Weltrekordauftritt Das Phänomen Mario Barth

Von Alexander Kühn
An diesem Samstag werden 70.000 Menschen ins Berliner Olympiastadion pilgern - nur weil der Comedian Mario Barth dort ein paar Witze über Männer und Frauen zum Besten gibt. Das mag vielen unbegreiflich sein. Auf jeden Fall ist es Weltrekord.

Det is jetz 'ne wahre Jeschichte, verstehste, 'ne wahre Jeschichte. Der Mario Barth macht jetzt das Olympiastadion voll, am Samstagabend in Berlin, und das ist Weltrekord.

Sein Management hat gerade eine Liste der Superlative verschickt. Eine Woche lang wird im Stadion aufgebaut, rund um die Uhr. 100 Lkw karren die Technik heran, 50 Kilometer Kabel werden verlegt, 600 Tonnen Stahl verbaut. 550 Scheinwerfer sollen das abendliche Berlin erhellen. Auf sechs Videowänden wird das Spektakel für die hintersten Reihen sichtbar, 20 Kameras nehmen die Show auf, RTL will sie im Herbst ausstrahlen. Gigantisch, wa?

Barth wird wie immer Geschichten erzählen vom Zusammenleben mit seiner Freundin, "det is wirklich passiert, verstehste". Die Freundin ist so, wie Frauen halt sind, sie geht gern shoppen, telefoniert endlos und fühlt sich gern zu dick, "kennste, oder?".

Sound einer hängenden Langspielplatte

Barth wird berlinern, so derb, wie keiner mehr öffentlich berlinert hat, seit Juhnke und Pfitze tot sind. Eine Hand am Mikro, den andern Arm als Ruder. Kurze Läufe über die Bühne, links, rechts, links, rechts. In die Knie, Schweiß abtupfen und ganz arg über seine eigenen Witze lachen, vorgetragen im Sound einer hängenden Langspielplatte: "Det ist janz einfach. Janz einfach. Janz einfach, verstehste."

Also alles wie immer, wenn Barth auftritt. Nur kommen diesmal 70.000 Leute. Und Barth kommt ins Guinness-Buch. Den bisherigen Rekord in der Disziplin Ein-einziger-Comedian-lockt-Menschenmassen-an hält der Amerikaner Chris Rock, der brachte es in London auf 15.000 Zuschauer.

Klar, Rüdiger Hoffmann ist schon vor 80.000 Leuten aufgetreten, allerdings waren die wegen der Rolling Stones gekommen, er war nur Vorprogramm. Und Michael Mittermeier durfte einmal den Aufwärmer für U2 machen.

Jeder kann mitreden

Aber die Leute am Samstag, man mag da noch so kopfschütteln, haben ihre Tickets tatsächlich und ausschließlich wegen Barth gekauft. Der ebenso tatsächlich und ausschließlich Witze über Männer und Frauen zum Besten geben wird, eine Disziplin, in der sich so ziemlich jeder schon erprobt hat, von Karl Valentin über Heinz Erhardt und Fips Asmussen bis Loriot, auf unterschiedlichstem Niveau. Weil sich von dem Thema jeder angesprochen fühlt, weil jeder mitreden kann und mitlachen. Zumindest, solange es Männer und Frauen gibt.

Wer bei Barth im Publikum sitzt, sieht sich umzingelt von Männern, die ihrer Frau den Ellbogen in die Seite rammen: "Siehst du, siehst du!" Und von Frauen, die permanent kreischen: "Wie bei uns, wie bei uns!" Barth fordert einen nicht heraus, wie es Josef Hader, Volker Pispers oder Georg Schramm tun. Die Zuschauer sollen nicht ihr eigenes Dasein reflektieren. Es geht nur um Bestätigung, ja genau, so isses.

Genau, so isses

Wahrscheinlich kann man Barth nur lustig findet, wenn man nicht zu viel darüber nachdenkt. Würde er seine Gags fein spinnen, mit zweiter Ebene, Wortakrobatik und Gehirnachterbahn, kämen mit Glück vielleicht zweitausend Leute. Niveau ist Luxus, am Samstag kommt es nur auf Masse an. Barth ist nicht Kleinkunst. Barth ist Bierzelt.

Kurzer Rundruf bei Deutschlands Spaßmachern. Jürgen von der Lippe sagt: "Der Auftritt im Olympia-Stadion ist für die deutsche Comedy ein Meilenstein." Hella von Sinnen schwärmt: "Was der in Berlin vorhat, ist gigantisch. Der Mario ist zurzeit der größte Rockstar in der Szene." Nur Karl Dall, gerade auf Urlaub in Kanada weilend, gibt sich unbeeindruckt: "Das Olympia-Stadion haben vor 70 Jahren schon ganz andere Leute voll gekriegt."

PRODUKTE & TIPPS