"Die Insider" ZDF nimmt Bahn-Doku nach massiver Kritik aus der Mediathek

Gleise am Hauptbahnhof München
Gleise am Hauptbahnhof München
© Wolfgang Maria Weber / Imago Images
"Oberflächlich, irreführend und unfair": Mit harschen Worten reagiert die Deutsche Bahn auf eine ZDF-Doku über das Unternehmen. Der Mainzer Sender hat die Sendung kurzfristig aus dem Verkehr gezogen.

Das ZDF hat eine Folge der Doku-Reihe "Die Insider" über die Deutsche Bahn nach massiver Kritik am Inhalt vorübergehend aus der Mediathek genommen. Das bestätigte der Mainzer Sender am Donnerstag auf Anfrage des stern. Inzwischen wurde sie nach Korrekturen wieder online gestellt. 

Im Fernsehen wurde die Sendung am Dienstagabend zur besten Sendezeit um 20.15 Uhr ausgestrahlt. Rund 2,7 Millionen Menschen sahen zu, der Marktanteil lag bei knapp elf Prozent.

Zum Konzept der Doku-Reihe gehört es, dass vermeintliche oder echte "Insider", zum Beispiel ehemalige Mitarbeitende, Einblicke hinter die Kulissen und in Tricks der betrachteten Unternehmen liefern. Unter anderem beschäftigte sich das ZDF in der vergangenen Zeit mit McDonald's, Ikea und Lidl. Im Fall der Deutschen Bahn sollten die maskierten Informanten erzählen, "was Fahrgäste nie erfahren" sollen, wie im Vorspann des 45-minütigen Films versprochen wurde. 

Deutsche Bahn kritisiert ZDF-Doku

Allerdings: In Wirklichkeit wussten die Protagonisten größtenteils nur Altbekanntes zu berichten, etwa dass Sparpreise nur für ein gewisses Kontingent an Fahrkarten oder nur für bestimmte Verbindungen zu haben sind. Dass es der Bahn dabei um eine gleichmäßige Auslastung der Züge geht, ist ebenfalls kein Geheimnis. 

Auch dass es in den Speisewagen schon seit Jahrzehnten keine frisch gekochten Mahlzeiten sondern lediglich erwärmtes Fertigessen gibt, dürfte kaum einen Bahnreisenden überraschen.

Ein weiteres Beispiel: Der Film kritisierte, dass es bei der Deutschen Bahn überfüllte Züge gebe, weil Fahrkarten ohne Sitzplatzreservierung verkauft werden. Dabei ist genau das von dem Unternehmen gewollt: "Wir verzichten bewusst auf eine Reservierungspflicht, damit unsere Fahrgäste flexibel reisen können", erklärte die Bahn nach Ausstrahlung des Films in einer Mitteilung. Überdies habe es im vergangenen Jahr nur bei 0,2 Prozent der Fernzüge eine Teilräumung wegen Überfüllung gegeben.

Eine weitere Ungereimtheit in der Doku betrifft das Thema Fahrgastrechte. Der Film suggerierte, dass Passagiere bei Verspätungen ein Papierformular einreichen müssen, um eine Erstattung zu beantragen. Dies ist seit längerer Zeit jedoch bereits nicht mehr der Fall – der Anspruch kann auch auf digitalem Weg geltend gemacht werden. Ein "Insider" behauptete, die Fahrgastrechte seien inzwischen so "hingedreht", "dass du wirklich fast gar kein Anrecht mehr auf irgendwas hast". Die Bahn entgegnete: "Wir entschädigen zum Beispiel auch bei 'normalem Unwetter' oder bei Tieren im Gleis. Nur wenn die Verspätung ausschließlich und zweifelsfrei auf einen Eingriff Dritter zurückzuführen ist, müssen wir nicht zahlen." Die Entschädigungssumme sei von 92,7 Millionen Euro im Jahr 2022 auf 132,8 Millionen Euro im Jahr 2023 gestiegen.

Auch in puncto Umweltschutz griffen "Die Insider" den Staatskonzern an: Die Deutsche Bahn sei für 2,4 Prozent aller Treibhausgasemissionen in Deutschland verantwortlich." "Das ZDF summiert die weltweiten Emissionen des DB-Konzerns", widersprach das weltweit agierende Unternehmen. "Die Emissionen der DB in Deutschland haben nur einen Anteil von 0,6 Prozent." Dass das größte Verkehrsunternehmen des Landes einen signifikanten Anteil an den Treibhausgasemissionen hat, dürfte unabhängig davon niemanden überraschen. Ein einordnender Vergleich zu anderen Verkehrsträgern wie Flugzeugen oder Autos fehlte in dem Film vollständig. Stattdessen der Vorwurf: Im Nahverkehr fahre die Bahn "vorwiegend" mit Diesel. Auch dies sei falsch, so das Unternehmen: "Im Nahverkehr fährt der weitaus überwiegende Teil der Züge elektrisch. Man denke nur an die großen S-Bahnnetze in Berlin, Frankfurt und Hamburg, die zu 100 Prozent elektrifiziert sind." Zumindest die Angaben zum Umweltschutz wurden in der neu in die ZDF-Mediathek hochgeladenen Version der "Insider" korrigiert.

ZDF überarbeitet "Die Insider"

Nicht nur inhaltlich übte die Bahn scharfe Kritik an der Sendung. Das Unternehmen warf dem ZDF zudem vor, den Film voreingenommen produziert zu haben und nicht ernsthaft an der Sicht der Bahn auf Dinge interessiert gewesen zu sein. "Die Drehs sind gelaufen, die Story steht – jetzt wird nur noch einer journalistischen Pflicht Genüge getan", kritisierte die Kommunikationsabteilung. "Ein paar Sätze unserer Antworten sind dann auch eingeblendet worden. Eine Reaktion auf die Aussagen in der Doku war ebenso wenig möglich wie ein Interview.

Das ZDF widersprach auf stern-Anfrage: "Im Vorfeld der Sendung wurde dem Unternehmen Gelegenheit zu einer ausführlichen Stellungnahme gegeben. In zwei Telefonaten wurde über den detaillierten Fragenkatalog gesprochen", teilte ein Sprecher mit. "Zu keinem Zeitpunkt wurde der Deutschen Bahn ein Interview verwehrt. Bedauerlicherweise waren die Antworten auf den Fragenkatalog sehr allgemein."

Nicht nur die Bahn ist unzufrieden mit der Qualität der Doku, auch in den sozialen Netzwerken äußerten Nutzerinnen und Nutzer Kritik, nannten den Film "irreführend", "reißerisch" oder "unsachlich". Sogar ein für das Format Interviewter ging auf Distanz zu der Sendung. Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, äußerte sich nach der Ausstrahlung: "Ich wünschte, ich hätte keinen O-Ton beigesteuert", schrieb er bei X, vormals Twitter. "45 Minuten jede Menge Halbwahrheiten, Banalitäten und Falschaussagen. Schade."

Die Bahn selbst gab an, mit fundierter Kritik umgehen zu können, "sofern mit offenem Visier gekämpft wird. Das war beim ZDF nicht der Fall, und das haben unsere Beschäftigten nicht verdient." Gleichzeitig räumte der Konzern ein: "Wir wissen, dass unsere Performance nicht so ist, wie die Fahrgäste es verdient haben." Der öffentlich-rechtliche Sender ging in seiner Antwort an stern auf die weiteren Kritikpunkte der Bahn nicht ein.

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