Der Echo gilt als Deutschlands wichtigster Musikpreis. Die bevorstehende Preisverleihung hat sich Jan Böhmerman nun zum Anlass genommen, um die hiesige Musiklandschaft genauer unter die Lupe zu nehmen. Das führte zu einer gnadenlosen Abrechnung mit dem neuen deutschen Pop. Doch der Satiriker belässt es nicht bei seiner Kritik, er demonstriert am Ende, wie einfach ein Hit zu erstellen ist.
Zunächst knöpft er sich den zweifach für den Echo nominierten Max Giesinger vor. Der schwafelt in Interviews davon, keine Fake-Storys zu erzählen ("Da bin ich nicht der Typ für") und alle seine Songs selbst zu schreiben. Allenfalls ein Kumpel greife ihm dabei unter die Arme.
Max Giesinger und die Hitlieferanten
Doch mit einfachem Blick ins Booklet der CD entlarvt Böhmermann das als Lüge: Giesingers größter Hit "80 Millionen" schrieben Martin Fliegenschmidt, David Jürgens und Ali Zuckowski. Die sind aber alles andere als exklusive Buddys von Max Giesinger - sie haben ihre Hände in zahllosen deutschsprachigen Hits verschiedenster Interpreten.
Böhmermann hat nicht nur mit Giesinger Probleme. Der ganze neue deutsche Pop von Sängern wie Tim Bendzko, Kerstin Ott, Philipp Poisel oder eben Giesinger - das sei nichts anderes als das Revival des Schlagers unter falscher Flagge: "Gefühle abklappern, Trost spenden, Tiefe vorgaukeln, Millionen verdienen und dabei immer schön unpolitisch und abwaschbar bleiben." Das erinnere ihn an die Nachkriegszeit, als Musiker mit seichter Unterhaltung vom verlorenen Krieg ablenken wollten.
Schamloses Product Placement
Wie weit der deutsche Pop schon zur Industrie-Musik verkommen ist, das demonstrierte Böhmermann anhand einiger eklatanter Fälle von Schleichwerbung in Musikvideos von Frida Gold, Glasperlenspiel oder Gestört aber GeiL. Die präsentieren in ihren Clips schamlos Produkte - vom Mercedes bis zum Keksriegel - und verkaufen die Filmchen dennoch als Kunst. Sogar ein extrem uncooles Gerät wie ein AEG-Staubsauger hat es in ein Video geschafft. Dagegen, so Böhmermann, seien Youtuber wie Bibi Heinicke, Sami Slimani und Dagi Bee "integer wie der Papst". Denn die erwähnten wenigstens, dass sie gesponsert würden.
Am Ende der mehr als 20-minütigen Abrechnung geht Satiriker aber noch einen entscheidenden Schritt weiter. Er will zeigen, wie zutreffend seine Kritik ist. Dafür führt er zunächst Einwände an, die Max Giesinger gegen seinen Beitrag hervorbringen könnte. Der Musiker werde vielleicht abstreiten, dass die neue deutsche Popmusik nur "aus weichgespülten Wohlfühlliedern mit belanglosen Schleichwerbe-Stockfootage-Musikvideos" bestehe, in denen nur über Menschen, Leben, Tanzen und Welt gesungen werde. Vielleicht denke er, seine Texte klingen nicht wie zehn Jahre alte Werbebotschaften, Tweets von Bibi und Sami Slimani oder Kalendersprüche, die von einer Gruppe Schimpansen zusammengestellt wurden.
Jan Böhmermann will den Echo für die Affen
Mit seinem Song "Menschen Leben Tanzen Welt" tritt Böhmermann an, genau das zu beweisen: Der Text ist tatsächlich von fünf Schimpansen aus den oben beschriebenen Vorlagen zusammengestellt worden. Er möchte mit dem Song in die Charts gelangen. Das Ziel ist die Preisverleihung im kommenden Jahr: Der Song soll den Echo 2018 bekommen. Tatsächlich wurden mehrere Urheber mit tierischen Namen bei der Gema angemeldet: Bono Beau, Olaf Utan und Jim Pandzko.
Wie es aussieht, könnte der Plan aufgehen. Zumindest hat es der Song innerhalb weniger Stunden in die Top 20 der iTunes-Charts geschafft. Bei den Amazon-Downloads rangiert der Song aktuell sogar auf Platz 2. Sieht ganz nach einem tierischer Erfolg aus.
