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Medienkolumne

Medienkolumne zu Thomas Bellut Der neue Erste im Zweiten

Thomas Bellut ist zum neuen ZDF-Intendanten gewählt worden. Er wird im März 2012 Nachfolger von Markus Schächter, In Mainz könnte jetzt ein großes Stühlerücken folgen.
Von Bernd Gäbler

Was haben die englische Monarchie, Nordkorea und das ZDF gemeinsam? Über die Frage, wer der nächste König, "große Führer" oder Intendant wird, entscheidet die Erbfolge. Beim ZDF ist sie nicht genetisch bedingt. Intendant wird, wer vorher Programmdirektor war. So war es bei Dieter Stolte. So war es - wenngleich dies eine schwierige Kür war - bei Markus Schächter. So ist es seit 1982, also seit 29 Jahren. Und so war es auch jetzt bei der Wahl zum Intendanten wieder. Thomas Bellut, der bisherige Programmdirektor hatte nicht einmal einen Gegenkandidaten. Die Stelle des obersten ZDF-Chefs wurde nicht öffentlich ausgeschrieben. Top-Manager des ZDF, also der erste Mann beim Zweiten, wird der, "auf den es zuläuft."

Demokratie

Heißt das, dass die Demokratie keine Rolle mehr spielt? Nein. Es war ein ebenso regulärer wie legaler Wahlakt, durch den Thomas Bellut das Amt erhielt. Aber die Demokratie ist dennoch antiquiert, nicht partizipatorisch, überlagert und dominiert von Parteipolitik. Die "Schwarzen" haben eine klare Mehrheit in den Gremien des ZDF. Thomas Bellut ist ihnen genehm. Die Parteipolitiker, die nicht davon ablassen können, den Staat als Beute aufzufassen, spielen im ZDF eine viel zu große Rolle. Der Sender ist überpolitisiert, dadurch oft blockiert. Ob die Gremien tatsächlich dem Gebot der "Staatsferne" gehorchen, muss erst noch höchstrichterlich festgestellt werden. Durch die Gesellschaft geht ein Ruck. Er zielt auf Mitbestimmung, neue Formen der politischen Artikulation, auf die Aneignung öffentlicher Einrichtungen. Das ist am ZDF bisher völlig vorbeigegangen.

Was will Thomas Bellut?

Das ZDF ist schwergängig. Hier wird sich nichts schlagartig verändern. Der Sender wird nie einen Revolutionär von außen an Bord holen. Das ZDF ist ein Unterhaltungsdampfer mit viel Pilcher, Pilawa, Carmen Nebel und "Wetten, dass..?". Unter diesen obwaltenden Bedingungen ist die Erbfolge-Lösung wahrscheinlich sogar das geringste Übel. Der ein oder andere Zuschauer kennt Thomas Bellut vielleicht noch als etwas steifen Vorleser des Polit-Barometers. Auch in den "Was, nun ...?"-Sendungen war er eindringlich fragend auf dem Bildschirm präsent.

Als Programmdirektor hat er schon ein paar Umbauten vorgenommen. Am wichtigsten: Aus dem Ein-Kanal-Sender ZDF wurde eine kleine digitale Familie mit den flotten Mini-Beibooten ZDFkultur und ZDFneo. Außerdem hat er hinter den Kulissen die "Wetten, dass..?"-Krise besonnen gemanagt. Auf den Podien dieser Republik hat er sich als eingefleischter Fan des traditionellen, an großen Reichweiten orientierten "lean back"-Mediums Fernsehen positioniert. Er will die Jugend, er will alle neuen Medien und Plattformen erschließen - aber letztlich ist das alles doch ein Zusatz zum klassischen Programmfernsehen.

Was bedeutet Belluts Wahl für Programm und Personal?

Zunächst wird er das ZDF weiter auf dem Unterhaltungs-Dampfer-Kurs halten. Dazu muss Bellut bald einen Gottschalk-Nachfolger präsentieren. "Wetten, dass..?" auf altem Niveau ist dabei kaum zu retten. Aus dem großen Lagerfeuer wird eine Unterhaltungssendung unter mehreren werden. Vermutlich muss diesen Prozess ein neuer Unterhaltungschef steuern. Bereits beim NDR hat sich Andreas Gerling als Pilawa-Betreuer hervorgetan. Er ist zum ZDF gewechselt. Keiner würde sich wundern, wenn er bald den bisherigen Unterhaltungschef Manfred Teubner ablösen würde. Dies würde auch freie Bahn für Pilawa als großen ZDF-Allrounder bedeuten.

