Wiederinfektion Dänin nach Monaten erneut positiv auf Corona getestet – Wissenschaftler stehen vor Rätsel

Eine Ärztin hält einen Abstrich für einen Coronavirus-Test in den Händen
Eine Ärztin hält einen Abstrich für einen Coronavirus-Test in den Händen
© Robert Michael / DPA
Eine Dänin wurde mit einem Abstand von drei Monaten zwei Mal positiv auf das Coronavirus getestet, beide Male entwickelte sie Symptome. Auch aus Hongkong ist eine Wiederinfektion bekannt. Wissenschaftler halten eine Zweitinfektion für möglich – nur das Wie steht noch nicht fest.

Marie-Louise Kleszewski ist 41 Jahre alt, Krankenschwester – und womöglich die erste Dänin, die mit mehreren Wochen Abstand zwei Mal positiv auf das Coronavirus getestet wurde. Bei der Frau aus Nykøbing Falster wurde sowohl im April als auch im Juli das Virus Sars-CoV-2 nachgewiesen. Der dänischen Zeitung "Ekstra Bladet" erzählte sie von ihrem Fall.

Demnach habe Kleszewski sowohl milde als auch stärkere Symptome von Covid-19 gehabt, der Krankheit, die durch das Coronavirus ausgelöst wird. Zwischen den beiden Krankheitsperioden sei sie gesund gewesen, kehrte in den Alltag zurück – ohne Probleme.

In einem Video erzählt die 41-Jährige, dass sie im Krankenhaus von Nykøbing Falster in einer Abteilung gearbeitet hat, in der sich mehrere mit dem Coronavirus angesteckt hätten. "Und ich war eine von ihnen."

Die erste Infektion beschreibt sie so: "Es begann damit, dass ich Kopfschmerzen hatte, und dann kamen die Grippesymptome", erinnert sich Kleszewski. Später folgten Verlust von Geschmacks- und Geruchssinn und die Krankenschwester wurde "enorm müde".

Zweiter Krankheitsverlauf kürzer

Nach ihrem ersten Krankheitsverlauf und bis zum zweiten sei sie gesund gewesen und wäre wieder ihrem Alltag nachgegangen. Kollegen und Familie seien nicht angesteckt worden. Bei ihrer vermuteten zweiten Ansteckung habe sie leichte Halsschmerzen gehabt, die sie mit einem "brennenden Gefühl" beschreibt. "Und dann dachte ich, dass ich Kontakt mit einem Arzt aufnehmen sollte, um zu hören, ob ich noch mal getestet werden soll", berichtet Kleszewski. Daraufhin sei sie positiv getestet worden, und die Grippesymptome kamen erneut.

Ihr zweiter Krankheitsverlauf sei aber kürzer gewesen. Im Juli habe er nur fünf Tage angedauert, wohingegen sie im April vier Wochen krank war, sagt die 41-Jährige. Inzwischen gehe es ihr aber besser und sie gehe wieder ihrer Arbeit nach.

Die mutmaßliche zweifache Corona-Infektion von Marie-Louise Kleszewski wäre nicht die erste: Wissenschaftler aus Hongkong haben nach eigenen Angaben einen Fall einer Wiederinfektion mit dem Coronavirus nachgewiesen. Der Fall zeige, dass nur wenige Monate nach einer ersten Infektion eine erneute Infektion mit dem Virus möglich sei, erklärte das Institut für Mikrobiologie der Universität Hongkong vergangene Woche.

Den Wissenschaftlern zufolge infizierte sich der untersuchte Patient innerhalb von viereinhalb Monaten zwei Mal mit dem neuartigen Coronavirus. Gen-Analysen zeigten demnach, dass die Infektionen von zwei verschiedenen Virusstämmen ausgelöst wurden. Auch in den Niederlanden, Ecuador und Belgien soll es Fälle gegeben haben. Und auch in den USA haben Wissenschaftler einer Studie zufolge eine erneute Corona-Infektion eines bereits seit längerem genesenen Patienten in den USA nachgewiesen. 

Coronavirus: Wo stecken sich Reiserückkehrer am häufigsten an?
Seit Beginn der Pandemie sind in Deutschland mehr als zehn Millionen Tests auf das Coronavirus durchgeführt worden
© bitprojects
Wo stecken sich Reiserückkehrer am häufigsten mit Corona an?

Experten haben verschiedene Theorien 

Im Fall der Dänin Kleszewski sehen Experten laut "Ekstra Bladet" unterschiedliche Möglichkeiten für die zweite Ansteckung. So sagte Lars Østergaard, Arzt und Professor des Universitätskrankenhauses in Aarhus: "Es gibt viele Dinge, die wir noch nicht wissen, aber ich denke, es kann wahrscheinlich passieren, dass man erneut das Coronavirus bekommen kann, (...)." Die 41-Jährige habe offensichtlich von irgendwo anders ein neues Virus bekommen und sei krank geworden, weil die Immunität nicht zu 100 Prozent gegeben gewesen sei. Man könne auch nicht ausschließen, dass es sich um ein totes Virus handelt, das von der ursprünglichen Infektion stamme.

Der dänische Virologe Søren Riis Paludan, ebenfalls von der Universität Aarhus, ist der Meinung, dass man zwar Antikörper gegen das Coronavirus bildet, sich aber dennoch ein weiteres Mal infizieren kann. Mit Blick auf die Fälle aus Dänemark und Hongkong sagt er: "In diesen sehr seltenen Fällen gab es nicht genug Schutz." Bei den zweiten Infektionen seien die Symptome milder ausgefallen. Das bedeute, dass Antikörper in diesen Fällen nur teilweise geschützt hätten. Daher auch ein schwacher Krankheitsverlauf. 

