Die Angst ist zurück. Ebenso das Kopfschütteln. "Furchtbar, diese Kantonesen. Dass sie immer noch diese wilden Tiere essen müssen", schimpfte am Montag eine ältere Frau in Peking, als sie hörte, dass der "Guozili", wie der Larvenroller auf Chinesisch heißt, hinter der neuen Erkrankung mit der lebensgefährlichen Lungenkrankheit SARS in Südchina stecken könnte. Das zu den Schleichkatzen gehörende Tier galt bereits bei der vergangenen SARS-Epidemie als möglicher Auslöser. "Wir hier in Nordchina essen so etwas nicht", rümpfte sie die Nase über die ungeliebten Südchinesen. "Schlimm." Kopfschütteln herrschte aber auch, weil Experten und Weltgesundheitsorganisation (WHO) im August gewarnt hatten, den Handel mit exotischen Tieren wieder aufzunehmen.
Seit dem Sommer hatte sich damit in Südchina wieder alles zum Alten entwickelt. In den Delikatessenrestaurants kam "Guozili" auf den Tisch, als wenn es Sars niemals gegeben hätte. Dabei sind die wilden Tiere immer die Hauptverdächtigen geblieben. Trotzdem gehören sie zu dem SARS-Forschungsbereich, wo "viele Lücken" klaffen, wie WHO-Vertreter Henk Bekedam es am Montag in Peking formulierte. Deswegen wäre es der WHO lieber gewesen, erst eine bessere "Risikoabschätzung" zu bekommen, bevor die Tiere wieder im Kochtopf landen.
Mutiertes Virus
Doch jetzt ist Sars zurück. Nicht flächendeckend wie im vergangenen Frühjahr, sondern als Einzelfall. Aber wieder mit jener Unberechenbarkeit, weil der Ansteckungsweg ungeklärt ist und damit potenziell überall sein könnte. Gentests weisen wieder auf die exotischen Tiere, chaotische Märkte und unhygienische Tierhaltung. Alarmiert sind Chinas Wissenschaftler und Behörden vor allem aber davon, dass das Virus offenbar mutiert ist und anders als im vergangenen Frühjahr erscheint.
Eine Wissenschaftlerin des Gesundheitsamtes in Kanton berichtete, das Virus habe sich verändert und "möglicherweise besser dem menschlichen Körper angepasst". Das könne Einfluss darauf haben, wie schnell ein Infizierter erkrankt. SARS-Teamleiterin Julie Hall wollte sich dazu allerdings ungerne äußern. Sie beklagt, dass die chinesischen Wissenschaftler ihre Erkenntnisse nicht durch international übliche Kanäle mit den nötigen Daten nachprüfbar verbreiten.
Massenschlachtung birgt Gefahr
Fest steht, dass die Warnungen vor einer Wiederaufnahme des Wildtierhandels mit dem neuen Sars-Fall und der möglichen Verbindung zum Larvenroller vorerst bestätigt worden sind. Doch mit der angeordneten Massenschlachtung droht neue Gefahr. Die WHO nennt sie potenziell riskant und fürchtet, dass "die Gefahr einer Infektion noch zunimmt". Alle Beteiligten müssten ausreichend geschützt und die Tiere angemessen entsorgt werden.
Bis heute ist eine Infektion durch die Tiere trotz aller Hinweise nicht eindeutig nachgewiesen. Der 32-jährige SARS-Patient in Kanton hatte keinen offensichtlichen Kontakt zu wilden Tieren, "muss aber kürzlich einem Sars-Virus ausgesetzt gewesen sein", wie WHO-Expertin Hall berichtete. Wie schwer es die Wissenschaftler haben, zeigt schon die Tatsache, dass bei dem Patienten nur in einer Probe lediglich Bruchstücke des Virus gefunden worden sind.