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Mario Barth Mit Furzgeräuschen zum Weltrekord

Mario Barth steht jetzt im Guinness-Buch der Rekorde: Mit Frauenklischees und Herrenwitz hat er rund 70.000 Menschen ins Berliner Olympiastadion gelockt. Auch seine Freundin Paula, um die sich fast alle Witze drehen. Sollten die Fans sie endlich zu sehen bekommen?
Von Johannes Gernert, Berlin

Und seine Freundin, wo sitzt die? "Auf'm Sitz", sagt Mario Barth. Dann zieht er die Lippe hoch und zeigt Zähne. Eine ganze Weile. Sein Barth-Lächeln. Es ist heiß in dem kleinen, schummrigen Raum in den Katakomben des Berliner Olympiastadions. Es sind noch fünf Stunden bis zu seinem Auftritt. Barth beantwortet ein paar letzte Journalistenfragen. Wie sieht sie denn aus, die Freundin? "'Ne hübsche Frau", sagt er. Lippe hoch. Zähne raus. Die Haarfarbe? Och, er sei so aufgeregt: "Ich weiß gar nicht, welche Haarfarbe sie heute trägt." Und dann die wichtigste Frage: Ist Paula gar nicht böse? "Die ganze Welt dreht sich doch heute um meine Freundin, nicht um mich", sagt er da. "Welche Frau würde sich da beschweren."

So ist das. Wenn es sie nicht gäbe, Deutschlands erfolgreichster Comedian hätte nichts zu erzählen von ihrer Andersartigkeit. Er würde nicht Riesenhalle für Riesenhalle füllen, könnte nicht die ganzen Cds, Live-DVDs und Mann-Frau-Lexika verkaufen, keine T-Shirts. Und der Herr von der deutschen Guinness-Buch-Abteilung würde sich auch nicht so sehr freuen, dass es endlich einmal wieder einen ordentlichen Weltrekord aus Deutschland gibt. Neben dem schiefsten Turm in Ostfriesland und dem schwersten Motorrad. Etwa 70.000 Menschen hören Mario Barth an diesem Abend dabei zu, wie er von seiner Freundin berichtet. Sie ist auch da, aber sie ist nicht zu sehen.

Die original-echte Mario-Barth-Freundin

Dabei hätte sich das angeboten, gerade im Fußballstadion. Da werden doch immer mal wieder Spielerfrauen auf die Leinwand projiziert, während die Männer arbeiten. Barth hätte auf der Bühne gestanden, vor dem nachgebauten, verhüllten Brandenburger Tor. Er wäre berlinernd auf und ab gestakst und hätte äußerst intime und aufrüttelnde Details aus ihrem Privatleben ausgebreitet: Dass sie ewig im Bad braucht, dass sie sich zu dick fühlt, dass sie mit dem Auto immer nur gegen die Laterne fährt. Er hätte auch den Fabrikverkauf in Nussloch erwähnt, wo sie sich Handtaschen besorgt. Dabei hätte er sie parodiert, wie sie so ein Teil apportiert, und sie wäre ein bisschen rübergekommen wie eine Kreuzung aus einem Chihuahua und diesem sprech-sabbernden Gollum-Wesen aus "Herr der Ringe". Eine Frau halt. Kennt Mann ja.

Dazu hätte man sie dann zeigen können. Die original-echte Mario-Barth-Freundin: auf allen Riesenleinwänden, Großaufnahme Gesicht, gnädiges Lächeln. Eine interessante Ergänzung seines Frauenbilds. Er daneben, ganz klein vor dem Tor: "Schatz, du verzeihst mir", "Sie is 'n liebet Mädchen", "Ich mag sie wirklich", "Sie ist 'ne Nette". "Is 'se". "Isse". "Isse." Er hat das auch alles genau so gesagt. Es ist genau so gewesen. Nur war sie eben nicht zu sehen.

Sie erkennen sich selbst - auf der Stadionleinwand

Dafür haben sich die Leute aber selbst erkannt. Das ist ja der Grund, weshalb sie alle immer wieder zu Barth kommen. Sie finden sich wieder in diesen Alltags-Anekdoten über Männer und Frauen und Frauen und Männer. An diesem Samstagnachmittag, bevor es überhaupt losgeht, finden sie sich auf einer Riesenleinwand wieder. Es ist halb fünf, noch nicht einmal Barths Vorbands sind da, also wird das Publikum abgefilmt und übertragen.

