"Heute hat die Welt Geburtstag" "Hello, let’s fuck!": Rammstein-Keyboarder Flake beschrieb bereits 2017 Pre-Partys und Backstage-Sex

  • von Gerrit-Freya Klebe
Rammstein-Keyboarder Christian "Flake" Lorenz
Rammstein-Keyboarder Christian "Flake" Lorenz 2017 bei einer Lesung.
© AAPimages / Wehnert/ / Picture Alliance
Bereits vor sechs Jahren hat Rammstein-Keyboarder Christian "Flake" Lorenz in seinem Buch beschrieben, wie eine Partynacht bei der Band abläuft. Einige Schilderungen decken sich mit den Vorwürfen, die Frauen nun erheben.

"Warum zum Teufel war ich so eklig, wenn ich etwas getrunken hatte? Alle anderen wurden einfach lustig, machten tolle Sachen und gingen dann noch mit einer schönen Frau ins Bett, aber ich begoss die Frauen lieber mit Bier und machte andere peinliche Sachen", schrieb Rammstein-Keyboarder Christian "Flake" Lorenz im Jahr 2017.

Es ist ein Zitat aus seinem Buch "Heute hat die Welt Geburtstag", ein Rezensent des "Deutschlandfunks" nannte es "harmlos, aber unterhaltsam".

Doch wer heute das Buch liest, schaut mit anderen Augen auf die Anekdoten, die Flake auf 352 Seiten aneinanderreiht. Denn sie offenbaren schon damals, was im Backstage-Bereich von Rammstein so los war. Und "harmlos" klingt das eher nicht.

Rammstein-Keyboarder Flake schildert in seinem Buch eine exzessive Partynacht

Vielmehr lassen sich Anhaltspunkte finden, die sich mit den Berichten der Frauen decken, die von mutmaßlichen sexuellen Übergriffe im Umfeld der Band berichten. Dass Flake zu Beginn seines Buches schreibt "Eventuelle Übereinstimmungen mit realen Personen und Vorkommnissen sind nicht beabsichtigt", dürfte einige der heutigen Leser verwundern.

In dem Buch schreibt Ich-Erzähler Flake über einen Tag mit seiner Band, ein 24-Stunden Einblick. Er nimmt seine Leser mit in den vermeintlichen Alltag: Ankunft Budapest, in seiner Garderobe werde er vom Bandassistenten Tom gefragt: "Hast du Gäste?" Die Frage stelle Tom immer am frühen Nachmittag. Flake habe keine, doch Bandkollege Till dafür umso mehr. Auf "diversen Zettelchen" habe Till Namen stehen, "das will gar kein Ende nehmen". Assistent Tom freue das sichtlich, heißt es dort, er schreibe alles mit: "Kein Problem, die holen wir alle rein."

Er nimmt Leser mit in den Backstage-Bereich: An der Wand hänge eine Uhr, angeblich aus einem Ein-Euro-Laden, auch sie sei mit auf Tour. An diesem Abend teile sich Flake seine Garderobe mit Till. An der Tür hängen "eingeschweißte Zettel" mit den Namen der beiden, beschreibt Flake das Setting. Im Flur weitere Schilder, die den Weg zur Bühne und zum Essen zeigen. Till starte nun die Umziehmusik, Flake weiß: Es ist eine Stunde vor Konzertbeginn, da mache Till immer dieselbe Playlist an. So wisse er bei jedem Lied, wie viel Zeit er noch habe. "Eine Art akustische Uhr."

Dann geht Flake kurz aufs Klo, schreibt er, als er wiederkomme, "ist auf einmal alles voller Menschen." Till würde "großzügig" Sekt und Wodka verteilen. Auf dem Sofa seien nun "aufgeregt schreiende Frauen" mit Zigaretten in der Hand. Er schreibt: "'Hello, let’s fuck!', rufe ich als Begrüßung und um die Stimmung noch etwas mehr aufzulockern." Doch Flake werde ignoriert, die Aufmerksamkeit konzentriere sich auf Till, der drehe die Musik laut auf, fange an zu tanzen. "Ab und zu geht die Tür auf, denn die Crewmitglieder wollen sehen, was für Frauen bei uns sitzen." Die Stimmung werde "richtig ausgelassen", die Frauen "lachen und kreischen".

"Till erklärt ihnen, dass sie sich den Wodka in Wasserflaschen umfüllen sollen, weil sie diese mit ins Konzert nehmen können." Dann wollen alle Fotos mit Till machen. "Damit jeder mit drauf ist", solle Flake die Fotos machen, so müsse er selbst nicht mit drauf.

"Was passiert mit all den Fotos? Wer will sich die ansehen? Oder soll ich besser fragen, wer muss sich die ansehen?", fragt Flake in seinem Buch.

Dann komme wieder Tom, der Assistent, er bringe die Gäste auf ihre Plätze in der Halle. Jacken und Taschen der Frauen bleiben in Flakes und Tills Garderobe zurück. Als alle weg seien, "trinkt Till versonnen einen Schluck Sekt, und wir schweigen einträchtig".

Danach der Auftritt, eine Feuershow, Anzügliches, Provokantes. Flake beschreibt es so: "Als Musiker ist unser Auftreten pures Balzverhalten, und dazu singen wir noch von Sex. Rein musikalisch versuchen wir wohl auch, wenn vielleicht nur unbewusst, die Leute in sexuelle Erregung zu versetzen."

Zurück in der Garderobe, es seien wieder die Damen von der Pre-Party da. Und noch mehr neue Gäste.  "Leute, die Drogen und Frauen mitbringen" kämen viel leichter in den Backstage-Bereich als "die, die mit uns über Bücher und soziale Hilfsprojekte reden wollen". 

Flake beschreibt im Detail, wie sich die Aftershowparty entwickelt. Die meisten Gäste seien inzwischen "sehr betrunken", vor allem die von der Pre-Party. Einige Frauen könnten sich "wegen Till hierher verirrt haben". Sie würden versuchen, durch "lautes Lachen und Quieken" auf sich "aufmerksam zu machen". Andere würden versuchen, "still ihre körperlichen Vorzüge zur Schau zu stellen. Um ihr Aussehen zu überprüfen, rennen sie immer wieder ins Bad."

Er kommentiert gar das Aussehen: "es sind wirklich ein paar sehr schöne Mädchen dabei. Das kann ich nicht leugnen." 

Im Buch geht es auch um Flakes Alkoholkonsum, den habe er "massenhaft" zu sich genommen nach den Konzerten. "Dieser Alkohol sollte mir den Mut verleihen, die Mädchen zu fragen, ob sie mit mir schlafen wollen."

Das sei schon so gegangen, als Rammstein noch die Vorband waren, etwa von Korn im Jahr 1998. Da hätten sich Flake und andere Bandmitglieder "in die Garderobe gedrängelt, um einige von ihren Frauen abzukriegen. Wir haben jegliche Würde abgelegt." Auf diesen Aftershow-Partys "waren die schönsten Frauen aus dem Publikum, die während des Konzertes schon von extra mitgebrachten Fachkräften ausgesucht worden waren." 

Flake schreibt auch über Sex und Groupies

Diese Schilderung erinnert an Aussagen, die Frauen im Jahr 2023 machen. Auch dabei geht es um einen Casting- und Auswahlprozess, der Frauen vermeintlich für die Rammstein-Partys ausgewählt hat.

Auch diese Partys schildert Flake in seinem Buch detailliert. So habe die Band "möglichst viele Frauen" mit ins Hotel genommen, "die wir sofort in den Pool warfen. Dann zogen sich die Frauen meistens aus." Auch ihre Sachen wurden demnach mit in den Pool geschmissen, "damit sie nicht so schnell fliehen konnten". Dann noch gefüllte Schnapsflaschen ins Wasser, die fix geleert würden. "Wir fanden uns danach in den Hotelfluren gar nicht mehr zurecht und irrten nackt an den Fahrstühlen herum."

Erst mit wachsendem Erfolg leistete sich jedes Bandmitglied ein Einzelzimmer, schreibt Flake, davor schliefen wohl oft alle im selben Zimmer. Hatte es "jemand geschafft, eine Frau mitzunehmen", durften die anderen "an seinem Vergnügen teilhaben, zumindest akustisch. Oder auch richtig. Wir haben schon alle unsere Kollegen beim Sex erlebt."

Inzwischen (Stand 2017, Anm. d. Redaktion) sei vor allem die Hotel-Lobby, in der man sich vor Abfahrt des Shuttles trifft, das erste Wiedersehen nach der Partynacht. Habe jemand einen schönen Abend gehabt, und sogar eine "nette Frau" mit ins Hotel genommen, könne man das den Leuten ansehen. "Selbst wenn sie müde und verkatert sind, haben sie so ein besonderes Grinsen im Gesicht. Die anderen sind ganz begierig darauf, jedes Detail der Nacht zu erfahren. Neuerdings werden sogar Handyfotos gezeigt. Sozusagen als Beweismittel." Die Bandkollegen würden dann gezielte Fangfragen stellen, um alles zu erfahren. Es sei wie beim Tatort. 

Für die Kritiker im Jahr 2017 erlaubte das Buch einen Blick in das "Innenleben der erfolgreichsten deutschen Rockband", der "Deutschlandfunk" nannte seinen Text damals gar "Inside Rammstein". Dass den Kritikern damals diese Szenen nicht aufgefallen sind, dass sie nicht thematisiert wurden, ist aus heutiger Sicht zumindest mal überraschend. Doch bereits zu Erscheinen gab es auch andere, kritischere Meinungen. "Ich musste es abbrechen. Ekelhaft", schrieb ein Rezensent bei der Buchbewertungsplattform "LovelyBooks".

Quelle: Buch "Heute hat die Welt Geburtstag", "Deutschlandfunk", "LovelyBooks"

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