Kreuzfahrt-Konzerne verkauften jahrelang eine bonbonbunte Welt auf hoher See. Dicht gedrängt hockten Tausende Passagiere an den Pools und in den Restaurants. Das Coronavirus ließ diese Blase platzen. Im Frühjahr kam es an Bord mehrerer Ozeanriesen zu Ausbrüchen, viele Häfen verweigerten den Passagieren die Einreise aus Angst, sie könnten das Virus in den jeweiligen Ländern weiterverbreiten. Mitunter wurden die Passagierschiffe als "schwimmende Petrischalen" verunglimpft.
Die Sorge war offenbar nicht unbegründet: Ein Team des japanischen Instituts für Infektionskrankheiten untersuchte den Fall der "Diamond Princess", die im Februar für Schlagzeilen gesorgt hatte. 697 von insgesamt 3711 Menschen steckten sich damals an Bord mit dem neuartigen Erreger an, woraufhin das gesamte Schiff im Hafen von Yokohama unter eine zweiwöchige Quarantäne gestellt wurde. Sieben Personen starben.
Ein einzelner Superspreader genügt
Bei ihrer Spurensuche analysierten die Wissenschaftler*innen die Erbgutsequenzen der Virenproben von insgesamt 148 Betroffenen, woraus sie eine Art Stammbaum entwickeln konnten. Der offenbarte eine interessante Erkenntnis: Offenbar gingen sämtliche Infektionen auf eine einzige mit dem Coronavirus infizierte Person - ein 80 Jahre alter Passagier, der in Hongkong von Bord ging - vor Beginn der Quarantäne zurück. Der Passagier litt bereits seit dem 23. Januar unter Hustenattacken, doch erst am 3. und 4. Februar wurde der Gesundheitszustand aller Passagiere und Besatzungsmitglieder von Quarantänebeamten untersucht.
"Wir fanden keine bereichsspezifischen Ereignisse einer Verbreitung von Covid-19 in der Diamond Princess, da alle Covid-19-Patienten auf allen 18 Decks des Schiffes weit verteilt waren", heißt es in den Ergebnissen der Studie, die im Fachmagazin "PNAS" veröffentlicht wurden. "Dies könnte darauf hindeuten, dass die meisten Sars-CoV-2-Infektionen bei Massenveranstaltungen in den Erholungsräumen begannen, wo alle Passagiere tanzten, sangen, einkauften und sich Aufführungen anschauten."
Ähnliches Muster wie bei Tönnies-Ausbruch
Dass ein einzelner Infizierter ein sogenannter "Superspreader" sein kann, ist nicht neu. So zeigt eine aktuelle Untersuchung einer Forschungsgruppe um die Virologin Melanie Brinkmann vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, dass im Rinderzerlegungsbereich des Tönnies-Schlachthofes in Rheda-Wiedenbrück sich innerhalb weniger Tage 20 Mitarbeiter*innen mit dem Coronavirus ansteckten - ausgehend von einer einzigen infizierten Person (mehr dazu finden Sie hier). Am Ende wurden mehr als 1400 Menschen positiv auf Covid-19 getestet.