Die Impfkampagne läuft, der digitale Impfpass ist am Start und die Corona-Zahlen in vielen Ländern niedrig. Die Zeichen für Sommerreisen stünden in diesem Jahr gut, wäre da nicht die Delta-Variante. Weil sie auf dem Vormarsch ist, wackeln bei vielen die Urlaubspläne. Länder wie Portugal und Großbritannien gelten daher nun als Virusvariantengebiet. Und wer dort den Sommerurlaub verbringen will, sollte vorab seinen Vorratsraum ordentlich bestücken. Denn nach der Rückkehr stehen zwei Wochen Quarantäne an - und zwar für alle, auch für vollständig Geimpfte, Genesene und Getestete. Eine vorzeitige Beendigung der Quarantäne durch Tests ist nicht möglich.
Das Auswärtige Amt hat zum Beginn der Sommerreisesaison die generelle Reisewarnung aufgehoben. Weiterhin aber wird von nicht notwendigen, touristischen Reisen abgeraten, wenn es sich um Aufenthalte in Gebieten mit einer Inzidenz ab 200 handelt, gleiches gilt für Virusvariantengebiete. Das "Label" Virusvariantengebiet vergibt die Bundesregierung seit Anfang des Jahres. Darunter gefasst werden laut Robert Koch-Institut "Gebiete mit besonders hohem Infektionsrisiko durch verbreitetes Auftreten bestimmter SARS-CoV-2-Virusvarianten".
Die Liste umfasst derzeit 16 Länder. Länder also, in denen sich eine Mutation ausbreitet, die in Deutschland noch nicht verbreitet auftritt und "anzunehmen ist, dass von dieser ein besonderes Risiko ausgeht", dass sie also beispielsweise leichter übertragbar ist, schwere Krankheitsverläufe verursacht oder gegen die eine Impfung eventuell weniger gut wirkt als gegen andere Varianten.
Quarantäne auch für Geimpfte
Größtes Sorgenkind derzeit: die Delta-Variante. In Großbritannien ist sie längst vorherrschend, die Infektionszahlen steigen rasant an. Das Land gilt daher seit Ende Mai als Virusvariantengebiet. Aber auch Portugal hat Delta inzwischen mehr und mehr im Griff. Besonders der Touristenmagnet Lissabon ist betroffen und musste am Wochenende abgeriegelt werden. Die Ankündigung, dass Portugal auf die Liste der Virusvariantengebiete kommen wird, sorgte dafür, dass viele Urlauber:innen vorzeitig abreisten, um der drohenden Quarantäne zu entgehen. Daraufhin entbrannte eine hitzige Debatte, vor allem um die Frage, ob es tatsächlich notwendig ist, dass die Regelung auch vollständig Geimpfte umfasst.
Kanzleramtschef Helge Braun verteidigte das strikte Vorgehen der Bundesregierung im "ZDF", er lehnte eine verkürzte Quarantäne ab. Wenn eine neue Variante auftauche, brauche es relativ lange, um sicherzugehen, ob der Impfstoff wirke. Die zweite Frage sei, ob die Geimpften weiter übertragen könnten, sagte er im "ZDF". "Daher ist es bei Virusvarianten wichtig, dass auch Geimpfte in Quarantäne gehen." Dass andere europäische Länder diese strengen Regeln nicht haben, bezeichnete er als "Schwachpunkt".
Lauterbach kritisiert die Quarantäne-Regelung
Dabei hatten Studien zuletzt durchaus bestätigt, dass eine vollständige Corona-Impfung ausreichend vor der Delta-Variante schützt. "Wir wissen, dass unsere Impfstoffe gegen die Delta Variante zu 95 % schützen", schrieb Gesundheitsexperte Karl Lauterbach auf Twitter. "Daher sollten doppelt Geimpfte von der 14 Tage Quarantäne ausgenommen werden." Die Regel sei sonst epidemiologisch nicht begründet. Seines Ermessens mache es "keinen Sinn mehr" vollständig Geimpfte 14 Tage in Quarantäne zu schicken. Bereits in der Debatte um die Portugal-Heimkehrer hatte er sich gegenüber dem "Münchner Merkur" für eine Rücknahme der Quarantänepflicht ausgesprochen und argumentierte, dass es aus seiner Sicht ausreiche, die vollständig Geimpften zu testen.
Lauterbach steht mit seiner Einschätzung nicht allein. Die Quarantäne für Geimpfte schade der Akzeptanz der Impfungen bei der Bevölkerung, twitterte Virologe Alexander Kekulé. In dem MDR-Podcast "Kekulés Corona-Kompass" bezweifelte er zudem, dass sich die Menschen an diese Regelungen halten und sagte: "Sie sind doppelt geimpft und dann sollen sie in Quarantäne. Da würde ich mal vorschlagen, vor jede Wohnungstür einen Polizisten zu stellen."

Den Argumenten Lauterbachs und Kekulé entgegen steht die Einschätzung von Christine Falk, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie. Sie plädiert dafür, "lieber auf Nummer sicher" zu gehen. Schließlich wisse man noch nicht genau, ob Geimpfte, die vielleicht selbst nicht erkranken oder Symptome zeigen, die Corona-Variante dennoch nach Deutschland einschleppen könnten.
In Deutschland hat inzwischen 55,1 Prozent der Bevölkerung mindestens eine Impfdosis erhalten, 37,3 Prozent sind vollständig geimpft. Knapp 45 Prozent hat noch keine Schutzimpfung erhalten. "Wir wollen nicht, dass sich das Risiko erhöht für diesen Bereich der Bevölkerung, inklusive der Kinder", sagte sie dem "Merkur".
Quellen: Bundesregierung, RKI, RKI 2, Merkur, Impfdashboard