"ZDF Magazin Royale" "Türkise Autokratie?": Jan Böhmermann zerlegt Österreich-Kanzler Sebastian Kurz

Jan Böhmermann im "ZDF Magazin Royale"
Jan Böhmermann im "ZDF Magazin Royale"
© Jens Koch / ZDF
Während der Corona-Pandemie titelten einige deutsche Zeitungen über Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz und meinten, "So einen brauchen wir auch". Grund genug für Jan Böhmermann, sich mit Kurz genauer auseinanderzusetzen.

In der letzten Ausgabe seiner Satire-Sendung "ZDF Magazin Royale" vor der Sommerpause hat sich Jan Böhmermann Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz vorgenommen. Den Mann, über den die "Bild"-Zeitung zu Beginn der Corona-Pandemie schrieb: "So einen brauchen wir auch."  

Jan Böhmermann zerlegt Sebastian Kurz' Machenschaften

Der Satiriker zerlegt Kurz' Führungsstil und seine Absichten systematisch. So systematisch, wie Kurz laut Böhmermann die vier wichtigsten Teile einer Demokratie unter seine Kontrolle zu bringen scheint: die Regierung, die Medien, das Parlament und die Justiz.

Die Regierung soll der "Teenager mit Bausparvertrag gefangen im Körper eines haargelsüchtigen Kindes" gewonnen haben, indem er seine Partei, die ÖVP, ganz auf sich ausrichtete, sagt Böhmermann. Er veränderte nicht nur die Farbe der Partei in Türkis. "Ein türkises Netzwerk aus Freunden umgibt den Bundeskanzler. Eine türkise Familie", imitiert Böhmermann mit Don-Corleone-Zungenschlag. "Das ist eine treu ergebene Gefolgschaft, die nur für einen arbeitet: Bundeskanzler Kurz", sagt er. So habe Kurz die Regierung unter Kontrolle. "Das erste To Do im Autokraten-DIY: Check", resümiert der Satiriker. 

Kronen-Zeitung, Strache und Benko

Und er ruft außerdem in Erinnerung, mit wem Kurz koalierte: FPÖ-Politiker Heinz-Christian Strache. "Ein größenwahnsinniger Zahntechniker, der sich fotografieren ließ, wie er den Hitlergruß zeigte", so Böhmermann, "ein Stehpinkler, den man getrost 'Ex-Neonazi' nennen darf." Der Mann, der in dem Ibiza-Skandal-Video darüber sinnierte, wie man die größte Zeitung des Landes, "Die Krone", übernehmen könnte und damit Österreich in eine Regierungskrise stürzte. 

Eng vertraut ist Kurz auch mit Investor und Unternehmer René Benko, den sich Böhmermann in seinem Beitrag genauer anguckt. Als der nämlich das Leiner-Haus in Wien kaufen wollte, soll ihm Kurz geholfen haben. "Das Haus war eigentlich 95 Millionen Euro wert, aber René Benko wollte lieber nur 60 zahlen. (...) Also hat Bundeskanzler Sebastian Kurz persönlich dafür gesorgt, dass ein leitender Beamter früher aus dem Weihnachtsurlaub zurückkommt, um den ganzen Papierkram zack, zack, zack, bisschen schnell zu erledigen", erklärt Böhmermann.

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"Als Bundeskanzler ist es immer praktisch, wenn einem ein glücklicher Milliardär einen Gefallen schuldet", resümiert er und verweist auf eine Schlagzeile aus "Die Presse" von 2018: "Immobilieninvestor Benko kauft sich bei 'Krone' und 'Kurier' ein." "Das ist doch das, was sich Strache auf Ibiza im Sangria-Sekundenschlaf erträumt hat", so Böhmermann.

Novomatic und Sobotka

Der nächste Schritt in Böhmermanns "Autokraten-DIY" ist Punkt drei, das Parlament. Ein aktuell ins Leben gerufener Untersuchungsausschuss ist problematisch für Bundeskanzler Kurz.

Genauer geht es um den Glücksspielkonzern Novomatic und den Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka. Sobotka soll von Novomatic Geld bekommen haben, leitet jetzt aber den Ausschuss in der Affäre und forderte kürzlich die Abschaffung der Wahrheitspflicht im Untersuchungsausschuss.

Der ehemalige österreichische Vizekanzler Heinz-Christian Strache spricht in einer Villa auf Ibiza mit der angeblichen Nichte eines russischen Oligarchen über Parteispenden, die Übernahme der Kronen Zeitung und die Vergabe von Staatsaufträgen.
Der ehemalige österreichische Vizekanzler Heinz-Christian Strache spricht in einer Villa auf Ibiza mit der angeblichen Nichte eines russischen Oligarchen über Parteispenden, die Übernahme der Kronen Zeitung und die Vergabe von Staatsaufträgen.
© SPIEGEL / Süddeutsche Zeitung / weitere
Dieses Video hat die österreichische Staatskrise ausgelöst und Strache zu Fall gebracht
© SPIEGEL / Süddeutsche Zeitung

Finanzminister Blümel

Der letzte Schritt in Böhmermanns DIY bezieht sich auf die Justiz und hier auf Finanzminister Gernot Blümel. Der war Hauptakteur in der sogenannten "Schredder-Affäre", als er im Zuge des Korruptionsverdachts im Ibiza-Untersuchungsausschuss behauptete, er könne sich nicht daran erinnern, einen Dienstlaptop gehabt zu haben. Später wurde der Laptop gefunden, als Blümels Frau ihn im Kinderwagen spazieren fuhr. "Kann das sein, gaslightet der kleine, liebe Bundeskanzler Sebastian Kurz die Republik Österreich von einer liberalen Demokratie in eine türkise Autokratie?", suggeriert Böhmermann.

Keine seiner Enthüllungen war bislang unbekannt oder exklusiv. Und doch deutete der Satiriker an, dass er noch mehr im Köcher haben könnte. "Vater, wir beten heute für die Republik Österreich. Für die Weisheit und die Kraft, die du ihr gegeben hast. Wir beten und wir danken dir für die 2500 Dick-Pics, die du uns geschenkt hast. Ich wusste gar nicht, dass es überhaupt so viele Penisse gibt. Und danke für die 300.000 türkisen Chats, von denen wir erst einen Bruchteil ausgewertet haben und hatten jetzt schon so viel Fun. Und wir beten für den Kurz Sebastian und dafür – er ist ja noch so jung – dass er doch nochmal zur Uni geht oder ein Jahr auf Bali einlegt oder komplett umschult zum Investmentbanker, Altenpfleger oder TikTok-Influencer, Hauptsache, nichts mit Menschen, ganz weit weg von Verantwortung für eine stolze, demokratische Republik wie Österreich", schloss er seinen Beitrag in einem satirischen Gebet am Ende ab.

ls

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