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Boris Becker Der Selbst-Verkäufer

Um Liebe ging es auch, aber als Boris Becker seine zweite Ehe schloss, nutzte er die Gelegenheit zur Eigenvermarktung. Denn der Unternehmer Becker hat eigentlich nur ein Produkt anzubieten: sich selbst.
Von Felix Hutt und Jochen Siemens

Es gibt Momente, da ist er ganz eins mit sich selbst. Da sagt er nichts, schaut ein wenig grimmig, und etwas Eisernes überzieht sein Gesicht. Neulich im Mai, am Muttertag, war wieder so ein Moment. Der Telekom Dome in Bonn ist halb gefüllt, das Publikum älter, die Männer haben sich ihre V-Pullover um die Schultern gelegt, die Frauen tragen diese großen Brillen mit tiefergelegten Bügeln. Die leeren Sitzreihen reflektieren ein grelles Magenta in die Halle, als er, ganz in Schwarz, hereinkommt und kurz den Arm hebt. Ein paar Digitalkameras blitzen, und eine ältere Frau ruft: "Bobbele, nun lach doch mal!" Macht er nicht, hat er früher auch nicht gemacht.

Ja, früher. In seinen besten Jahren konnte Boris Becker bei jedem verlorenen Punkt vor Wut in den Schläger beißen. Hier in der Halle in Bonn haben sie eine kaum sichtbare Anzeigetafel für die Punkte. Hier geht es eigentlich um nichts, wenn Becker mit Tennisveteran Henri Leconte ein paar Bälle über das Netz schlägt. Becker selbst spielt das immer noch gekonnt, wenn auch etwas klumpig. Wenn er läuft, ist das wie in Zeitlupe, und man sieht unter seinem Shirt ein paar Pfunde wabbeln.

Dorfzirkusnummern

Nur sein eisernes Gesicht ist wie früher, und man ahnt, dass er dahinter leidet. Vielleicht, weil er weiß, dass es hier nur um Nostalgie geht. Weil er weiß, dass sie die Becker-Faust und den Hechtsprung sehen wollen. Aber der Becker-Hecht macht ihm hinterher oft Schmerzen. Den bringt er nur, wenn er unbedingt muss und wenn mindestens Millionen zuschauen, wie neulich bei "Wetten, dass..?", als er sich träge durch ein großes brennendes Herz plumpsen ließ. Man fragte sich, ob ihm solche Dorfzirkusnummern eigentlich Spaß machen.

Der Verdacht ist, dass sie ihm Spaß machen müssen. Boris Becker ist ein Mann mit einer großen Vergangenheit, von der er lebt. Er muss immer wieder auf einen Tennisplatz, um immer mal wieder an der Quelle seines Ruhmes und seines Geldes zu stehen, auch wenn sie fast versiegt ist.

Boris Becker, 41, der mit seiner "Boris Becker & Friends"-Tour für jeden Auftritt zwischen 40.000 und 60.000 Euro kassiert, sieht das weniger sportlich als unternehmerisch. Unternehmer, ja, wenn er das Wort hört, lacht er von seinen 1,91 Metern herunter, das gefällt ihm. Nach Bonn ist er damals mit seiner künftigen Frau gekommen. Während er spielt, schreitet sie mit Leopardenmusterschal und in einer wahrscheinlich teuren Duftwolke durch die leeren Sitzreihen, dicht gefolgt von einer RTL-Kamera und einer Reporterin.

Die zweite Becker-Gattin

Lilly Kerssenberg, Niederländerin und ehemalige Langzeitfreundin Beckers. Dann kurz mit einer SMS von Becker aus der Liebe entlassen und nach seiner kurzen Verlobung mit Sandy Meyer-Wölden wieder eingestellt. Diesmal als Becker-Gattin Nummer zwei.

