Bitte seien Sie nicht gleich abgeschreckt, wenn ich hier das beschämende F-Wort einwerfe, also F wie Fußball. Um den wird es nur am Rande gehen, ähnlich der WM im Klimaanlagen-Emirat Katar.
Es gibt dieser Tage nur wenig zu lachen, speziell, wenn es um dieses Event geht. Aber als der englische Fußballer Harry Kane mit einer regenbogenfarbenen Rolex vor dem Spiel gegen den Iran auflief, um trotz "One Love"-Binden-Verbot für Menschenrechte zu demonstrieren, da musste ich dann schon ein wenig giggeln.
Ich meine, hey: eine 600.000-Euro-Rolex in Regenbogenfarben als Résistance gegen die Fifa – das ist zumindest eine Sprache, die sie verstehen. Da können sich die deutschen Spieler noch eine Scheibe abschneiden: Sich kollektiv die Hand vor den Mund halten, woran soll das erinnern? An die deutsche Tradition, in Unrechtsstaaten besonders laut zu schweigen? Die Botschaft bleibt: Wir wollen ein Zeichen setzen, aber das möglichst konsequenzbefreit.
Micky Beisenherz: Sorry, ich bin privat hier
Mein Name ist Micky Beisenherz. In Castrop-Rauxel bin ich Weltstar. Woanders muss ich alles selbst bezahlen. Ich bin ein multimedialer (Ein-)gemischtwarenladen. Autor (Extra3, Dschungelcamp), Moderator (ZDF, NDR, ProSieben, ntv), Podcast-Host ("Apokalypse und Filterkaffee"), Gelegenheitskarikaturist. Es gibt Dinge, die mir auffallen. Mich teilweise sogar aufregen. Und da ständig die Impulskontrolle klemmt, müssen sie wohl raus. Mein religiöses Symbol ist das Fadenkreuz. Die Rasierklinge ist mein Dancefloor. Und soeben juckt es wieder in den Füßen.
Das reiht sich ein in diese klotzdumme Mode, sich zu jeder Zeit zu irgendwas bekennen zu wollen, solange daraus bloß nicht weiter etwas folgen muss. Das ganze Land ist wie eine unkontrolliert blinkende Landebahn, so wild wird vor sich hin signalisiert.
Krieg in der Ukraine? Komm, hau ordentlich Licht auf das Brandenburger Tor! Geholfen wird nur mit ordentlich Druck.
Die für Zeichensetzung nicht ganz unempfängliche Manuela Schwesig strahlte direkt den Mecklenburger Landtag blau-gelb an, und das kann nur ein Bekenntnis zu Ikea in Rostock gewesen sein.
Ursula von der Leyen hält eine flammende Rede im blau-gelben Blazer, schwärmt ergreifend von der Demokratie – während ihr "trustworthy partner" Aserbaidschan den Nachbarn Armenien angreift.
Ein Blinken für den Moment – und schon morgen vergessen
Das ist gleichermaßen bigott wie egal, denn in dieser Bekenntnissuppe, dieser Signalschwemme ist alles kurz bedeutsam und alles nichts. Ein Blinken für den Moment. Und schon morgen vergessen.
Wen interessiert es schon noch, was daraus erfolgt? Sind Sie noch heute Charlie? Sind "Refugees" heute noch "welcome", oder hat nur die "Bild" vergessen, dass sie diese Aufkleber ernsthaft mal gedruckt hatte? Haben Sie Ihr Profilbild bei Facebook immer noch auf "Fridays for Future" eingestellt – während Sie die Klimakleber auf der A100 verfluchen? Haben Sie Ihren Tesla schon verkauft, weil Sie sich von dem Edel-Troll Elon Musk und Twitter-Cäsaren distanzieren wollen? Und ob Cem Özdemir jemals wieder den Dienstwagen nehmen kann, nachdem er zum Bundespräsidenten so sympathisch mit dem Fahrrad angereist ist?
Erst mal blinken. Wo man dann abbiegt, da schaut doch kaum noch wer hin.
Gerade deshalb auch die Frage: Was hat Habeck sich damals dabei gedacht, sich vor dem Emir in Katar zu verbeugen – und dann nicht einmal mit einem Koffer voller Gas nach Hause zu kommen? Das ist natürlich die blödeste aller Varianten: ein schlechtes Zeichen setzen und dann auch noch für nix auf die Fresse bekommen.
Ich werde gleich morgen zum bedarfsentsetzten DFB-Distanzierer Rewe gehen und eine Tüte Nüsse kaufen, für die Menschenrechte! Da, wo kein Gesinnungs-TÜV uns auf die Nachhaltigkeit unserer Botschaften überprüft, lässt es sich trefflich den Helden spielen.
Und dann kauf ich die Rainbow-Rolex. Mir sind die kleinen Leute ja auch nicht egal.