Surrrrrrrrrrrbrrrrrssssssssssnnn - das helle Surren des Zahnbohrers ist ein grässliches Geräusch. Schon allein der Gedanke daran bereitet vielen Menschen Schmerzen. Trotzdem suchen die meisten Deutschen regelmäßig einen Zahnarzt auf - laut dem #link;Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde;Barmer GEK Zahnreport 2014# wagen sich rund 70 Prozent der Bundesbürger zumindest einmal im Jahr auf den Behandlungsstuhl. Für Frank war das lange Zeit undenkbar: "Ich hatte höllische Angst davor", sagt der 50 Jahre alte Mann aus Bochum. "Ich konnte mir nicht einmal vorstellen, eine Zahnarzthelferin als Freundin zu haben oder in der Nachbarschaft einer Praxis zu wohnen."
Fachleute bezeichnen die krankhafte Furcht vor der Zahnbehandlung auch als Dentalphobie, die im internationalen Krankheitenkatalog ICD 10 zu den sogenannten spezifischen Phobien gezählt wird. Der Deutschen Gesellschaft für Zahnbehandlungsphobie (DGZP) zufolge sind allein in Deutschland etwa fünf Millionen Menschen betroffen. Viele von ihnen kann ein bevorstehender Termin derart in Panik versetzen, dass sie unter Schweißausbrüchen, starkem Zittern oder Herzrasen leiden.
"Vor allem der während und nach einer Zahnbehandlung erlebte Schmerz führt bei den Betroffenen zur Vermeidung", sagt der Zahnmediziner Hans-Peter Jöhren, der in Bochum eine auf Zahnbehandlungsphobie spezialisierte Klinik leitet. Vielen graut es sogar schon davor, überhaupt auf dem Zahnarztsessel Platz zu nehmen. "Der Patient liegt auf dem Rücken und kann nicht sehen, was gerade in seiner Mundhöhle passiert. Zusätzlich machen es ihm die Behandlungsinstrumente praktisch unmöglich zu sprechen", so Jöhren. "Das ist für viele eine traumatische Erfahrung."
So auch für Frank: "Meine erste Zahnärztin hat, gelinde gesagt, resolut gearbeitet. Ich wurde während der Behandlung an den Stuhl fixiert und festgehalten, wenn ich weg wollte", erzählt er. Die Phobie entwickelte sich bei ihm schon im Grundschulalter. Als Jugendlicher versuchte er, jeden Besuch beim Zahnarzt zu vermeiden. Wenn er die Schmerzen nicht mehr aushalten konnte, nahm er Schmerztabletten. Mit 19 schwoll seine linke Wange so stark an, dass ihn seine Mutter überredete, eine Notfall-Zahnklinik in einem Krankenhaus aufzusuchen. "Die Entzündung war bereits so weit fortgeschritten, dass die befürchteten, sie könnte auch auf das Gehirn übergreifen", erzählt er.
Tatsächlich muss, wer den Zahnarztbesuch über Jahre hinweg hinauszögert, nicht nur mit Mundgeruch,Zahnstein und Karies rechnen - er gefährdet auch seine sonstige Gesundheit. So ergab eine Studie des britischen Arztes Aaron Cronin vom King's Mill Hospital in Sutton 2009, dass Zahnfleischentzündungen zu Durchblutungsstörungen des Gehirns, Erkrankungen der Herzkranzgefäße und Arterienverkalkung führen können. Andere Untersuchungen legen nahe, dass Parodontitis womöglich sogar zur Entstehung von Diabetes beiträgt.
Zudem belastet die Phobie die Psyche. "Ich habe mich jahrelang geschämt, dass ich als erwachsener, gestandener Mann Angst vor dem Zahnarzt habe", sagt Frank. Als er in einer Regionalzeitung von Jöhrens Spezialklinik für Angstpatienten las, fasste er Mut. Zu dem Spezialisten Jöhren hatte er Vertrauen.
Vertrauen zum Arzt
Jöhren setzt auf die sogenannte Konfrontationstherapie, eine Form der Verhaltenstherapie, bei der der Patienten Schritt für Schritt an die gefürchtete Zahnbehandlung herangeführt wird. Zunächst findet eine allgemeine Untersuchung statt, dann folgt zum Beispiel eine professionelle Zahnreinigung. "Die Zahnfüllung nehme ich erst vor, wenn der Patient bereit ist", sagt Jöhren. Vor den Sitzungen kommt ein Psychotherapeut hinzu, der Entspannungsübungen mit dem Patienten durchführt und mit ihm über seine Ängste spricht.
In Deutschland gibt es mittlerweile viele Zahnarztpraxen, die sich auf Patienten mit Zahnbehandlungsangst spezialisiert haben. Viele von ihnen arbeiten wie Jöhren mit Verhaltenstherapeuten zusammen. Einige setzen außerdem Narkose oder Hypnose ein, um die Behandlung für ihre Patienten angenehmer zu gestalten. "Die Kooperation zwischen Zahnarzt und Psychotherapeut ist bei Phobikern aber dringend erforderlich, da jeder zweite Zahnbehandlungsphobiker eine andere psychische Störung hat, von denen 70 Prozent unbehandelt sind", sagt Jöhren. Hypnose kann Ängste zwar auch wirksam lindern, jedoch erscheinen viele Patienten, die sich für diese Therapieform entscheiden, trotzdem nicht zu den folgenden Behandlungssitzungen. Das ergab zumindest eine Studie mit rund 140 Dentalphobikern, an der auch Jöhren mitgearbeitet hat.
Laut Frank ist vor allem der Zahnarzt selbst wichtig für die Überwindung der Angst. "Ich würde jedem Angstpatienten empfehlen, sich einen Zahnarzt zu suchen, der sich mit der Phobie auskennt und sie ernst nimmt", sagt Frank. Nur wer seinem Arzt vertraue, könne auch die Angst vor der Behandlung überwinden. Heute würde Frank sich als geheilt bezeichnen. "Ich gehe immer noch lieber zu meinem Lieblingsitaliener essen, als zum Zahnarzt - aber die Angst ist weg."