Wer aber wird Programmdirektor und damit Favorit für den Intendanten-Posten in zehn Jahren? Als großes kreatives Talent gilt ZDF-intern Norbert Himmler, der ZDFneo aufgebaut hat. An seinem nächsten Karriereschritt wird auch ablesbar sein, ob das ZDF den Spartensender mit den vielen eingekauften US-Serien als Erfolg wertet oder letztlich doch als große Geldausgabe für ein sehr spärliches Publikum.

Im ZDF gibt es auch die Tradition, dass die Programmdirektoren aus der Politikberichterstattung kommen, obwohl sie am Ende viel mit Spielshows, Serien und Filmen zu tun haben werden. Das würde für Bettina Schausten sprechen, deren steiler Aufstieg dann geradlinig fortgesetzt würde. In der internen ZDF-Farbenlehre wird sie - anders als Chefredakteur Peter Frey - auch dem "schwarzen" Lager zugerechnet. Vielleicht aber kommt später ja auch Steffen Seibert, der jetzige Regierungssprecher, zum ZDF zurück. Dann sicher in eine hochrangige administrative Funktion.

Das Programm

In der Unterhaltung muss also zugelegt werden. Ansonsten sind die Weichen für neue, reichweitenstarke Programme vor allem durch den Einkauf der Fußball-Champions-League gestellt. Weite abendliche Programmstrecken können hier bespielt werden. Sicher wird bei der Redaktion nachgerüstet werden. Aber warum soll nicht Oliver Welke, der bisher nur als Anchor der "heute-Show" im ZDF präsent ist, hier ein breites Betätigungsfeld angeboten werden? Ansonsten produziert das ZDF Krimis, Krimis, Krimis - das wird vorerst so bleiben. Dem Bildungsauftrag wird man durch "Royals" en masse, "Terrra X" und Guido Knopp gerecht werden. Für die Politikberichterstattung bekommt Peter Frey freie Hand, auch mal etwas Neues auszuprobieren, wie das kurios betitelte "Was nun, Nahost?".

Die Nachrichtensendungen schwächeln. Bisher wird das Heil darin gesucht, immer simpler zu werden und Sachverhalte nach dem Muster der "Sendung mit der Maus" unter angestrengtem Einsatz von Großgrafiken zu erklären. Daran wird vorerst festgehalten. Auch der neue "heute"-Moderator Matthias Fornhoff ist ein Phrasendrescher. Gegen die kommende Talkshow-Inflation in der ARD wird "Maybrit Illner" sich selbstbewusst behaupten. Eine Image-prägende Literatursendung wie das "Literarische Quartett" mit Marcel Reich-Ranicki oder "Lesen!" mit Elke Heidenreich wird es nicht mehr geben. Bei den kleinen Digitalsendern ZDFkultur und ZDFneo wird allerlei probiert. Unklar ist, ob und wie es irgendeine Durchlässigkeit ins Hauptprogramm geben wird.

Der Nachmittag

Für den Laien mag es nicht so wichtig sein; aber das bisherige Abendprogramm ist für den Sender selbst gar nicht das dringlichste Problem. Das ZDF stünde im Wettbewerb der Sender viel besser da, gäbe es den Nachmittag nicht. Da war es Thomas Bellut, der Telenovelas einführte und am Vorabend allerlei Soko-Seicht-Krimis. Richtig aufgegangen ist das Konzept nicht. Die Alten gucken "Rote Rosen" oder Zoo-Serien in der ARD; die jungen gucken RTL oder ProSieben. Das ZDF guckt in die Röhre. Im "Day-Time-Programming" - wie es der Fachmann sagt - muss das ZDF sich etwas fundamental Neues einfallen lassen. Da hat Thomas Bellut seinem Nachfolger als Programm-Direktor eine schöne Aufgabe hinterlassen. Jetzt aber darf er erst einmal für fünf, insgesamt sicher für zehn Jahre, ins oberste Stockwerk auf dem Mainzer Lerchenberg einziehen.

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