Immunstimulanzien sind in Deutschland äußerst beliebt. Die Vorstellung, dass wir uns vor vielen Krankheiten schützen können, wenn unser Immunsystem optimal funktioniert, leuchtet vielen Menschen intuitiv ein. Beeindruckt von oftmals geschickt lancierten Behauptungen, geben die Bundesbürger erhebliche Summen für diese als natürlich angepriesenen Mittel aus (siehe auch Tabelle).
Für einige dieser Präparate ist mehr oder weniger gut belegt, dass sich nach der Einnahme bestimmte Messgrößen des Immunsystems verändern. Dies deutet auf einen möglichen therapeutischen N utzen hin – beweist ihn aber nicht. Das Immunsystem ist ein überaus kompliziertes System, in dem zahlreiche Einzelfaktoren miteinander agieren. Wenn man zeigt, dass sich nach Einnahme eines Immunstimulans der eine oder andere Parameter verändert, heißt das deshalb nicht zwangsläufig, dass das Immunsystem als Ganzes besser funktioniert.
Eine Grenzpolizei gegen Eindringlinge
Die Aufgabe des Immunsystems ist, vereinfacht dargestellt, die einer Grenzpolizei, die aufpasst, dass Eindringlinge von außen keinen inneren Schaden anrichten können. Bei den Eindringlingen handelt es sich meist um Krankheitserreger, also beispielsweise Bakterien oder Viren. Diese zu neutralisieren scheint eine löbliche Aufgabe zu sein.
Die zehn meistverkauften Immunstimulanzien
1. Umckaloabo (Pelargonium-Extrakt)
2. Esberitox (Echinacea-Auszug)
3. Angocin Anti Infekt
(Kapuzinerkressenkraut, Meerrettichwurzel)
4. Echinacea R atiopharm (Echinacea-Presssaft)
5. Echinacin (Echinacea-Presssaft)
6. Orthomol Immun Trinkfläschchen (Vitamine und Spurenelemente)
7. Toxi Loges (u. a. pflanzliche Auszüge aus Echinacea, Eupatorium, Baptisia, China)
8. Lymphomyosot (homöopathisches Mittel)
9. Echinacea Stada (Echinacea-Presssaft)
10. Lymphdiaral Basis (homöopathisches Mittel)
Quelle: IMS Health, ermittelt von Media Control, Baden-Baden
Eine Stimulation des Immunsystems dürfte jedoch nur nützlich sein, wenn es in irgendeiner Weise geschwächt ist. Ein optimal arbeitendes Immunsystem weiter anregen zu wollen, erscheint dagegen nicht sinnvoll - und könnte unter bestimmten Umständen sogar schädlich sein. Es gibt eine Reihe von Erkrankungen, bei denen das Immunsystem verrückt spielt und körpereigene Stoffe angreift. Somit kann das Prinzip der Immunstimulierung also ein zweischneidiges Schwert sein.
Immunstimulierung könnte ein Therapieprinzip sein
Dennoch: Zur Vorbeugung von Infektionskrankheiten könnte Immunstimulierung ein eingängiges Therapieprinzip sein, insbesondere dann, wenn die Abwehr daniederliegt.
Voraussetzung ist aber, dass die Mittel nicht nur immunologische Messwerte verändern, sondern tatsächlich dafür sorgen, dass derjenige, der sie nimmt, seltener an Infektionen erkrankt. Was also zeigen die klinischen Studien zu diesem Thema? Viele der links aufgelisteten Präparate enthalten Extrakte aus Sonnenhut (Echinacea).
Nutzen ist nicht zweifelsfrei belegt
Hierzu gibt es inzwischen eine beachtliche Anzahl gut gemachter Studien, insbesondere zur Vorbeugung von Erkältungen. Diese Studien konnten den Wert dieses Immunstimulans bislang nicht zweifelsfrei belegen. Für die anderen genannten Präparate sind in der Regel weniger Studien zur Infektionsprophylaxe verfügbar. Das heißt, ihre vorbeugende Wirksamkeit ist noch weniger gut belegt als die von Echinacea.
Prof. Dr. Edzard Ernst
Leiter der Abteilung für Komplementärmedizin an der Universität Exeter, ist Experte für die wissenschaftliche Beurteilung alternativer Heilmethoden.
Insgesamt ist die Datenlage über die Wirkung von Immunstimulanzien zur Vorbeugung von Infektionskrankheiten also recht ernüchternd. Natürlich bedeutet die Tatsache, dass positive Wirksamkeitsnachweise fehlen, nicht unbedingt, dass diese Mittel wertlos sind. Dennoch bin ich der Meinung, dass der Verbraucher diesen Präparaten insgesamt eher kritisch gegenüberstehen sollte.