Es sind die Anfangsstunden von Thomas Gottschalk im deutschen Fernsehen. 1979 hatte er zum ersten Mal den Vorentscheid zum Eurovision Song Contest gemeinsam mit Carolin Reiber moderiert. Weil die Quoten gut waren, durfte der Radiomann des Bayerischen Rundfunks im Folgejahr noch einmal ran. Wieder mit der Grand Dame des BR, wieder in München. Doch am 20. März 1980 läuft nicht alles so glatt wie ein Jahr zuvor. Die Show "Ein Lied für Den Haag" endet im Chaos.
"Sie können sich vorstellen, was dieser Tusch bedeutet", sagt Thomas Gottschalk, nachdem alle zwölf Lieder zu hören waren. Costa Cordalis mit "Pan" und Katja Ebstein mit "Theater" lieferten sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen, jetzt scheint es entschieden. Carolin Reiber kommt mit Costa Cordalis auf die Bühne. "Frau Dr. Köhler meinte, schnappen Sie sich den Costa und kommen Sie auf die Bühne", sagt die Moderatorin aufgeregt. Doch Frau Dr. Köhler winkt ab. Sie ist diejenige, die im Hintergrund die Zuschaueranrufe zählt – und den beiden Moderatoren das Leben schwer macht.
Das Talent von Gottschalk blitzt auf
Längst hätte die Vorentscheid-Show zu Ende sein sollen. Doch das Ergebnis ist so knapp, dass besagte Frau Dr. Köhler zählt und zählt. Die Minuten vergehen, Reiber wird immer ungehaltener. Nur einer bleibt cool: Thomas Gottschalk. Er liefert einen ersten Vorgeschmack auf sein Fernsehtalent: Schlagfertig und spontan interviewt er zwei Hostessen, die für Den Haag als Gastgeberstadt des Eurovision Song Contest 1980 werben sollen. Ein Meisterstück an belanglosem, aber unterhaltsamen Zeit schinden.
Die "Meisje", wie Gottschalk sie nennt, werden von ihm zugetextet. Wo kommt ihr her? Redet man in Holland schon vom ESC? Wie weit ist es von Amsterdam nach Den Haag. Antwort: "Halbe Stunde." Da blitzt die Schlagfertigkeit Gottschalks zum ersten Mal auf: "Gibt's in Holland auch irgendwas, was nicht eine halbe Stunde entfernt ist?", parliert er. Fünf Minuten geht das so, während Cordalis und Reiber wie versteinert auf der Bühne stehen.
"Zwei Sekunden noch", ruft Frau Dr. Köhler den Moderatoren zu. Die machen sich erneut bereit für die Siegerehrung. Und wieder passiert minutenlang: nichts. "Das sind aber zwei lange Sekunden", entfährt es Reiber entnervt. Dann erneut der Tusch – und eine große Überraschung.
Mit 4828 Punkten überholt Katja Ebstein ihren Konkurrenten Costa Cordalis (4644 Punkte) knapp. Carolin Reiber holt die Siegerin auf die Bühne - dieses Mal die richtige. Das Duo Reiber / Gottschalk kehrte im Folgejahr nicht zurück. Doch auf diesen Thomas Gottschalk war man erneut aufmerksam geworden. Als "rasanten Aufsteiger" betitelte die "Süddeutsche Zeitung" das junge Talent damals. Sie sollte Recht behalten.