Es war natürlich nicht einfach eine Hochzeit, sondern ein Medienereignis, weil Becker auch mit einem Jawort immer mehr mitteilen will. "Ich will der Welt damit auch zeigen, dass es mir wieder gut geht und ich meine Krisen gemeistert habe", sagt er. Andere heiraten, weil sie sich lieben, für Becker war die Hochzeit im "Badrutt's Palace Hotel" in St. Moritz eine Produktpräsentation seiner selbst. Hello again.

Über die Hochzeit in St. Moritz hat Becker im Vorfeld nicht en detail geredet, weil er die TV-Rechte, ganz Unternehmer, an RTL verkauft hatte und die Fotorechte an das Klatschblatt "OK!". Die Honorare, das soll gesagt sein, wandern aber nicht auf Beckers Konto, sondern in die "Cleven- Becker-Stiftung", die er mit seinem Partner Hans-Dieter Cleven in der Schweiz betreibt und die unter anderem Schulen mit Sportgeräten ausstattet.

Gegenoffensive im eigenen Kanal

Unternommen hat Boris Becker in diesem Jahr noch etwas anderes: das Boris-Becker.TV im Internet. Auf der Website sind mehr als 30 private Filmchen aus seinem Alltag zu sehen. Es hat den Charme, aber eben auch die Lächerlichkeit früherer Super-8-Filme, wenn Becker an einem Skilift in Kitzbühel berichtet, dass man sich nun Skipässe kaufen wolle. Dann wieder fährt er mit seinem Sohn Noah zu einem Basketballtraining und zeigt ihm die Finessen der Manndeckung. Lilly Kerssenberg berichtet in die Kamera, wie Becker sie nach dem ersten Date auf die Stirn küsste, und sie zeigt, wie sie die Unterschrift "Becker" übt. Fragt man Becker nach dem unternehmerischen Sinn des Big-Brother-Becker-Portals, kann er, wie immer, schön weit ausholen: "Ich bin mal wieder Vorreiter in dieser Sache. Nachdem die Medien mich oft verfälscht darstellen, gehe ich nun in eine Art kontrollierte Gegenoffensive und kann vieles richtigstellen."

Immerhin, mit seinem Geschäftspartner Peter Lauterbach sei er schon in Gesprächen mit anderen "berühmten Menschen", die sich vielleicht auch so darstellen wollen. Verona Pooth? Olli Kahn? "Namen verraten wir natürlich nicht", so Lauterbach. Der Formel-1-Moderator bei Premiere und Geschäftsführer einer Internet-TV-Firma in Unterföhring kennt Becker schon lange und ist nach vielen wechselnden Beratern nun der Mann an BBs Seite. "Ich habe wieder einen Partner auf Augenhöhe", sagt Becker.

Auf Boris-Becker.TV fährt Becker in einem neuen Film zum Nürburgring, dessen "Markenbotschafter" er neuerdings ist. Nach einer eiligen Visite an der Baustelle eines Spaßparks heißt es: "Es war ein langer Tag, und nun kann Boris wieder Richtung Lilly jetten."

Becker verkauft Privates

Der Prominente Boris Becker ist ein ganz besonderes Exemplar der deutschen Berühmten-Population. Während die meisten Sänger, Schauspieler, Köche oder Sportler auf TV-Bühnen und in Talkshows ein Buch hochhalten, einen Film oder eine CD bewerben und sich übers Private meist schmal äußern, ist es bei Becker genau umgekehrt. Er verkauft hauptsächlich Privates.

Vor sechs Jahren veröffentlichte er ein Buch über sich selbst, dann eines über die Erziehung seiner Kinder. Zeitschriftenredaktionen bot er in großen Abständen Fotos über sein Familienleben oder seine Kinder an. Und über seine Kurzverlobung mit Sandy Meyer-Wölden sprach Becker gefühlt mehr in der Presse als mit der Verlobten selbst. Seine geplante Hochzeit gab er damals bei Thomas Gottschalk mit einer Bedeutungsschwere bekannt, als würden sich Opel und Porsche vermählen. "Ich stehe in der Zeitung, also bin ich", spottete einmal selbst die "Bunte".

