40. Jahrestages der Entdeckung des Aids-Virus "Die Stigmatisierung ist geblieben": Wie HIV-Langzeitüberlebende mit ihrer Krankheit leben

Eine Frau hat sich eine rote Schleife angeheftet, ein Zeichen der Solidarität für mit HIV Infizierten
Eine Frau hat sich eine rote Schleife angeheftet. Die Schleife ist ein Symbol der Solidarität mit Menschen, die Aids haben oder mit HIV infiziert sind.
© Oliver Berg / DPA
Vor mehr als 40 Jahren wurden die ersten Aids-Erkrankungen festgestellt. Der Erreger, der später den Namen HIV bekam, wurde 1983 entdeckt. Bis heute sind weltweit 40,1 Millionen Menschen an Aids gestorben. Langzeitüberlebende berichten über ihre Erfahrungen mit dem HI-Virus.

In den 1980er Jahren galt die Diagnose HIV als Todesurteil. Die ersten Medikamente gegen Aids hatten schreckliche Nebenwirkungen, zudem wurden die Infizierten stigmatisiert und ausgegrenzt. Fortschritte in der Behandlung ermöglichen heute ein Leben mit HIV. Anlässlich des 40. Jahrestages der Entdeckung des Aids-Virus hat die Nachrichtenagentur AFP mit vier Langzeitüberlebenden gesprochen.

Paul Kidd

Paul Kidd wollte sich eigentlich schon 1986 auf HIV testen lassen. Doch sein Arzt habe ihm vom Test abgeraten, "weil es damals keine Behandlungsmöglichkeiten gab und das politische Klima für Menschen mit HIV sehr schlecht war", sagt der 59-jährige Anwalt und Aktivist, der in der Nähe von Melbourne in Australien lebt. Erst fünf Jahre später erfuhr Kidd, dass er infiziert war. "Das war nicht überraschend, da mein Ex-Partner 1988 an Aids gestorben war. Trotzdem war die Diagnose schwer zu akzeptieren", erinnert sich Kidd. "Viele Menschen, die ich kannte und liebte, starben."

Kidd wurde mit AZT behandelt, dem ersten Medikament gegen HIV. "Die Nebenwirkungen von AZT haben mich sehr krank gemacht", sagt Kidd. Doch er verdankt den Pillen sein Leben. Jetzt braucht er nur noch eine Tablette pro Tag, die er gut verträgt. "Eine Sache, die sich nicht groß verändert hat, ist die Stigmatisierung von HIV, vor allem in bestimmten Regionen", sagt er. "Uganda und Ghana entwickeln sich in eine schreckliche Richtung, und HIV-Infizierte in Russland und Osteuropa haben ein viel härteres Leben als ich es je hatte."

Pascale Lassus

Die Französin Pascale Lassus steckte sich 1984 bei ihrem damaligen Freund an. Doch von ihrer Infektion erfuhr sie erst ein Jahrzehnt später durch Zufall. "Ich war fassungslos", sagt die 62-jährige Rentnerin aus Bayonne. "Ich hatte ein normales Leben geführt – bis mein Immunsystem verrückt spielte." Auch bei der sechsjährigen Tochter fiel der Test positiv aus. "Der Arzt sagte mir, sie würde die Pubertät nicht überleben. Ich war völlig am Boden zerstört." Auch für die beiden war AZT die einzige verfügbare Therapie – mit furchtbaren Nebenwirkungen. Doch 1995 wurde es besser, als die Behandlung auf eine Kombination aus drei Wirkstoffen umgestellt wurde. "Heute ist meine Tochter 35 Jahre alt", sagt Lassus. "Und sie konnte ein Kind bekommen, das HIV-negativ ist. Ein kleines Wunder!"

Medizinischer Durchbruch: Erste Frau gilt als von HIV geheilt (Symbolbild)
Medizinischer Durchbruch: Erste Frau gilt als von HIV geheilt (Symbolbild)
Medizinischer Durchbruch: Erste Frau gilt als von HIV geheilt

Grissel Granados

Grissel Granados lebt ihr ganzes Leben mit HIV. Ihre Mutter infizierte sich 1986 bei der Geburt der Tochter in Mexiko durch eine Bluttransfusion. "Sie hat mich gestillt und mich so angesteckt", sagt die 36-Jährige, die heute in Los Angeles für eine Frauenorganisation arbeitet. Erst fünf Jahre später, als der Vater krank wurde und kurz darauf an Aids starb, erfuhr die Familie von der Infektion. Ihre Mutter war zu der Zeit schwanger und ihr wurde geraten, diesmal nicht zu stillen. "Meine Schwester ist glücklicherweise HIV-negativ", sagt Granados. Im Alter von zehn Jahren erkrankte sie an Krebs, dennoch empfindet sie ihr Leben als "sehr gesund". Menschen, die von Kindheit an infiziert sind, würden beim Thema HIV zu oft vergessen oder ignoriert, kritisiert Granados.

Joël Vermont

Joël Vermont aus einem Vorort von Paris erfuhr 1992, dass er HIV hat. "Ich war 27. Es fühlte sich an, als würde ein Gebäude auf mich herabstürzen", erzählt er. Während der Behandlung mit AZT verlor er fast 30 Kilo. Die neue Therapie mit drei Präparaten schlug bei ihm nicht an. "Dann griff ich zum Alkohol", sagt der 58-Jährige. "Meine Viruslast explodierte. Ich bekam eine Lungenkrankheit und Krebs, landete im Krankenhaus und lag 45 Tage im Koma. Als ich wieder aufwachte, konnte ich nicht mehr laufen, und ein Arm war gelähmt", schildert er seine Leidensgeschichte. "Jahrelang hörte ich, dass ich sterben würde. Dann wurde mir plötzlich gesagt, dass ich doch leben würde", sagt Vermont. "Ich brauchte psychologische Hilfe, um das zu akzeptieren."

AFP
rw / Daniel Lawler / Isabelle Tourné

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