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Debatte um Antibabypille Wie groß ist das Blutgerinnsel-Risiko?

Frauen, die hormonell verhüten, erleiden häufiger eine Thromboembolie. Das Risiko ist je nach Pille verschieden groß.  Was Anwenderinnen wissen sollten und welche Pille welches Risiko hat.

Antibabypillen schützen wirksam vor einer Schwangerschaft. Zugleich erhöhen sie, wenn auch nur geringfügig, das Risiko für eine Thrombose - mit der Gefahr, dass die Blutgerinnsel aus dem Bein in die Lunge schießen und plötzlich eine Atemnot verursachen. Das kann lebensbedrohlich sein.

Statistisch droht ohne Pille eine solche Thromboembolie pro Jahr etwa 2 von 10.000 Frauen. Mit Einnahme der Pille steigt das Risiko. Auch wenn dieses nur gering sei, könne man aufgrund der Menge an Verordnungen nicht von Einzelfällen sprechen, heißt es im aktuellen "Pillenreport", den die Techniker Krankenkasse gemeinsam mit der Universität Bremen herausgegeben hat. Die Pille werde überwiegend von jungen und gesunden Frauen eingenommen. Sie sollten sich daher im Klaren darüber sein, welche Risiken auftreten können.

Generell gilt: Je nachdem, welche Wirkstoffe enthalten sind, ist die Gerinnsel-Gefahr unterschiedlich groß. In den meisten Präparaten sind die weiblichen Geschlechtshormone Östrogen und Gestagen enthalten. Je nach enthaltenem Gestagen variiert das Thromboserisiko, wie eine Tabelle des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zeigt. Welches Gestagen in der Pille verwendet wird, lässt sich am Beipackzettel erkennen.

Zur Einordnung werden die verschiedenen Arten der Pille in Generationen eingeteilt, was sich auf den Zeitpunkt bezieht, zu dem sie entwickelt und vermarktet wurden. Alle Pillen verhüten gleich gut. Auch nach zahlreichen Neuentwicklungen haben sich vor allem die Pillen der sogenannten zweiten Generation mit einem niedrig dosiertem Östrogenanteil (20 bis 30 Mikrogramm Ethinylestradiol) und Gestagenen wie  Levonorgestrel, Norethisteron oder Norgestimat bewährt. Sie haben das geringste Thromboserisiko. Das bestätigt auch der "Pillenreport".

Die Pillen der zweiten Generation sollten aufgrund ihrer besseren Nutzen-Schaden-Bilanz bevorzugt verordnet und eingenommen werden, wenn keine wichtigen Gründe - etwa Unverträglichkeitsreaktionen wie  Übelkeit und Kopfschmerzen - dagegen sprechen, so die Autoren des Reports.

Die Pillen der sogenannten dritten und vierten Generation bestehen aus einem Östrogen- und einem Gestagenanteil. Sie enthalten moderne Gestagene, die das Thrombose-Risiko erhöhen. Bei den Pillen der dritten Generation handelt es sich um Gestoden oder Desogestrel, bei den Antibabypillen der vierten Generation ist es Drospirenon. Diese Gestagene sollen verträglicher sein und neben der Verhütung auch für ein schönes Hautbild und für eine Gewichtsabnahme sorgen. Vorzüge, von denen sich offenbar viele Ärzte und Anwenderinnen überzeugen lassen: Die neueren Mittel führen dem "Pillenreport" zufolge inzwischen die Absatzlisten nach Packungsmengen an - trotz des fast doppelt so hohen Thromboserisikos. Marketing und Werbung der Hersteller hätten die Ärzte trotz des bekannten erhöhten Risikos von den angeblichen Vorzügen dieser neuen Pillen überzeugen können, schreiben die Autoren des Reports.

Auch das BfArM, das zuletzt 2013 zusammen mit anderen, auch europäischen Behörden Nutzen und Risiken der Pille bewertet hat, empfiehlt, insbesondere bei jungen Frauen unter 30 Jahren und bei solchen, denen die Pille zum ersten Mal verschrieben wird, auf Pillen mit Levonorgestrel zurückzugreifen. Auch für alle anderen Anwenderin gilt: Verordnet ein Arzt ein anderes Mittel, sollte erst ein ausführliches Gespräch mit der Patientin stattfinden, in dem er sowohl über das Thromboserisiko, den Einfluss von persönlichen Risikofaktoren wie Rauchen oder Übergewicht, wie auch  über die Symptome einer Thrombose aufklärt.

Damit die Risiken in den Praxen besser kommuniziert werden, hat das BfArM 2014 einen Rote-Hand-Brief, eine Checkliste für Ärzte und eine Informationen für Anwenderinnen entwickelt. Ein Blick in die  Handreichung für Patienten ist empfehlenswert für alle, die die Pille einnehmen. Darin ist etwa zu lesen, dass im ersten Jahr nach der Anwendung der Pille das Risiko, ein Blutgerinnsel zu entwickeln, am größten ist. Gleiches gilt, wenn Frauen eine Pillenpause von vier oder mehr Wochen einlegen und dann wieder mit der Einnahme beginnen.

Wer über Jahre hinweg die Pille eingenommen hat, ohne eine Thrombose zu entwickeln, dessen Risiko dafür ist nur noch sehr gering. Auch ein Wechsel der Pille sollte daher ausführlich mit dem Frauenarzt besprochen werden. "Zum Beginn der Einnahme ist grundsätzlich das Risiko einer Thromboembolie größer", sagt auch Wolfang Becker-Brüser. Der Arzt und Apotheker sieht die Verschreibung der Präparate der neuesten Generationen kritisch: "Man kann Fälle konstruieren, in denen diese sinnvoll wäre, etwa bei Unverträglichkeiten oder bei Allergien auf Levonorgestrel. Das ist aber nicht die Realität." Stattdessen würde der Großteil der Frauen die Pillen der dritten oder vierten Generation einnehmen, ohne dass eine derartige Indikationen vorliegt. "Das ist zum Schaden der Frau! Dabei muss man bedenken, dass es sich in der Regel um gesunde junge Frauen handelt. Für die braucht man Medikamente, die so wenig gefährlich wie möglich sind", sagt Becker-Brüser.

Fazit: Die Pillen der zweiten Generation sind das Mittel der Wahl zur oralen Verhütung, heißt es im "Pillenreport". Sie verhüten genauso sicher wie die modernen Pillen, bei überschaubareren Risiken. Bitte beachten Sie dennoch: Je nach individueller Konstitution kann auch ein höher dosierter Östrogenanteil oder ein anderes Gestagen durchaus sinnvoll sein. Bei Fragen hierzu sprechen Sie Ihren Frauenarzt an, der Ihren persönlichen Gesundheitszustand am besten kennt.

Arnd Schweitzer, Lea Wolz, Veronika Simon

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