Bernd Neumann ist seit Jahren einflussreicher Obmann der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Ausschuss für Kultur und Medien, wo sich der gelernte Lehrer durch ebenso hartnäckiges wie kenntnisreiches Nachfragen bei Anhörungen profiliert hat. So ließ sich der Medien- und Filmfachmann Neumann auch im Disput mit Filmgrößen wie etwa dem Filmproduzenten Bernd Eichinger nicht durch Branchen-Interna verwirren, wenn es um genaues Zahlenmaterial ging, die das Parlament für seine Entscheidungen benötigte. Als Filmförderer hat der 63-Jährige in den entsprechenden Gremien Hunderte von Drehbüchern gelesen. Für seine Parlamentskollegen organisierte er Sondervorführungen der Filme "Der Untergang" oder "Die Passion Christi". Nicht zuletzt dafür trägt er bei den CDU/CSU-Abgeordneten den Spitznamen "Filmonkel".
Neumann ist seit 1975 Mitglied des CDU-Bundesvorstandes. Er gehört bereits seit 1987 dem Bundestag an und war früher auch Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesforschungsministerium (1991-1998). Er gehört auch dem Verwaltungsrat der Filmförderungsanstalt (FFA) an.
Seit 1979 Landesvorsitzender in Bremen
Erst kürzlich hatte er Befürchtungen von verschiedenen Seiten, unter anderem des Deutschen Kulturrates, vehement widersprochen, das Amt des Kulturstaatsministers könnte in der großen Koalition "ausgehöhlt" oder gar "entmachtet" werden. "Auf der Grundlage des Koalitionsvertrages kann die Kulturszene sicher sein, dass sie mit der nächsten Bundesregierung einen stabilen und verlässlichen Partner haben wird", sagte er. Alle entscheidenden Kulturbelange des Bundes, die geregelt werden müssten, seien im Koalitionsvertrag erwähnt.
Seit einem Vierteljahrhundert lenkt Neumann bereits die Geschicke seines Landesverbands, was bundesweit noch keiner vor ihm geschafft hat. Ohne ihn läuft nichts in der Bremer CDU, der er seit dem 11. Juli 1979 vorsteht. Noch länger als an der Spitze der Landespartei hat es der Vater von zwei Kindern im Rundfunkrat von Radio Bremen ausgehalten: Anfang September schied er nach mehr als 30 Jahren aus und wechselte in den ZDF-Fernsehrat.
Mehrfacher Spitzenkandidat in Bremen
Neumann kam 1942 in Westpreußen zur Welt. Der studierte Lehrer ist seit 1962 Mitglied der CDU. 1975, 1979 und 1983 trat er als Spitzenkandidat bei der Bremer Bürgerschaftswahl an, musste sich aber stets mit der Oppositionsbank begnügen. 1987 wechselte er vom Landesparlament in den Bundestag.
Sein Hauptarbeitsplatz ist heute zwar Berlin, doch in Bremen mischt Neumann noch immer kräftig mit. Hier entwickelte er sich auf CDU-Seite zum Stützpfeiler der großen Koalition und ist immer zur Stelle, wenn es kriselt. Der aus dem Amt geschiedene Regierungschef Henning Scherf (SPD) sagte soeben über ihn: "Bernd Neumann und ich haben in den letzten Jahren eine ganz wunderbare Nähe entwickelt."
Bislang hat sich der CDU-Patriarch an der Weser nicht festlegen lassen, wie lange er als Parteichef noch weitermachen will. "Die Frage wird mir schon seit zehn bis 15 Jahren gestellt. Die Antwort lautet damals wie heute: Ich bin immer auf zwei Jahre gewählt. Wenn die vorbei sind, schau'n wir mal."
