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Cannes 2015 - Tag 3 Woody Allen und die Angst vor Netflix

Woody Allen hat Emma Stone mitgebracht. Natalie Portman ihr Regiedebüt. Und alle haben Angst vor Ted Sarandos. Außer Harvey Weinstein.
Von Sophie Albers Ben Chamo, Cannes

Der dritte Tag gehörte Woody Allen, der mit "Irrational Man" seine Fangemeinde beglückte, weil er neben dem üblichen "alter Sack und junges Ding" auch eine ordentliche Packung Moralphilosophie verabreicht. Joaquin Phoenix ist wie immer verstrahlt, Emma Stone wie immer bezaubernd. Und Woody Allen wieder very Woody Allen.

Was Kino ihm bedeute, wurde der Neurosen-Meister auf der Pressekonferenz gefragt: Es gebe keine positive Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens, so seine Antwort. Das einzige, was man machen könne, sei sich abzulenken. Das funktioniere besonders gut, wenn man Filme macht. Oder einen Fred-Astaire-Film guckt.

Natürlich wurde Woody Allen auch nach seinem TV-Serien-Projekt für Amazon gefragt, und der 79-Jährige kokettierte mit seiner Unerfahrenheit, was Fernsehen angehe. Er erwarte eine "Enttäuschung kosmischen Ausmaßes".

Apropos TV und Serien: Heute war auch

der Tag der "Netflix-Angst"

: Netflix-Boss Ted Sarandos sprach vor Cannes-Publikum, was zu mittelgroßen Tumulten führte, weil der Saal sofort voll war. Und weil der Streamingdienst-Chef angegriffen wurde. Ob ihm eigentlich klar sei, dass er das "Ökosystem des europäischen Films" zerstöre, wollte ein Journalist wissen. Niemand Geringeres als Hollywood-Schwergewicht Harvey Weinstein, der in der erste Reihe saß, kam Sarandos zu Hilfe: Netflix habe in den USA einen neuen Markt für europäische Filme geschaffen. Und für den europäischen Markt sei der Erfolg des Streamingdienstes ein "Weckruf". "Wir sind nicht gegen Kinos, sondern für Filme", bestärkte Sarandos.

Sogar Jane Fonda hat sich diese "Angst-Veranstaltung" angesehen.

Derweil der Himmel über der Croisette

Derweil im Kino: Nicht nur Joaquin Phoenix hat sich für "Irrational Man" eine Wampe angefuttert, auch Colin Farrell meint, dass zu einem "normalen" Mann eine Plautze gehört. Zu sehen in "The Lobster", eine skurrile Anti-Liebesgeschichte über eine Welt in der Menschen 45 Tage Zeit haben, um DEN richtigen Partner zu finden, sonst werden sie in Tiere verwandelt. Davor halten drakonische Strafen die Suchenden vom Masturbieren und Flirten ab, wenn sie nicht gerade mit Betäubungsgewehren Jagd auf Singles machen. Eine wunderbare Idee mit wirklich abstrus-lustigen Dialogen, aber zu abstrakt, um zwei Stunden durchzuhalten.

Außerdem hat Natalie Portman heute ihr Regiedebüt "Eine Geschichte von Liebe und Finsternis" präsentiert, eine poetisch-liebevolle Umsetzung von Amos Oz' gleichnamigem biografischen Roman, der die Geschichte seiner Familie in Israel zur Zeit der Staatsgründung erzählt. Portman spielt Oz' fragile Mutter.

Und dann wurde noch Gus van Sants "Sea of Trees" ausgebuht, in dem Matthew McConaughey ("Interstellar") nach Japan fährt, um in einem berühmten Selbstmörderwald sein Leben zu beenden, dort jedoch einen anderen Mann trifft, der sich verlaufen hat, und ihm hilft. Vor allem das Ende ist erstaunlich kitschig. Man wird das Gefühl nicht los, dass dieser Film eher für den asiatischen als den westlichen Markt gedacht ist.

Die News des Tages:

- David Kross ("Der Vorleser") wird den legendären Fußballer Bernd "Bert" Trautmann spielen, der von 1949 bis 1964 bei Manchester im Tor stand. "Trautmann" ist der erste englischsprachige Film von "Wer früher stirbt ist länger tot"-Regisseur Marcus Rosenmüller.

- War ja nur eine Frage der Zeit: Eine Kino-Veräppelung von "Fifty Shades of Grey" ist in Arbeit: "50 Shades of Black" geht auf die Kappe von "Scary Movie"-Witzbold Marlon Wayans.

- Was fürs Auge gibt es von Designer Tom Ford, der nach seine Oscar-Erfolg "A Single Man" endlich wieder Kino macht: "Nocturnal Animals" heißt das Drama, in dem Jake Gyllenhaal und Amy Adams die Hauptrollen spielen sollen.

Ein Gesicht in der Menge:

Sara, 23, aus Österreich, lebt sein zwei Jahren in Cannes und finanziert sich ihr Sprachenstudium als Hostess auf Großveranstaltungen wie dem Filmfestival

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