Depressionen rücken zunehmend in den Fokus unserer Gesellschaft. Durch mehr Aufklärung werden Betroffene seltener stigmatisiert und suchen sich tendenziell früher professionelle Hilfe. Und trotzdem begehen allein in Deutschland jedes Jahr mehr als 9000 Menschen Suizid. Mehr als die Hälfte der Betroffenen hat im Vorfeld an einer schweren Depression gelitten.
Präventionsmaßnahmen sollen dafür sorgen, dass diese Zahl nachhaltig sinkt. Aber: Depressionen sind für Außenstehende oft nicht sichtbar. Und wer bereits in einer schweren depressiven Phase steckt, der kommt da oft nicht ohne Unterstützung wieder heraus. Forscher aus Österreich haben deshalb nach anderen Hinweisen auf die Suizidalität gesucht – und sie möglicherweise gefunden. Und zwar in unseren Haaren.
Kortisolspiegel in den Haaren weist auf Stress hin
Das Forschungsteam um den Molekularbiologen und Systemischen Neurowissenschaftler Alexander Karabatsiakis vom Institut für Psychologie der Universität Innsbruck konnte erste handfeste Hinweise darauf liefern, dass Menschen mit einer erhöhten Suizidalität einen ebenfalls erhöhten Anteil des Stresshormons Kortisol aufweisen. Und den kann man mit einer Haaranalyse feststellen.
Zwar gab es bereits im Vorfeld mehrere Studien, die Depressionen und ein erhöhtes Suizidrisiko mit einem erhöhten Kortisolspiegel nahegelegt hatten. Aber die Forschung aus Innsbruck ist die erste wissenschaftliche Arbeit, die diese These durch belastbare Daten auch belegen kann.
Psychohygiene: Diese zehn Gewohnheiten sind Balsam für die Seele
Für viele Jugendliche hat das Tagebuchschreiben einen festen Platz im Alltag. Man notiert, was einen beschäftigt, wie es einem geht und wovon man träumt. Je älter wir werden, desto eher hören wir allerdings damit auf, unsere Gedanken zu Papier zu bringen. Dabei kann so ein Tagebuch echt hilfreich sein. Wer seine Gedanken aufschreibt, der schafft Platz im Kopf. Das hilft vor allem dann, wenn man im Gedankenkarussell gefangen ist oder sich nicht konzentrieren kann, weil ständig neue Tabs im Kopf aufploppen. Außerdem reflektieren wir unsere Gedanken und Erlebnisse noch einmal, wenn wir sie aufschreiben. Das kann uns helfen, den Blick zu weiten und neue Perspektiven einzunehmen. Das Tagebuch kann also helfen, zu neuen Erkenntnissen zu kommen, sich selbst besser kennenzulernen und Struktur ins Gedankenchaos zu bringen. Und wenn man sich daran mal nichtmehr erinnern kann, dann hat man es ja sogar schriftlich.
Dafür haben die Wissenschaftler Haarproben von 45 Menschen untersucht, die durch einen Suizid gestorben sind. Das Ergebnis: Der Kortisolspiegel war stark erhöht im Vergleich zu Menschen ohne oder mit leichten Depressionen. Solche Biomarker könnten laut Karabatsiakis ein echter Fortschritt in der Suizid-Prävention werden.
Hoffnung für Suizidprävention
“Wenn zum Beispiel Hausärzte messen könnten, dass sich ein hormonelles Stresspotenzial im Körper abzeichnet, könnte man eventuell auch bei psychisch stark belasteten Personen ein potenzielles Suizidrisiko erkennen“, sagte der Psychologe bei der Vorstellung der Studie.
In dem Fall könne man die medizinische Betreuung dann ausweiten, auch wenn der Patient subjektiv keine Beschwerden äußere. Bis die Methode aber wirklich eingesetzt werden kann, sind weitere Studien zum Thema Suizidalität und Präventionsmaßnahmen erforderlich. Trotzdem ist die Arbeit der Innsbrucker Forscher ein erster Hoffnungsschimmer darauf, die Hintergründe von Suizidalität besser verstehen – und eingreifen zu können, bevor es zu spät ist.
Rat und Hilfe
Sie haben suizidale Gedanken? Hilfe bietet die Telefonseelsorge. Sie ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr unter (0800) 1110111 und (0800) 1110222 erreichbar. Auch eine Beratung über E-Mail ist möglich. Eine Liste mit bundesweiten Hilfsstellen findet sich auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention.