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"Hart aber fair" Trotz Boris Palmer und AfD-Mann Guido Reil: Plasbergs-Populismus-Talk zündet nicht

Wie viel Populismus verträgt die Politik? Über diese Frage diskutierte die Gäste bei "Hart aber fair"
Wie viel Populismus verträgt die Politik? Über diese Frage diskutierte die Gäste bei "Hart aber fair"
© WDR/Oliver Ziebe
Boris Palmer, AfD-Mann Guido Reil und Kevin Kühnert: Die Gästeliste von Frank Plasberg zum Thema "Wie viel Populismus verträgt die Politik?" versprach jede Menge Zündstoff. Dass es am Ende doch ein recht gesitteter Abend wurde, lag nicht nur an einer krankheitsbedingten Absage.
Von Andrea Zschocher

Der Populismus ist ein Zeichen von Mangel, so behaupteten es Moderator Frank Plasberg und Journalist Ralf Schuler bei "Hart aber fair". Die Sendung kreiste um die Frage, wie viel Populismus die Politik in Deutschland und Europa verträgt?

Die Antwort von "Bild"-Mann Schuler: "Populismus ist die Grundzutat jeder Politik und gehört in die Mitte der Gesellschaft und nicht an den Rand." Etwas, das auch Boris Palmer befürwortete. Für ihn, der gerade einen Shitstorm wegen seiner Facebook-Einlassung gegen einen Werbespot der Deutsche Bahn erlebt hatte, ist es wichtig, die viel besprochenen Sorgen der Bürger ernst zu nehmen. Er habe in den letzten Wochen gelernt, dass gesellschaftspolitische Fragen auch schnell rassistisch ausgelegt werden können. So werde, laut Palmer, eine Gesellschaft gespalten und Wähler in Richtung AfD gedrängt.

Der Politologe Peter Filzmaier riet dringend davon ab, für komplexe Themen einfache Slogans zu finden. Bei einfachen Slogans fehlte natürlich auch die AfD nicht. Guido Reil wurde nicht müde immer wieder zu betonen, wie sehr seine Partei inzwischen "die Mitte der Gesellschaft" abbilden würde. Plasberg widersprach und befand diese Aussage schlicht als "Blödsinn". Denn auch wenn die AfD in den Bundestag gewählt wurde und in der Europapolitik stärker mitmischen will, die Mitte der Gesellschaft seien nicht 15 Prozent der Wähler. 

Zu Gast bei "Hart aber fair" waren:

Isabel Schayani, Moderatorin "Weltspiegel" ; Leiterin der Redaktion "WDRforyou"

Guido Reil, AfD, Mitglied im Bundesvorstand, kandidiert für das Europaparlament, war mehr als 25 Jahre lang SPD-Mitglied

Boris Palmer, B‘90/Grüne, Oberbürgermeister von Tübingen

Peter Filzmaier, Österreichischer Politik- und Kommunikationswissenschaftler; Professor für Demokratiestudien und Politikforschung an der Donau-Universität Krems

Ralf Schuler, Buchautor "Lasst uns Populisten sein. Zehn Thesen für eine neue Streitkultur"; Chefkorrespondent im Parlamentsbüro der "Bild"-Zeitung

Einfache Lösungen für schwierige Probleme

Populismus gibt es von rechts und links, er zeichnet sich laut Filzmaier durch zwei wesentliche Aspekte aus. Zum einen werden komplexe Themen vereinfacht erklärt und auf die Spitze getrieben. Zum anderen werden für diese Themen dann einfache Lösungen angeboten, die vermeintlich das Problem beheben. Während Boris Palmer im verordneten Kurztest zum Schluss kommt, er sei kein Populist, laviert Reil um diese Frage herum, gibt dann aber zu, dass es normal sei, "dass Dinge vereinfacht werden und etwas derber ausgedrückt".

Und ja, die AfD vereinfacht komplexe Themen, bietet vermeintlich schnelle, einfache Lösungen, das wurde auch an diesem Abend wieder deutlich. Guido Reil machte daraus aber kein Geheimnis. Er gab sich leutselig als jemand aus dem Volk, und das nahm man ihm ab. Problematisch bloß, dass die AfD zum Sammelbecken für Menschen aller populistischen Couleur geworden ist. Und wer Guido Reil sagt, eben auch automatisch Björn Höcke sagt.

Um die Frage, ob die AfD oder nur Guido Reil rassistische Ansichten hat, kreiste der gesamte Abend. Reil selbst sparte nicht mit populistischen Aussagen, etwa der, dass "zu viele zu uns gekommen sind" und angeblich 96 Prozent der Geflüchteten nicht arbeiten würden. Diese Aussagen seien allerdings auch rassistisch, erklärte Schayani. An dieser Stelle brach Plasberg die Diskussion dann ab. Dabei wäre es doch genau hier spannend geworden.

Im Vorfeld zur Sendung lief in der ARD eine Dokumentation über Europas Rechtspopulisten, in der auch Reil mehrfach zu Wort kam. Es sei wahrscheinlich, so Plasberg, dass Reil für seine Partei ins Europaparlament einziehen werde. Auf die Frage, wie er die Diäten, die er dafür bekommt, denn rechtfertigt, wenn er das europäische Parlament "antidemokratisch" findet, hatte Reil keine Antwort. Beim Wahlkampfauftakt im April hatte er gesagt: "Dieses Parlament hat fertig. Die sind so überflüssig wie ein Pickel am Arsch."

Stattdessen schwadronierte er darüber, dass er ja Handwerker sei und die AfD die Partei der normalen Leute. Palmers Einwurf, dass gerade die AfD die meisten Akademiker innerhalb einer Partei vorweisen kann, ließ der Mann aus Essen unkommentiert. Weil das eben nicht in seine Argumentationslinie passte.

Weitere Themen des Abends:

  • Das Ergebnis der Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung, nach deren Auswertung 21 Prozent der Deutschen rechtspopulistisch sein sollen, sowie die fragwürdigen Fragestellungen innerhalb der Studie
  • Die "DNA des Ruhrgebiets" und wieso Guido Reil sich überhaupt der AfD zugewandt hat
  • Der Skandal um Boris Palmer und seine Äußerung zur Bahnwerbung
  • Wehrhafte Zivilgesellschaft oder unfaire Ausgrenzung – über den Umgang mit der AfD
  • Kevin Kühnert war eigentlich als Gast geladen, musste krankheitsbedingt aber kurzfristig absagen

Fazit

Der Talk zeigte deutlich, wie wichtig der Dialog ist. Nicht nur, um einander zu überzeugen, sondern auch um einfache Wahrheiten und Lösungen zu hinterfragen. Den Populismus verhindern können auch Talkshows nicht. Aber aufklären und einordnen, damit Menschen sich stärker mit ihren (Wahl-)Entscheidungen beschäftigen.

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