Eitelkeit? Selbstüberschätzung? Zum Teil. Die Nachricht von seiner geplanten Ehe sei doch sogar im südamerikanischen Radio gewesen, sagt Becker. Und angesprochen auf seine Werbetätigkeit für König Pilsener kam ungeniert aus ihm heraus: "Natürlich fallen einem bei König gewisse Wortspiele in Verbindung mit meinem Namen ein." Wer Becker besser kennt, hat die Sätze vom "berühmtesten Deutschen im Ausland" unzählige Male gehört, sie sind Beckers psychische Grundlinie.

Andere leben unauffällig

Aber auch andere Ex-Tennisspieler leben auf dieser Linie, und sie leben dort ruhig. Ivan Lendl spielt gelassen Golf in den USA, Stefan Edberg geht unauffällig seinen Geschäften nach, und das Paar Andre Agassi und Steffi Graf beeindruckt mit dem zarten Charme ihrer Ehe im fernen Las Vegas. Nur Boris Becker berserkert im Scheinwerferlicht, als habe er sich verlaufen in der Frage: "Wer bin ich - und wenn ja, wie viele?"

Er versuchte eine Talkshow auf DSF - eingestellt. Eine andere, "Becker meets" bei Pro Sieben, wurde nicht verlängert. Für die BBC in London kommentiert er bis heute das Wimbledon-Turnier, in Deutschland hat er als Sportkommentator nur gelegentliche Gastspiele. Denkwürdig und rätselhaft peinlich dann sein Auftritt bei Stefan Raabs "Schlag den Star", eine Art "Spiel ohne Grenzen"- Duell, das Becker nicht nur ächzend verlor, sondern in dem er auch noch vorführte, wie er in einem Puzzlespiel ein nicht passendes Teil mit der Faust ins Bild hämmern wollte. "Boris, hast du nicht gesehen, dass das Ohr da nicht passt?", fragte ein verdutzter Raab. Becker suchte nach Worten.

Wenn man dann nach den Becker-TV-Filmchen im Internet auch noch sieht, wie fremdgesteuert BB für das Internetportal Pokerstars in einem Werbeclip Tango tanzt, stellt sich bei jedem Tanzschritt die Frage: Muss er das? Diesen Zirkus? Die Antwort ist: Ja, er muss. Boris Becker ist vor allem ein Angestellter seiner eigenen Marke. Und die steuert er nicht allein.

Der Unternehmer sitzt in der Schweiz

Becker lebt in der Schweiz, am Zürichsee in einer Penthousewohnung, in die er noch keinen Fotografen gelassen hat. Das Herz seines unternehmerischen Daseins aber schlägt weiter südlich, im Städtchen Baar. In der Ruessenstrasse Nummer 6 sitzen die Firmen Boris Becker & Co und Völkl Tennis sowie die Cleven-Becker-Stiftung, und bald wird auch noch aus der Boris Becker & Partner GmbH die Bewegtbildagentur mit Peter Lauterbach hinzukommen. Hier in Baar konzentriert sich fast alles, was mit dem Unternehmer Becker zu tun hat. In Deutschland trägt nur noch das Autohaus Boris Becker mit Niederlassungen in Stralsund und Umgebung seinen Namen, eine Investition, die Beckers Vater 1993 einfädelte. Früher einmal als Mercedes-Häuser gedacht, verkaufen sie heute auch Autos von Renault und anderen Marken, was Probleme nicht verhinderte: Im Geschäftsjahr 2007 verbuchte die Firma ein Minus von 68.000 Euro - im Jahr vor dem Beginn der großen Krise.

Grob unterscheiden sich BB & Co und BB & Partner dadurch, dass die eine Firma Sportveranstaltungen, Sportler und deren Rechte vermarktet und die andere Film- und TV-Programme herstellt und finanziert. Völkl Tennis produziert und vermarktet unter anderem Tennisschläger, ein mit unter zwei Prozent Marktanteil nicht sehr erfolgreiches Unternehmen. Eigentümer: Becker und Cleven.