Kritik an der geplanten Berufung
Die Berufung Neumanns zum Staatsminister für Kultur und Medien im Bundeskanzleramt hat ein geteiltes Echo ausgelöst. Der Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, erklärte, mit Neumann werde ein Politiker benannt, der sich bereits seit vielen Jahren für die Kultur- und Medienpolitik engagiere. Der Kulturrat plädiere bereits seit einiger Zeit dafür, das Amt mit einem Politiker oder einer Politikerin zu besetzen, der oder die in einer Fraktion verankert sei.
Der Grünen-Abgeordnete Wolfgang Wieland hingegen warf Neumann ein höchst zweifelhaftes Verständnis von Kunst und Kultur vor. Neumann habe 1977 als CDU-Fraktionsvorsitzender in der Bremischen Bürgerschaft das Gedicht "Die Anfrage" von Erich Fried als "grundgesetzwidriges Material" gebrandmarkt und in einer Plenardebatte erklärt, so etwas würde er lieber verbrannt sehen. Das disqualifiziere ihn für das Amt, erklärte Wieland und fügte hinzu: "Keinen Bücherverbrenner als Kulturstaatssekretär."
Hildebrandt findet Neumann zu provinziell
Kritik äußerte auch der Kabarettist Dieter Hildebrandt: "Ich bin etwas erstaunt, dass man keinen anderen erwischt hat." Bisher habe er - Hildebrandt - noch von keinen Vorschlägen Neumanns gehört, wo man hätte aufhorchen müssen. "Neumann ist provinziell so verankert, dass er für ganz Deutschland keine Vorschläge machen kann."
PEN-Generalsekretär Wilfried F. Schoeller wollte die Personalie Neumann nicht an sich bewerten, zeigte sich aber doppelt enttäuscht: "Die erste Enttäuschung ist die, dass die Position nicht aufgewertet wurde." Alle Parteien hätten im Wahlkampf Hoffnung gemacht, dass der Kulturstaatsminister künftig Kabinettsrang besitzen werde. "Zweitens hat Frau Merkel dem Drängen der Länder nachgegeben und die Position eher noch abgewertet."
Flimm sieht die Entscheidung positiv
Jürgen Flimm, früherer Präsident des Deutschen Bühnenvereins und derzeit Leiter der Ruhrtriennale, wünschte Neumann "viel Erfolg". "Hoffentlich nimmt er, wie seine Vorgänger, den richtigen Rat der Künstlerinnen und Künstler an", sagte Flimm. Dass er lange in entsprechenden Gremien des Bundestages saß, "spricht unbedingt für ihn". Er hoffe, dass der ausgewiesene Filmspezialist "sich in anderen Bereichen wie Literatur, Theater oder Kunst ebenso gut auskennt wie beim Film", sagte Flimm.
Nach Ansicht von Michael Schmid-Ospach, Geschäftsführer der Filmstiftung NRW, kennzeichnen Neumann "Verlässlichkeit und Augenmaß". "Ich traue ihm zu, sich gegen den Beamtenapparat durchzusetzen." Er habe "das politische Interesse seiner Partei, aber auch die Sache gut im Blick." Insgesamt sei Neumann "ein guter Gremier", der sich auch mit Rundfunk und Medien gut auskenne. Auf die Frage, ob sich Neumann auch in anderen Sparten auskenne, sagte Schmid-Ospach: "Der Film ist schon sehr seins!" Der Deutsche Bühnenverein hofft, dass der designierte Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) einen größeren Einfluss als die Vorgänger hat. "Es ist das erste Mal, dass ein professioneller Politiker das Amt übernimmt", sagte Rolf Bolwin, der Direktor des Bühnenvereins, in Köln. "Wir hoffen, dass der Einfluss des Amtes auf andere Politikfelder größer wird, als es bislang der Fall war", sagte Bolwin.
Und noch jemand freut sich: Klaus Pierwoß, Intendant des zeitweilig vom Konkurs bedrohten Bremer Theaters, geht davon aus, dass der Fortbestand seines Hauses gesichert ist. Denn welcher Kulturstaatsminister will schon, dass das Theater in seiner Heimatstadt schließen muss? Gegenüber stern.de bekannte er: "Bremen kann nur gewinnen".