Krankenhauskeim MRSA Nach der Routine begann der Horror

  • von Malte Arnsperger
Über eine halbe Million Menschen stecken sich pro Jahr in deutschen Krankenhäusern mit gefährlichen Keimen an. Das kann auch bei einem Routine-Eingriff passieren.

Februar 2009. Ich verletze mich bei einem Hockey-Spiel. Kniesehnen sind gerissen. Schon wenige Tage später komme ich in einer renommierten Stuttgarter Klinik unters Messer. Eine Routine-Operation, heißt es. Nach fünf Tagen kann ich heim. "Sieht gut aus", sagt der Oberarzt mit einem zuversichtlichen Nicken bei der letzten Visite. In ein paar Monaten könne ich zurück aufs Hockey-Feld.

Vier Tage später bin ich wieder da. Das Knie ist zu einem fast melonengroßen Klumpen angeschwollen. Die kleinste Bewegung verursacht Höllenschmerzen. Die Ärzte diagnostizieren eine Entzündung. Notoperation, das Gelenk muss sofort gespült werden. Nach dem Eingriff, wie schon der erste unter Vollnarkose, liege ich allein in einem Zweibettzimmer. Ich habe das Bett neben dem Fenster, blicke auf einen großen blattlosen Ahornbaum. Will sich das Krankenhaus mit kostenloser Privatpatienten-Behandlung bei mir entschuldigen? Keineswegs: Von mir gehe eine Infektionsgefahr aus, erklärt der Oberarzt, der nun nicht mehr so zufrieden aussieht. Zum ersten Mal höre ich den Namen "Staphylococcus aureus". Dieser Keim, der auch auf der Haut zu finden sei, habe sich in meinem Knie breit gemacht. Wurde bei der Operation geschlampt? Nein, so etwas komme kaum vor, sagt der Arzt, auch die strengsten Hygiene-Maßnahmen könnten eine Infektion nicht immer verhindern. Seltenes Pech also.

Nach der zweiten Spülung geht die Tür auf und ein ebenfalls frisch operierter Mann wird in seinem Bett herein geschoben. Auch er sei eine Infektionsgefahr, sagt die Schwester, "er hat einen Keim im Knie". Seltenes Pech?

Ich frage mehrere befreundete Ärzte über den Staphylococcus aureus aus. "Wirklich Pech", sagen sie. Eine Klage gegen die Klinik? "Keine Chance, du hast ja unterschrieben, dass so etwas passieren kann." Insgesamt drei Mal wird mein Knie gespült, "um sicher zu gehen, dass der Keim auch wirklich draußen ist". Danach soll ich zwei Wochen lang Antibiotika schlucken, "um noch sicherer zu sein". Ich stecke einen Schein in die Kaffeekasse der Schwestern und humpele zum Fahrstuhl.

Der Baum trägt mittlerweile Blätter

Gut drei Monate später bin ich wieder da. Eine Geschwulst, groß wie ein Ei, hat sich in der Innenseite meines Knies gebildet. Es schmerzt kaum. Die Ärzte entfernen den Abszess, einen Keim finden sie nicht. Ich bin erleichtert, muss aber trotzdem "zur Sicherheit" die Nacht mit Blick auf den Ahornbaum verbringen. Der Baum trägt mittlerweile Blätter, die Welt spricht über den Tod von Michael Jackson. Meine Frau ist hochschwanger. "Wenn der Kleine da ist, besuche ich dich aber nicht", sagt sie. "Er soll ja nicht im Krankenhaus aufwachsen." Ich grinse. Zehn Euro in die Kaffeekasse, Fahrstuhl.

Söhnchen Julian ist kaum einen Monat alt, da muss er doch zu Papa in die Klinik. Der Ahornbaum trägt bunte Blätter. Die Narkose-Ärztin erkennt mich sofort - "Herr Arnsperger, Sie waren doch…" Das Aufklärungsgespräch dauert keine zwei Minuten. Kurz vor der Narkose frage ich die Ärztin, was sie mir da spritzt. "Propofol, das Mittel, an dem Michael Jackson gestorben ist." Ich schlafe ein. Die Ärzte entdecken: Staphylococcus aureus, im Knie. Erneut drei Spülungen, drei Wochen Antibiotikatherapie - "um sicher zu gehen". Ich schwanke zwischen Hoffnung, Wut und Depression. 20 Euro in die Kaffeekasse, Fahrstuhl.

Staphylococcus aureus ist wieder da

Juli 2010. Wir wohnen mittlerweile in München. Seit fünf Monaten spiele ich wieder Hockey, das Knie fühlt sich großartig an, den Staphylococcus aureus und die vielen Operationen habe ich vergessen. Ich sitze mit kurzer Hose neben meinem Sohn auf dem Boden. Ich schaue auf mein Knie. Es ist dick geworden. Einen Ahornbaum habe ich nicht vor meinem Einzelzimmer - Infektionsgefahr! - in der Münchner Klinik. Aber zwei andere Dinge sind wieder da: Propofol und Staphylococcus aureus. Der Oberarzt sagt: Ganz sicher werde man nie sein können, dass der Keim weg ist. Er könne sich gut verstecken und immer wieder aus seinem Winterschlaf erwachen. Ein Pfleger erzählt, dass vor einiger Zeit ein Patient gebeten habe, ihm das infizierte Bein endlich abzunehmen, da er die ständigen Spülungen nicht mehr ertrage. Trotzdem lasse ich 20 Euro zum Abschied für die Kaffeekasse da. Eine Homöopathin empfiehlt mir einige Kügelchen. Ich überlege nicht lange. Das absolute Vertrauen in die Schulmedizin habe ich verloren.

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