Sie sitzen, stehen, winken. Es passiert eigentlich nichts. Aber alle lachen sich darüber schief, jubeln, applaudieren, johlen. Wieder ein ganz normales Pärchen auf der Leinwand! Yeah! Yuhuhuhu!

Sie sind gekommen, um die eigene Durchschnittlichkeit zu zelebrieren. Er ist ihr Zeremonienmeister. Vor seinem eigenen Auftritt kichert Barth schon einmal kurz von der Leinwand und degradiert Silbermond zur Cover-Band. Sie haben angeblich eine Wette verloren und müssen deshalb seine Wunsch-Playlist spielen. Spontan. Es ist ein Best-Of aus Mitgröl-Songs von Wolle Petry bis Modern Talking.

Auch das Publikum hat einen Wunsch frei. Es wünscht sich die White Stripes, "Seven Nation Army". Das kennt seit der Europameisterschaft nun wirklich ganz sicher jeder. Dah-da-dah-da-da-daahh-daahh. Es ist die Macht des 100-Prozent-Vertrauten, die sich an diesem Weltrekord-Abend im Olympiastadion entfaltet. Da kann auch die Silbermond-Sängerin wenig daran ändern, indem sie kurz zur Dissidentin wird: "Das, was Mario über Frauen erzählt. Das ist ja gar nicht wahr. Gibt es Frauen, die hier Auto fahren können?" Uneindeutige Publikumsantwort. Frauen? Auto fahren? Barth wird das dann später gerade rücken. Frauen: Wäschewaschen!

Jubelmassen im Schweinwerferlicht

Außer einigen Journalisten, die auf der Pressetribüne die Nase rümpfen, gibt es wahrscheinlich niemanden im Stadion, der Barths Programm nicht schon einmal gehört hat. "Männer sind primitiv, aber glücklich." Er tourt damit seit zweieinhalb Jahren. "Ich sach, Mäuschen, ich sach, du bist die hübscheste Frau hier im Auto." Die Zuschauer müssten solche Sätze eigentlich auswendig mitsprechen können. Sie tun das manchmal auch, wenn er von seinem Freund berichtet, der plötzlich nicht nur eine Freundin hat, sondern auch einen Korkenzieher, mit dem er eine Weinflasche öffnet. Und dann... "Er nimmt die Flasche und gießt die Flasche...", sagt Barth. Und das Publikum brüllt: "...in 'ne Vase." Denn: Der Wein muss atmen. Es folgt ein Exkurs, der sich in endlosen Girlanden um die Begriffe "Wein" und "Atmen" windet.

Die Leute kennen diese Schleifen auswendig wie einen Rocksongtext, es scheint sie unheimlich zu beruhigen. Aber statt einzuschlafen, applaudieren sie, kreischen, schreien - und lachen. Das ist wirklich faszinierend: Sie brauchen dafür nicht einmal einen Einheizer, wie sonst in den Privatfernsehstudios. Pointen schon gar nicht. Ein Volksfestival. Bratwurst, Bier. Die Dixie-Klo-Reihen leuchten. Jubelmassen im Scheinwerferlicht. Es stimmt ja auch alles, Barth sagt es immer wieder: "Eine wahre Geschichte, meine Freundin sitzt da oben." Irgendwo.

Der zweite Weltrekord des Abends

Als die Stelle gekommen ist, an der Mario Barth darüber aufklärt, warum Frauen immer zu zweit zur Toilette gehen - "die eine muss, dit ist die Aktive, und die andere steht Schmiere" - und dann wenig später dieses sekundenlange Furzgeräusch ins Mikro presst, da scheint der Jubelschreiapplaus am allerlautesten. Die Tonleute haben ihre Arbeit ordentlich gemacht. Dieser künstliche Mundfurz ist wirklich überall im Stadion sehr deutlich zu hören. Das könnte überhaupt der zweite Weltrekord des Abends sein: Vor so vielen Menschen hat live wahrscheinlich noch nie jemand einen Furz imitiert. Mario Barth wird jetzt an einem neuen Programm arbeiten. Vielleicht kann man dabei irgendwie auf dieses Geräusch aufbauen. Das würde bestimmt ein Riesenerfolg. Das kennt echt jeder.

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