Über 1000 Neuinfektionen an nur einem Tag: Das Coronavirus breitet sich auch in Deutschland rasend schnell aus. Kanzlerin Angela Merkel und die Bundesregierung haben deshalb am Montag die Maßnahmen zur Eindämmung der Krankheit weiter verschärft. Viele Geschäfte sollen geschlossen und Gottesdienste sowie Freizeitaktivitäten und Sportveranstaltungen verboten werden. Die Maßnahmen sollen von sofort an gelten – die Umsetzung obliegt aber den Ländern und Kommunen.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) begrüßte die neuen Regeln – findet aber: Deutschland reagiert im Kampf gegen das Virus viel zu langsam.
Söder: "Wir müssen entscheiden"
Am Montagabend forderte Söder in einem ZDF-Interview, dass Bund und Länder nun schneller handeln müssten. "Ich glaube, wir brauchen auch ein Stück mehr Tempo in der deutschen Politik."
Die Herausforderung sei "größer als gedacht". Aber: "Wir können nicht endlos darüber debattieren, wir müssen entscheiden." Mit Blick auf die zuständigen Politiker und Behördenvertreter sagte Söder, es gebe in den Ländern "den einen oder anderen, den muss man noch überzeugen".
Er sei aber froh, dass am Ende doch alles klappe "und dass wir jetzt im Gleichklang sind", sagte der CSU-Chef.
Beim Empfehlungen von Experten sofort handeln
Ausgangssperren wie in einigen anderen europäischen Ländern schloss Söder erneut nicht aus. "Ich kann Ihnen keine Garantie abgeben, was in einer Woche ist", sagte er. Gleichzeitig betonte aber: "Wir handeln immer angemessen, wir handeln immer nach Empfehlung der Virologen."
Klar sei für ihn aber auch: "Ich möchte, dass wir keinen Tag zögern, wenn wir die Empfehlung bekommen, jetzt zu handeln."
Am Montag hatte Bayern zum Schutz der Wirtschaft vor den Folgen der Coronavirus-Krise ein Hilfspaket in Höhe von zehn Milliarden Euro bereitgestellt. Um die Gelder rechtzeitig freigeben zu können, wolle er die in der Verfassung verankerte Schuldenbremse zeitlich begrenzt für zunächst ein Jahr außer Kraft setzen.
Der Grünen-Politiker Cem Özdemir lobte den bayerischen Ministerpräsidenten für sein Vorgehen. "Ich finde der Söder macht das gerade gut", schrieb der frühere Grünen-Bundesvorsitzende am frühen Dienstagmorgen auf Twitter.
Auch italienische Wissenschaftler kritisieren zögerliche Bundesregierung
Das verspätete Eingreifen der deutschen Regierung hatten am Montag auch mehrere italienische Wissenschaftler kritisiert. Roberto Burioni, einer der bekanntesten Virologen Italiens, warnte davor, die drohende Gefahr zu unterschätzen. "Italien hat das eine Woche lang getan", sagte Burioni, diesen Fehler sollten andere Länder nicht machen.
Ähnlich äußerte sich auch Stephan Ortner, Direktor des Forschungsinstituts Eurac Research in Bozen. Deutschland brauche "eine Vollbremsung, einen Lockdown, mindestens so, wie ihn Italien jetzt hat", forderte der Wissenschaftler. "Wenn Deutschland das nicht sofort macht, bekommt man auch dort die Zahlen nicht mehr in den Griff."
Gleichzeitig warnte Ortner vor weiterem zögerlichem Handeln: "Halbherzige Maßnahmen schaden jetzt mehr, als sie nützen. Je länger man mit der Ausgangssperre wartet, je mehr Leute werden dann, wenn sie kommt, schon infiziert sein und in Wohnungen weitere anstecken."
Ortner und Burioni forderten beide eine abgestimmte Strategie der EU-Staaten, um das Virus einzudämmen. Ohne strenge Maßnahmen in Europa könne ein Land zwar zeitweise Erfolge erzielen, sagte Burioni. Doch dann werde der Erreger aus einem weniger strengen Nachbarland zurückkehren.
EU-Ratspräsident Charles Michel sprach sich ebenfalls dafür aus: Er forderte von den Mitgliedstaaten mehr Abstimmung untereinander bei Schutzmaßnahmen gegen die Corona-Pandemie. Auch bei Grenzschließungen "müssen wir die Maßnahmen so weit wie möglich harmonisieren", sagte Michel im französischen Radio France Inter vor einer Video-Konferenz der EU-Staats- und Regierungschefs am Dienstag. Im Detail könnten die Länder durchaus unterschiedlich vorgehen, aber es müsse immer darum gehen, die Verbreitung des Virus zu verlangsamen.