Apsilon ist seiner Heimat Moabit immer treu geblieben. In seiner Jugend hört der Berliner harten Straßenrap und spielt Basketball mit seinem kleinen Bruder Arman. Männlichkeit, Starksein und Dominanz waren damals stets präsent, sagt er heute. Irgendwann fängt er an, seine Gefühle in eigene Songtexte zu fassen.
Mit seiner ersten EP "Gast" ist er Anfang 2022 sofort einer der meistdiskutierten Newcomer im deutschen Hip-Hop. Kaum jemand bringt den antikapitalischen Zeitgeist der Westberliner Jugend so authentisch rüber wie der Enkel türkischer Gastarbeitender.
Ende letzten Jahres folgt mit "Baba" eine Hommage an seinen Vater und die kritische Auseinandersetzung mit verdrängten Gefühlen und stereotypischer Männlichkeit. Mit dem stern spricht Apsilon über das Leben in der dritten Einwanderergeneration und die Auswirkungen von strukturellem Rassismus auf mentale Gesundheit.
Apsilon, in Ihren Texten und Videos geht es immer wieder um das Leben Ihrer Großeltern. Können Sie ein wenig über sie erzählen?
Meine Großeltern leben zum Glück alle noch. Der Großvater, der in den Musikvideos zu sehen ist, heißt Abbas und ist der Vater meines Vaters. Er ist in den 70er-Jahren nach Deutschland gekommen und stammt ursprünglich aus Iğdır, das liegt ganz im Osten der Türkei an der Grenze zu Aserbaidschan. Seitdem ich denken kann, wohnen er und meine Oma aber in Schöneberg. Mein Opa läuft viel, quasi den ganzen Tag – teilweise 20 bis 30 Kilometer. Dabei hört er entweder meine Rapsongs oder türkisch-aserbaidschanische Volkslieder.
Was ist mit den Eltern Ihrer Mutter?
Die haben wie wir immer in Moabit gewohnt. Mein Bruder Arman und ich waren in unserer Kindheit oft bei ihnen, und ich sehe sie auch heute noch mehrmals die Woche. Im Vergleich zu den meisten Menschen in meinem Alter sehe ich meine Großeltern ziemlich häufig, würde ich sagen.
Ihre vier Großeltern kamen vor 62 Jahren im Zuge des deutsch-türkischen Anwerbeabkommens als sogenannte "Gastarbeiter" nach Berlin. Deutschlands Wirtschaft boomte, also holte man sich Arbeitskräfte aus dem Ausland, ließ sie unter schwierigsten Bedingungen arbeiten und zahlte ihnen niedrige Löhne. Wie wurde in Ihrer Familie über diese Erfahrungen gesprochen?
Ich war schon im frühen Jugendalter politisch aktiv, aber die Gespräche mit meinen Großeltern haben mich auf ganz andere Weise emotional politisiert. Nach den rassistischen Morden in Hanau vor drei Jahren habe ich angefangen, noch gezielter mit ihnen über ihr Leben in Deutschland zu sprechen. Über ihre Arbeit in den Fabriken damals, die Wohnsituation und auch die soziale Stimmung in der Zeit. Ihre Erzählungen spielen eine sehr große Rolle für mich. Uns Kinder der dritten Einwanderergeneration kann man nicht verstehen, ohne auf das Leben unserer Großeltern zu schauen.