Mehr als 12.200 Patienten haben sich im vergangenen Jahr an die Gutachterstellen der Ärzteschaft wegen eines Verdachts auf Behandlungsfehler gewandt. Das waren gut 1100 mehr als im Vorjahr, teilte die Bundesärztekammer am Montag in Berlin mit. Die Gutachter entschieden in 7578 Fällen.
2280 Mal bestätigten die Gutachter eine fehlerhafte Behandlung oder eine mangelnde Risikoaufklärung durch den Arzt. Das waren nahezu genauso viele Fälle wie im Vorjahr, als es 2287 waren. In 1889 Fällen davon waren laut Gutachten die Behandlungsfehler Ursache für einen Gesundheitsschaden, der einen Anspruch des Patienten auf Entschädigung rechtfertigte. Die häufigsten vermuteten Behandlungsfehler betrafen wie in den Vorjahren Knie- und Hüftgelenkarthrosen sowie Brüche an Unterarm, Unterschenkel und Sprunggelenken. Die meisten Beschwerden kamen von Patienten nach Behandlungen oder Untersuchungen im Krankenhaus.
Fehler sind nicht gleich Pfusch
"Fehler passieren, auch in der Medizin", sagte Andreas Crusius, Vorsitzender der Ständigen Konferenz der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen. Zugleich warnte er davor, Behandlungsfehler per se mit Ärztepfusch gleichzusetzen. Ein solche Aussage sei "durch keine seriöse Statistik gedeckt". "Ärzte machen Fehler, wir sich aber keine Pfuscher", sagte Crusius.
Insgesamt liegen die realen Zahlen von Behandlungsfehlern jedoch weit höher, als es diese Zahlen aussagen. Denn Patienten wenden sich unter anderem auch an Krankenkassen oder direkt an Gerichte. Es gebe schätzungsweise 40.000 Verdachtsfälle im Jahr, sagte Crusius. Geschätzte 8000 Mal werde nachgewiesen, dass ein Fehler Ursache eines Schadens ist.
82 Todesfälle
2012 wiesen die Gutachter der Ärzteschaft 82 Todesfälle als Folge eines Behandlungsfehlers nach. Meistens aber hätten Fehler vorübergehende Auswirkungen gehabt, betonte der Geschäftsführer der norddeutschen Schlichtungsstelle, Johann Neu. Gemessen an 18 Millionen Klinikbehandlungen und rund 540 Millionen Praxis-Fällen pro Jahr gebe es wenig Fehler, sagte Crusius. Vor kurzem hatte es in Ärztekreisen noch geheißen, 2012 seien erneut rund 11.000 Patienten wegen Fehlerverdachts bei den Gutachterstellen vorstellig geworden.
Die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Ärztekammern dienen bei Arzthaftungsstreits als eine unabhängige, außergerichtliche Anlaufstelle für Patienten. Sie bewerten den Angaben zufolge gut ein Viertel aller vermuteten Arzthaftungsfälle in Deutschland. In rund 90 Prozent der Fälle werden die Entscheidungen der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen laut Bundesärztekammer von beiden Parteien akzeptiert und die Streitigkeiten beigelegt.
Mit der im Februar in Kraft getretenen Neuregelung der Patientenrechte wurden die Möglichkeiten für Patienten ausgeweitet, um nach Behandlungsfehlern Schadenersatzforderungen durchzusetzen. Das Gesetz sieht bei möglichen "groben Behandlungsfehlern" eine Umkehr der Beweislast vor. Demnach muss nicht der Patient darlegen, dass er falsch behandelt wurde. Vielmehr muss der Arzt beweisen, dass er richtig gehandelt hat. Bei sogenannten "einfachen" Behandlungsfehlern liegt allerdings die Beweislast nach wie vor beim Patienten.