"Tatort"-Kritik Old Ehrlicher reitet davon

  • von Kathrin Buchner
Die Schauspieler Bernd Michael Lade (l, als Hauptkommissar Kain), Martin Brambach und Peter Sodann (r,  als Hauptkommissar Bruno Ehrlicher bei Dreharbeiten zur "Tatort"-Folge "Die Falle"
Die Schauspieler Bernd Michael Lade (l, als Hauptkommissar Kain), Martin Brambach und Peter Sodann (r,  als Hauptkommissar Bruno Ehrlicher bei Dreharbeiten zur "Tatort"-Folge "Die Falle"
© Arno Burgi/DPA-Zentralbild / DPA
Eine Krimi-Ära ist zu Ende: Die einzigen Ost-"Tatort"-Kommissare Ehrlicher und Kain sind abgetreten. Das Muffel-Duo hatte zum Abschied mit "Die Falle" ihren schwersten, aber auch sinnlichsten Fall zu lösen: den Tod einer schönen jungen Frau. Am Ende gewinnen beide: Ehrlicher Ruhe, Kain Liebe.

Hinweis: Wegen des Todes von Schauspieler Peter Sodann ändert die ARD ihr Programm und zeigt den letzten "Tatort" mit ihm als Kommissar Ehrlicher am heutigen Sonntag, 7.4.2024, ab 23.35 Uhr. Deswegen veröffentlichen wir unsere "Tatort"-Kritik von 12. November 2007 erneut.

 

Da reitet er davon mit seinem neuen Sohn, und der Alte sieht ihnen nach und sagt: "Vielleicht wird es doch ein guter Anfang". Das Nachsehen haben mal wieder wir Zuschauer, die sich fragen: "Ist jetzt alles gut oder nicht? Wird Kommissar Kain (Bernd Michael Lade), der so lange nach einer Frau gesucht hat, mit Eva glücklich oder muss sie hinter Gittern schmoren? Und was macht Ehrlicher als Rentner?"

Dabei hätte es so schön sein können: Gerechtigkeit siegt über Recht. Der Polizeibeamte im moralischen Konflikt zwischen dienstlicher Verpflichtung und persönlicher Leidenschaft. Die Geschichte dazu? Banal, alltäglich, aber sexy, so sexy und sinnlich inszeniert wie selten in einem der Ost-"Tatorte" - mit rührender Romantik, tieftragischen Konflikten und schnellen Schnitten.

Letzter Leipzig-"Tatort" mit Peter Sodann

So erlebten wir Zuschauer in diesem letzten Leipzig-"Tatort" mit Peter Sodann als Hauptkommissar Ehrlicher noch mal eine klare Einteilung der Welt in schwarz und weiß, in gut und böse: Skrupellose Geschäftsleute, die den kleinen Leuten das Geld aus der Tasche ziehen. Eine schöne Frau, die sich umbringt, weil sie genug hat von den Demütigungen gieriger Banker, nachdem sich ihr Mann nach Indien abgesetzt hat - auf der Suche nach Erleuchtung, die er offensichtlich nicht bekommen hat. Warum er sich aus der Verantwortung für Frau und Kind gestohlen hat, kann er nicht sagen. Überhaupt bleiben viele offene Fragen, wenn Ehrlicher die Bordell-Chefin fragt, warum sie die Not der Gläubigerinnen ausnutze, sie sei doch selbst eine Frau.

Ein wenig hänebüchen ist es allerdings schon, das Drehbuch von Hans-Werner Honert, der auch den allerersten Ehrlicher-Tatort vor 15 Jahren geschrieben hat. Frauen, die ihre Kredite nicht tilgen können, müssen im Puff ihre Schulden abarbeiten. Und ausgerechnet Kains neue Flamme steht auch tief in der Schuld des Immobilienhaies, der sie erpresst und den sie die Treppe hinunter stößt, als er sie vergewaltigen will.

Kitsch und Pathos im Gerechtigkeitsgewand

Immerhin taugt die Geschichte perfekt für Hauptkommissar Ehrlicher, der so frei agieren konnte wie nie "die Rente werden sie mir schon nicht streichen". Der muffelige Rebell, der sich noch nie um Vorschriften und Konventionen geschert hat, darf noch mal seine ganze Wut rauslassen gegen aalglatte Immobilienhaie und die mit allen Wassern gewaschene Business-Frau "kalt wie Hundeschnauze". Und gipfelt in der Steilvorlage für Ehrlicher, der durch das Unter-den-Tisch-kehren der Tat noch mal seine ganze moralische Größe zeigen darf, der als gnädiger Großinquisitor seinen großen Auftritt in der schnieken Villa des Ermordeten hat, der Sätze hören darf von Kain wie "entschuldige, ich habe dir nicht vertraut" und Sätze sagen darf wie "sollen wir dem Richter die Entscheidung über Recht und Gerechtigkeit überlassen?"

Und so treten die beiden kantigen Haudegen in Würde ab, nach fünfzehn Jahren, hoch zu Ross wie Old Shatterhand und Winnetou, immer für die Gerechtigkeit kämpfend, nach einem Fall, der schmeckt wie Ehrlicher Lieblingsspeise: Schwarzbrot mit Mett und Essiggurken, bodenständig, herzhaft und ein wenig moralin-sauer. Und wir Zuschauer werden keine klare Antwort mehr bekommen - ob das Gerechtigkeitsempfinden von Kains Zukünftiger sie hinter Gitter bringen wird. Mögen Eva, Kain und Felix glücklich leben bis ans Ende ihrer Tage. Uns bleibt die Hoffnung: dass die "Tatort"-Folgen aus Leipzig demnächst ein wenig beschwingter, leichter und nicht ganz so knarzig sein werden.

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