Der Eurovision Song Contest in Deutschland Eine Bilanz in acht Punkten

Es gab fast nur Sieger beim ESC: Der Gesangswettbewerb lebt, Düsseldorf hat sich als toller Gastgeber präsentiert, Anke Engelke ist im Moderations-Olymp angekommen - und Deutschland kann Show.

1. Der Unterhaltungsdino lebt
Der Eurovision Song Contest sei eine "alte Tante", die ständig mit neuen Ideen am Leben gehalten werden müsse, hatte Svante Stockselius, bis 2010 Vorsitzender der European Broadcasting Union (EBU), im vergangenen Jahr in Oslo gesagt. Dass sie quicklebendig ist, hat sie auch in diesem Jahr bewiesen. Der ESC in Düsseldorf war eine abwechslungsreiche Show mit einem spannenden Herzschlagfinale. Dafür hatte die EBU tief in die Trickkiste gegriffen, extra einen Algorithmus entwickeln lassen, um die Reihenfolge der Vergabe der Punkte festzulegen. Das Ziel: die Spannung bis zum Schluss erhalten. Der Aufwand hat sich gelohnt. Europa hat am Samstagabend nicht nur die größte, sondern wohl auch die beste Unterhaltungsshow der Welt gesehen. Der Muff, der dem Grand Prix als zweifelhafte Schlagersendung bislang anhaftete, ist damit endgültig verflogen.

2. Deutschland kann Show

Das obligatorische "Thank you, Düsseldorf, it was a great show tonight" bei der Punktevergabe war ernst gemeint: Deutschland hat ganz Europa bewiesen, dass auch hierzulande gute Unterhaltung gemacht wird. Technisch auf höchstem Niveau, mit einer riesigen LED-Wand, die sich bei der Punktevergabe sogar auftat, um den Blick auf den Greenroom freizugeben, und auch emotional. Dass Jan Delay als Pausenact vermutlich nicht in ganz Europa reüssieren konnte, war nur ein kleiner Schönheitsfehler.

3. Anke Engelke im Moderations-Olymp

Sie beherrscht den schmalen Grad zwischen charmantem Witz und peinlichem Klamauk perfekt: Anke Engelke war die vielleicht beste Moderatorin, die der Eurovision Song Contest sich wünschen konnte. Obwohl auch ihre Texte und Gags auf dem Teleprompter standen, wirkte sie niemals aufgesetzt. Sie parlierte in drei Sprachen. Alles war dreifach geprobt und wirkte dennoch so, als würde es spontan aus ihr heraussprudeln. Anke Engelke gehört jetzt zu den ganz Großen des Showgeschäfts in Europa.

4. Düsseldorf in einer Liga mit Oslo und Moskau

Viel Häme war über den Austragungsort Düsseldorf ausgeschüttet worden. Eurovision im "Dorf" spotteten viele. Sicher, Hamburg oder Berlin wären die würdigeren Austragungsorte gewesen. Kosmopolitisches Flair, der Duft der großen, weiten Welt versprüht Düsseldorf nicht. Dennoch hat es Spaß gemacht. Eine ganze Stadt stand Kopf, der Grand Prix war - anders als 2009 in Moskau - überall angekommen. "Düsseldorf ist heute Abend nicht nur die Hauptstadt des Karneval, sondern auch der Musik", sagte der israelische Kommentator bei der Verlesung der Punkte aus Jerusalem. Recht hat er.

5. Lena hat es allen gezeigt

Auch wenn am Ende nur ein zehnter Platz heraussprang, Lena hat Deutschland, hat Europa erneut bewiesen, wie gut sie ist. Ein fantastischer Auftritt war das am Samstagabend. Sie freue sich darauf, nach dem Wettbewerb endlich Zeit zu haben, darüber nachzudenken, was sie künftig machen möchte, hatte sie zu stern.de gesagt. Es bleibt ihr zu wünschen, dass sie ihren Weg findet. Wir werden sicherlich noch einiges von Lena hören.

6. Zwei sympathische Sieger

Das Duo Eldar und Nigar hat ganz Europa mit seinem Liebessong betört. Auch wenn es in der Arena, die lieber den Schweden Eric Saade als Sieger gesehen hätte, vereinzelt Buh-Rufe gab, den beiden sei der Sieg gegönnt. Unkompliziert und sympathisch gaben sich der 21-jährige Sänger und die 30-jährige Sängerin aus Aserbaidschans Hauptstadt Baku während der Probenwoche in Düsseldorf. Vor allem Eldar hatte es den zahlreichen Fans und Journalisten vor Ort angetan. Fröhlich plauderte er in Interviews auf Deutsch drauflos, war nie genervt und immer freundlich.

7. Hoffnung für die Grand-Prix-Zukunft Deutschlands

Eine ganze Nation war Grand Prix. Fast 15 Millionen deutsche Zuschauer haben vor dem Fernseher den Song Contest in Düsseldorf verfolgt. Besonders bei der jüngeren Zielgruppe war die Show erfolgreich. Das macht Hoffnung, dass Deutschland auch im nächsten Jahr nicht zurück in die Grand-Prix-Steinzeit katapultiert wird. Die ARD will unseren Star für Baku wieder in einer Castinghow finden. Dass das erneut funktionieren kann, haben in diesem Jahr die Kollegen aus Österreich bewiesen, die das deutsche Konzept von 2010 nahezu 1:1 übernommen hatten und die talentierte Nadine Beiler gefunden.

8. Deutschland, Österreich und die Schweiz unter einem DACH

Erstmals seit 2004 standen Deutschland (D), Österreich (A) und die Schweiz (CH) wieder gemeinsam in einem Finale. Schön, dass die alten Ressentiments in diesem Jahr endgültig beiseite geschoben wurden. Deutschland gab Österreich zwölf Punkte, Österreich vergab zehn an Deutschland und aus der Schweiz gab's acht Punkte für Lena. Die deutschsprachigen Länder vereint - schön!

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