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TV-Kritik "Hart aber fair" Bolz-Begeisterung und Bengalo-Bashing

Wie kann man Fan-Gewalt bekämpfen? TV-Moderator Frank Plasberg musste feststellen: Dem deutschen Fußball ist momentan wohl nicht zu helfen. Und dann zündete ein Gast auch noch Bengalo-Feuer.
Von Sophie Lübbert

Johannes B. Kerner hat genug vom Reden, er will es allen zeigen und deshalb zündet er jetzt ein Bengalo-Feuer an. Vorsichtig nimmt er das unscheinbare kleine braune Röllchen in die Hand, mit der anderen entzündet er ein Streichholz. Es klappt erst beim zweiten Versuch, aber dann hält er die Flamme an die Zündschnur. "Dauert 'n bisschen, bis da der Dampf rauskommt", erklärt er fachmännisch. Dann hält er das Röllchen an eine bunt angezogene Puppe: "Drei Sekunden nur, dann steht das Kind in Flammen", verspricht er. Kurz darauf lodert ein helles Feuer auf und Kerner lächelt zufrieden. So hat er sich das vorgestellt mit dem ganz großen Drama.

Darum geht es schließlich an diesem Abend: um ein Drama. Ereignet hat es sich in am vergangenen Dienstag, beim Relegations-Spiel zwischen Hertha BSC und Fortuna Düsseldorf. Bengalo-werfende Fans, den Platz stürmende Anhänger, Spielunterbrechung, schließlich Herthas Klage vor dem Sportgericht und nach dem Urteil zugunsten von Fortuna dann Berufung. Was sind das für Fans, die den Fußball kaputt machen? Wo ist der Sportsgeist geblieben, der Spaß am Spiel? Das möchte Frank Plasberg in seiner Sendung besprechen, er hat sich das Thema "Gewaltige Leidenschaft: Wer schützt den Fussball vor seinen Fans?" ausgesucht und die passenden Gäste eingeladen.

Die sind sich alle einig: Es ist schlecht, ein Bengalo-Feuer im Stadion abzubrennen. Man muss etwas gegen die gewaltbereiten Fans tun. Es soll nie wieder zu Ausschreitungen wie in Düsseldorf oder beim Köln-Bayern-Spiel eine Woche davor kommen. Etwas Anderes dürfte auch kaum zu vertreten sein.

Plasberg liefert eine Anleitung zum Einschmuggeln

Aber sie sind sich allesamt nicht über die Ursache dieses Problems einig. Sind die Vereine schuld, die den Ultras spezielle Rechte einräumen, damit sie dafür im Gegenzug Stimmung machen? Ist es die Polizei, die nicht gewissenhaft genug kontrolliert? Sind es die Gerichte, die zu langsam über solche Delikte verhandeln? Ist es ein gesellschaftliches Problem, die Weiterentwicklung der Jugendproteste in England und Frankreich? Oder ist es gar Frank Plasberg, der im Einspieler eine genaue Anleitung zum Einschmuggeln von Pyrotechnik liefert?

Vermutlich von allem etwas – aber hier gehen die Meinungen stark auseinander. Jeder Gast will seine eigene Klientel und sich selbst gern schützen vor Anschuldigungen. DFL-Präsident Reinhard Rauball findet: die Vereine geben sich Mühe, daran liegt es nicht.

Hauptkommissar Frank Richter glaubt: die Vereine kümmern sich mehr darum, "wie die Getränkekarte in der VIP-Lounge aussieht" als dass die Fans sich benehmen. Der Düsseldorfer Fan-Vertreter Dirk Bierholz meint: die Polizei trägt Mitschuld, weil sie schnell Pfefferspray einsetze, während die Fans Bengalos doch nur als "Stilmittel" sähen. BVB-Fan Katja Winkelmann erklärt: kontrolliert werde am Eingang eher flüchtig wegen des großen Andrangs. Oliver Pocher sagt: fast nichts. Und Johannes B. Kerner: mag härtere Strafen, mehr Kontrollen und großes Drama. Deshalb zündet er vor dem Studio eine Puppe an, um zu zeigen, wie verheerend ein Bengalo wirken kann und wohl auch, um ein bisschen Drama zu inszenieren.

Einen kleinen Hoffnungsschimmer gibt es

Und genau hier kommt dann die eigentliche Tragik des Themas zum Vorschein: denn je mehr Dramatik herrscht, desto aufgeheizter ist die Stimmung. Alle sehen das Problem, aber niemand will Schuld sein an dieser Katastrophe. Und deshalb kann es auch keine Lösung geben. Die Gäste sind sich ja nicht einmal einig, gegen wen oder was man wie kämpfen muss.

Dialog, schlägt Fortuna-Mann Bierholz vor. Bessere Rechtsverfahren, sagt DFL-Rauball. Ausschluss der gewalttätigen Ultras, findet Polizist Richter. Stehplätze behalten, wünscht sich BVB-Vertreterin Winkelmann. Es wird alles noch viel schlimmer, unkt Plasberg. Er hat einen Einspieler vorbereitet, in dem ein polnischer Hooligan erklärt, er freue sich auf die EM, um Deutsche zu verprügeln.

Es ist ein ziemlich düsteres Bild, das die Runde da am Abend von der Spielkultur im Land (und in Polen) zeichnet. Und die Diskussion darüber, wie es besser werden soll, zeigt nur, wie schlimm es momentan ist. Beinahe könnte man zwischen all diesen Fronten die Lust am Fussball verlieren – wäre da nicht ein kleiner Hoffnungsschimmer.

Denn zum Abschluss spielt Plasberg ein Youtube-Video ein: ein argentinischer Fan schaut sich das Spiel seiner Mannschaft an. Der ältere Herr ist kurz vorm Herzinfarkt, er beschimpft das TV-Gerät, schlägt sich auf die Schenkel, nimmt Beruhigungstabletten. Und wenn man ihn sieht, wie er leidet, dann weiss man plötzlich wieder, worum es beim Fussball geht: um die Freude am spielerischen Drama.

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