Becker könnte ja mit BB & Co sein immenses Sportwissen einsetzen, um junge Tennisspieler zu führen, über ihre Werbeverträge zu verhandeln und Trainer zu vermitteln, so wie es seine Ziehväter Tiriac, Pilic oder Bollettieri taten - und wie er es 1997 mit dem Mercedes Junior Team auch versuchte. Das Projekt scheiterte. Aber auf der Website von BB & Co gibt es nur ein einziges Produkt: Boris Becker. Becker als alternder Schaukämpfer, Becker als BBC-Kommentator, Becker als Werbefigur für IWC-Uhren, König Pilsener, die DAS-Rechtsschutzversicherung, Mercedes und Pokerstars. Außerdem ist er Lizenzhalter für Boris-Becker-Tennisschläger und eine Boris Becker Tennis Academy, man kann sich bei ihm den Namen mieten. Der Unternehmer Boris Becker lässt sich auf den Satz "Ich unternehme mich selbst" zusammenfassen. In seiner Biografie formulierte er: "Was ich kann, ist Öffentlichkeit zu schaffen."

Werbung ist keine sichere Bank mehr

Früher schuf diese Öffentlichkeit sein Tennisspiel, Millionen schauten zu, wenn Becker fast verlorene Spiele noch herumriss. Er hatte Verträge mit Lotto, Faber, Puma, Tag Heuer, Ebel, Coca-Cola, Ellesse, AOL, Polaroid oder der Deutschen Bank, allesamt Weltmarken. Und heute? Ein Bier, eine Rechtsschutzversicherung, Uhren, ein Pokerveranstalter - es gab schon bessere Zeiten. Der Vertrag mit der König-Pilsener-Brauerei müsste Ende 2009 verlängert werden, aber "eine Veränderung kann sich ergeben, wenn sich allerdings die strategische Ausrichtung der Kampagne verändert", sagt etwas nebulös Frank Hilgenberg, Marketingstratege der Brauerei. Keine sichere Bank für BB. Um die Marke Becker besser zu verstehen, muss man Becker kennen. Und der sei "beratungsresistent", wie es sein früherer Geschäftspartner Helmut Thoma einmal sagte. Seine in der Vergangenheit häufig wechselnden Berater genauso wie seine oft flink ausgetauschten Frauen zeugen von der kindlichen Ungeduld, ein Spielzeug schnell liegen zu lassen, wenn ein neues leuchtet.

Man könne Becker nie vorwerfen, dass er geldgierig sei, sagt ein ehemaliger Mitarbeiter, im Gegenteil, wenn er an etwas glaube, interessieren ihn die Kosten nicht. Romantiker nennen so etwas Leidenschaft, Unternehmer Risiko. Oder verrückt. Manchmal wird es denn auch heikel. Das Landgericht München verurteilte Becker im Oktober 2002 wegen Steuerhinterziehung zu zwei Jahren Haft auf Bewährung und 500.000 Euro Strafe. Vor dem Prozess hatte er bereits 3,1 Millionen Euro Steuerschulden zurückzahlen müssen.

Solche Einschläge, eine teure Scheidung von Ehefrau Barbara, Unterhaltszahlungen für drei Kinder, eine kostspielige Affäre in London, ein noch nicht verkauftes Anwesen auf Mallorca, ein Leben im Flugshuttle Zürich-London-Miami. Das sind nur einige der Posten auf seiner Ausgabenliste. Becker selbst lächelte Vermutungen über sein schwindendes Vermögen stets weg mit Sätzen wie diesem: "Für meine Kinder und ein Butterbrot wird es immer reichen."

Jetzt kommt noch eine neue Frau dazu. Ausführliche Flitterwochen scheint Becker nicht zu planen. Denn fragt man in London bei der Agentur CSA, die Prominente als Dinner-Redner vermittelt, nach Boris Becker, ist die Dame am Telefon hocherfreut. Becker als Sprecher koste zwischen 50.000 und 60.000 Euro, "das ist aber verhandelbar. Und Herr Becker hat im Sommer noch Termine frei."

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