Nichtraucher-Tagebuch Die Zigarette danach

  • von Björn Erichsen
Im Leben eines Mannes gibt es einige ganz besondere Momente. Kann es falsch sein, in diesen eine Zigarette zu rauchen? Die Chronik eines Sieges.

"Halbfinale, Habfinale, wir ziehen wieder ein in das Halbfinale." Lauthals schmetterte ich meine Freude über den Sieg unserer Mannschaft gegen Argentinien heraus. Manchmal klingt es tatsächlich ein bisschen wie Michael Holms "Mendocino". Es war ein unglaubliches Spiel und ein historischer Sieg. Reine Nervensache. Erst totale Anspannung, dann blitzartige Entladung. Grenzenloser Jubel, die Party geht weiter.

Rauchfreie Zone

Björn Erichsen, Jahrgang 74, lebt und arbeitet als Journalist in Hamburg. Schwerpunkte sind Politik, Kultur, Medien und Sport. Seit neuestem treibt ihn die Frage um, ob man sich nach 120.000 Zigaretten noch einmal Nichtraucher nennen darf.

Und wie. Ich hatte mir das Spiel in der Redaktion angeschaut, von da aus bin ich mit ein paar Kollegen weiter mitten durch die feiernde Stadt. Kaum zu beschreiben, was sich auf der Reeperbahn abspielte. Menschenmassen lagen sich in den Armen, tanzten und sangen. Pure Euphorie, absoluter Ausnahmezustand, alle feierten ein spontanes Volksfest. Es war ein perfekter Abend. Herrliches Wetter, Alles-ist- möglich-Stimmung wehte durch die Straßen.

Nur eine Ausnahme, an einem Abend, an dem Regeln nichts gelten

Dem bemühten Nichtraucher eröffnet sich da ein gewisser Spielraum. Als ich vor dem qualmenden Barbecue-Grill Australiens auf eine süß-saure Frikadelle (köstlich!) wartete, beschäftigte mich bereits intensiv mit der Frage, ob zur Feier des Tages nicht eine Zigarette angemessen sei. Der Sieg war glorreich gewesen, die Zigarette danach würde es nicht weniger sein. Meine ganz persönliche Trophäe. Nur eine Ausnahme, an einem Abend, an dem Regeln nichts gelten.

Die nächsten 30 Minuten verbrachte ich wie im Film. Einen derartigen Jieper auf Zigaretten hatte ich schon lange nicht mehr. In meinem Kopf pochte es, ich starrte dumpf auf die Großbildleinwand. Den Sieg der Italiener bekam ich nur am Rande mit. Ich muss es ausgestrahlt haben, aufgeschreckt wurde ich jedenfalls durch einen Kollegen, der mir allen Ernstes eine Zigarette anbat. Ich reagierte mit einer Art Fluchtreflex, lehnte scharf ab. Dabei war ich überhaupt nicht souverän, fühlte mich ertappt, pure Notwehr. Bald darauf bin ich nach Hause, wollte nur noch schlafen.

Die Sucht hat scheinbar viel Geduld

Am nächsten Morgen musste ich früh hoch, war einigermaßen fertig. Das Letzte, was ich da im Sinn hatte, war eine Zigarette zu rauchen. Von der spontanen Gier war nur noch ein dunkler Schatten geblieben. Die Intensität der Suchtattacke hat mich aber überrascht. Ich hatte mich in den letzten Wochen sehr sicher gefühlt und tue das auch jetzt wieder. Aber die Sucht hat scheinbar viel Geduld, für ihr Muskelspiel hat sie seelenruhig auf einen "besonderen Moment" gewartet. Davon gibt es derzeit einige. Mal abwarten, wie es am Sonntag läuft, wenn wir den Pokal bekommen.

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