der leitende Psychologe, Alberto Iturra, hatte empfohlen, am Mittwochmorgen mit der Bergung zu beginnen. In der Nacht könnte Nebel zu schlechten Sichtverhältnissen rund um die Mine führen, sagte der Psychologe. Oberstleutnant Aldo Carbone wies darauf hin, dass die Piloten trotz Nachtsichtgeräten nur bei klarer Sicht fliegen würden. Der Flug dauert etwa zehn Minuten. Eine Fahrt mit den ebenfalls bereitstehenden Rettungsfahrzeugen würde rund eine Stunde dauern. Nach einer eingehenden Untersuchung könnten die Kumpel je nach Gesundheitszustand nach ein bis zwei Tagen nach Hause entlassen werden.

Das Drama unter Tage hatte am 5. August begonnen. Mehr als zwei Wochen dauerte es, bis die Verschütteten nach dem Einsturz entdeckt und über Schächte versorgt wurden. Noch nie waren Menschen so lange Zeit in so großer Tiefe gefangen. Die Aktion zu ihrer Rettung ist die längste und aufwendigste, die je im Bergbau vorgenommen wurde. Den Verschütteten half ein ausgeklügeltes Beschäftigungs- und Fitnessprogramm, die belastende Zeit in der Tiefe zu überstehen.

DPA
swd/DPA/DAPD