Und der Arzt Christian Wejse vom Uniklinikum Aarhus hat eine weitere Theorie: "Ich interpretiere es so, dass man das Virus für eine lange Zeit im Hals haben kann, und wenn man dann eine weitere Atemwegsinfektion bekommt, wird das Virus erneut aktiviert", zitiert ihn "Ekstra Bladet". Seiner Ansicht nach befinde sich in Körpern von Infizierten ein Rückstand der Virus-RNA, die bei weiteren Corona-Tests entdeckt werde.

"Ekstra Bladet" hat sich auf Wunsch von Marie-Louise Kleszewski an das "Statens Serum Institut" in Dänemark gewendet, um ihre Proben erneut untersuchen zu lassen. So soll final bestätigt werden, dass sich die Patientin tatsächlich zwei Mal infiziert hat. Es werde intern diskutiert, ob der Fall im Institut genauer untersucht werden solle, so die Zeitung am Montag. 

WHO: "Kein gängiges Vorkommnis"

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) betonte nach dem Bericht der Hongkonger Wissenschaftler, dass es sich nach bisherigen Erkenntnissen um Einzelfälle handelt. "Es scheint kein gängiges Vorkommnis zu sein, sonst hätten wir mehr Fälle gesehen", sagte WHO-Sprecherin Margaret Harris. Allerdings wurde der Hongkonger Patient auch nur entdeckt, weil er im August wegen einer Reise routinemäßig getestet wurde. Er hatte keinerlei Symptome. Denkbar ist, dass auch andere Patienten sich neu infizierten, dies aber gar nicht merken.

"Wir haben gesehen, dass Infizierte eine Immunantwort entwickeln, aber es ist noch nicht klar, wie lange diese Immunantwort dauert", sagt Maria van Kerkhove, Covid-19-Expertin der WHO. Es seien Studien im Gange, die prüfen, wie hoch die Immunität nach einer schweren oder milden Infektion oder nach einer ohne jegliche Symptome sei. Isabella Eckerle, Leiterin des Zentrums für Viruserkrankungen an der Universität Genf, verweist darauf, dass bislang unklar ist, ob die Patienten sich nur neu infizierten, weil ihr Immunsystem angeschlagen war, etwa aus genetischen Gründen oder wegen der Einnahme von Medikamenten.

"Glücklicherweise sind Coronaviren eher stabil"

Laut Eckerle sind solche Neuinfektionen nicht überraschend. "Wir wissen es von anderen respiratorischen Viren wie Erkältungsviren, dass sie unser Immunsystem immer wieder überlisten und wir uns immer wieder infizieren können." So sieht es auch der Leiter der medizinischen Virologie der Universität Gießen, John Ziebuhr: "Es ist bekannt, dass die Immunität im Nasen/Rachenbereich nicht besonders langlebig ist", sagt er.

"Die gute Nachricht ist: Der Hongkonger Patient hatte bei der zweiten Infektion keine Symptome, das deutet darauf hin, dass sein Immunsystem den Erreger erkannt und schnell reagiert hat", sagt Eckerle. Und Ziebuhr: "Beunruhigend wäre es, wenn der Patient beim zweiten Mal sehr schwer erkrankt wäre und Intensivpflege gebraucht hätte." Das hätte bedeutet, dass die Immunreaktion auf eine erste Infektion die Gefahr für den Patienten bei einer zweiten Infektion erhöht, wie etwa bei Dengue-Fieber.

Dass die Viren bei der ersten und zweiten Infektion des Hongkonger Falls genetisch unterschiedlich waren, zeige lediglich die bekannten regionalen Variationen, so Eckerle. Tiefgreifende Mutationen seien dies nicht. "Glücklicherweise sind Coronaviren eher stabil. Im Moment gibt es keinen Hinweis, dass kleine Veränderungen funktionell einen Unterschied machen, sodass das Immunsystem das Virus nicht mehr erkennt." 

Drosten zu Hongkonger Studie: "Alles nur Aufmerksamkeitsgeheische"

Nach Angaben von Ziebuhr zeigen die Einzelfälle, dass die Immunantwort nicht langlebig ist. "Man darf sich nicht der Hoffnung hingeben, dass das Problem gelöst ist, wenn alle einmal durchgeimpft sind", sagt er. Man müsse sich darauf einstellen, dass das Virus dauerhaft zirkuliere. Unklar sei noch, inwieweit zum zweiten Mal infizierte Patienten selbst ansteckend waren, sagt Eckerle. Man könne nicht einfach davon ausgehen, dass die einmal Infizierten das Infektionsgeschehen nicht mehr beeinflussen.

Der Virologe Christian Drosten sagte in der neuesten Folge seines Corona-Podcasts am Dienstag, dass Fälle von Wiederinfektionen "Raritäten" seien. "Es ist im Moment schwer zu sagen, wie viele Patienten das betreffen wird", sagte er. Epidemiologisch werde es für die Verbreitung des Virus aber vermutlich nicht ins Gewicht fallen. Der Fall bedeute auch nicht, dass eine Impfung nicht wirken werde. "Das ist alles nur Aufmerksamkeitsgeheische", kritisierte Drosten die mit umfangreicher Öffentlichkeitsarbeit in Hongkong veröffentlichte Studie.

Quellen: "Ekstra Bladet", Nachrichtenagenturen DPA und AFP

rw

PRODUKTE & TIPPS