Ozempic, Wegovy und Co. Ein Piks pro Woche – kann Abnehmen wirklich so einfach sein?

Zusehen, wie das Fett schmilzt, bei nur einem Piks pro Woche: Nicht nur in den USA hoffen viele auf das neue Abnehmen ohne Mühen. Ein Report über Hoffnung und Risiken.
Illustration eine Frau steht vor dem Spiegel und sieht sich dort als Spiegelbild dünner
Der Traum vom dünneren Ich: Injektionen mit dem Wirkstoff Semaglutid sollen helfen, ihn zu erfüllen
© Mario Wagner

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Der Weg ins Rampenlicht führte über Tiktok. Irgendwann tauchten die ersten Videos auf, in denen glückliche Menschen von einem Wunder erzählten: Sie hatten sich kleine Spritzen unter die Haut gesetzt, und ihre Fettpolster waren dahingeschmolzen. Es war der Beginn eines gewaltigen Hypes. Erst wurde Ozempic berühmt, eine 2017 zugelassene Injektion, die eigentlich nicht zum Abspecken, sondern für Diabetiker gedacht war. Dann ab 2021 Wegovy, das denselben Wirkstoff in noch höherer Dosierung enthielt – und das diesmal tatsächlich auf Übergewichtige zielte. Schon bald verzeichneten Hashtags wie #ozempicweightloss, #ozempicchallenge oder #wegovy Millionen und Abermillionen Aufrufe, vor allem in den USA.

Auch Prominente zeigten sich bekenntnisfreudig: Elon Musk etwa twitterte im Oktober 2022, er bleibe durch "Fasten und Wegovy" schlank. Andere Stars wehrten sich gegen jede Unterstellung, allen voran Kim Kardashian, der angeblich Ozempic-Injektionen geholfen hatten, für die New Yorker Met Gala in Marilyn Monroes Kleid zu passen. Im März dieses Jahres schaffte Ozempic es sogar auf die Oscar-Bühne. Gastgeber Jimmy Kimmel witzelte bei der Preisverleihung mit Blick auf das Publikum: "Alle sehen so toll aus. Wenn ich mich in diesem Raum umschaue, frage ich mich unweigerlich: ‚Ist Ozempic auch das Richtige für mich?‘" Bestsellerautorin Cat Marnell erklärte im "Wall Street Journal", Ozempic sei inzwischen das Gesprächsthema "beim Dinner in den Hamptons". In Los Angeles, Miami, New York City – überall spricht man von der "weight loss injection", der "Abnehmspritze".

Das wirkt. Ozempic und Wegovy bescheren ihrem dänischen Hersteller Novo Nordisk astronomische Gewinne – und machen der Konkurrenz Sorgen. Anbietern von Diäten und Eiweiß-Shakes brechen die Gewinne weg. Dagegen steigt der Aktienkurs des Weight-Watchers-Imperiums, seit es ein Programm anbietet, das Zugang zu Ärzten und Spritzen auf Rezept einschließt.

Wo bleiben die Diabetiker?

Auch in Deutschland sind Ozempic und Wegovy längst angekommen. Die Vermarktung mag weniger schrill sein als in den USA, der Fett-weg-Rummel nicht ganz so laut – aber auch hier wollen offenbar viele die sensationelle "Abnehmspritze" ausprobieren. In Apotheken tauchten schon Fake-Rezepte auf, das Regierungspräsidium Freiburg warnte vor gefälschten Ozempic-Pens mit unklarem Inhalt, die im Umlauf seien und "keinesfalls angewendet werden" dürften. In Österreich landeten zuletzt mehrere Menschen im Krankenhaus, die sich zuvor mutmaßlich gefälschtes Ozempic gespritzt hatten.

Anders als in den USA scheint die weit überwiegende Mehrheit der Interessenten hierzulande allerdings bei Ärzten nach den Spritzen zu fragen. Sie gehören zur offiziellen Zielgruppe – und die ist riesig: Übergewicht und Fettleibigkeit beeinträchtigen die Gesundheit von Millionen, die Folgeleiden verursachen zweistellige, in Amerika sogar dreistellige Milliardenkosten. Mehr als die Hälfte der Männer und Frauen in Deutschland sind zu dick, 19 Prozent aller Erwachsenen sind sogar adipös, haben also einen Body-Mass-Index von 30 oder mehr. Lassen sich ihre Bäuche einfach wegspritzen?

Erschienen in stern 47/2023

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