Eigentlich regiert im Buckingham-Palast das Haus von Sachsen-Coburg-Gotha. Der Familienname Windsor ist frei erfunden. Im Ersten Weltkrieg, als auf der Insel selbst Brezeln geächtet wurden und sich der Spitzname für Kaiser Wilhelm - Willy - als umgangssprachliche Bezeichnung für das männliche Geschlechtsteil einbürgerte, hielten es die Royals für ratsam, sich den Anschein waschechter Briten zu geben.
Doch man muss schon sehr weit zurückgehen, um einen richtigen Engländer auf dem Thron zu finden. Bereits 1714 schwang Kurfürst Georg Ludwig von Hannover das Zepter. In seinen 13 Jahren als King George I. lernte er nie Englisch. Der zeitweise verwirrte George III. blieb vor allem dafür in Erinnerung, dass er einmal eine Eiche als König von Preußen ansprach.
Weihnachtsbräuche als Landesverrat
Bis ins 20. Jahrhundert suchte sich die Königsfamilie ihre Partner im deutschen Adel. So heiratete Königin Victoria 1840 Prinz Albert von Sachsen-Coburg-Gotha. Zu seinen Leistungen gehörte die Verbreitung des deutschen Christbaums. Bis zum heutigen Tag packt die Königsfamilie ihre Geschenke an Heiligabend aus und nicht erst nach britischer Sitte am Morgen des Ersten Weihnachtstages. Für manche Boulevardzeitung grenzt das an Landesverrat.
Elizabeth selbst ist mit einem Mann verheiratet, der gut Deutsch spricht und dessen Familie großenteils in Deutschland zu Hause ist. Als sie 1992 mit Philip zu ihrem dritten Staatsbesuch nach Deutschland kam, war dies Anlass für ein großes Verwandtentreffen. Elizabeths Mutter, die vor zwei Jahren gestorbene Queen Mum, hatte für die Deutschen dagegen nicht viel übrig. Die Schottin sprach bis zum Schluss von den "Hunnen".
Die Queen in Deutschland
Die britische Königin Elizabeth II. wird in dieser Woche zu ihrem vierten Staatsbesuch in Deutschland erwartet. Die Queen und ihr Mann, Prinz Philip, sind von Dienstag bis Donnerstag in Berlin, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen zu Gast. Neben staatlichen Repräsentationsterminen mit Bundespräsident Horst Köhler, Bundestagspräsident Wolfgang Thierse und Bundeskanzler Gerhard Schröder stehen die Themen Technologie, Innovation und Jugendaustausch auf dem Programm. In der britischen Botschaft eröffnet die Queen eine Konferenz zum Klimaschutz.
Solche Begriffe würde die Queen niemals verwenden. Zwar musste auch sie 1940 einen deutschen Bombenangriff auf den Buckingham-Palast miterleben, doch sie nahm es nicht persönlich. 1958 gab sie auf Schloss Windsor ein Bankett für Bundeskanzler Konrad Adenauer, der sich dafür von seiner Sekretärin Anneliese Poppinga ein paar Brocken Englisch beibringen ließ. Premierminister Harold Macmillan notierte: "Der alte Kanzler saß zwischen den Königinnen (der Queen und Queen Mum) und flirtete mit beiden."
Die Queen - stets umjubelt in Deutschland
Ihr erster Staatsbesuch in Deutschland wurde 1965 von beiden Seiten als Erfolg gewertet. Nur als ihr in Berlin eine große Menge zujubelte und - höchst unenglisch - "Elizabeth! Elizabeth!" schrie, wirkte sie irritiert. Der damalige britische Außenminister Michael Stewart erklärte: "Ich glaube, sie fand das ein bisschen zu viel des Guten. Es erinnerte sie vielleicht zu sehr an den Jubel, den die Deutschen stets ihren Nazigrößen vorgeführt hatten."
Die Besuche von 1978 und 1992 waren dann schon Routine und wurden höchstens dadurch beeinträchtigt, dass sie jeweils in eine tiefe Rezession der britischen Wirtschaft fielen. Inzwischen haben sich die Rollen fast verkehrt: Während Deutschland als "kranker Mann Europas" bezeichnet wird, strotzt der einstige "englische Patient" nach der längsten Wachstumsphase seit 100 Jahren vor Kraft. Die Queen nimmt’s gelassen. Sie ist 78 Jahre alt und weiß aus eigener Erfahrung, dass es im Leben immer auf und ab geht.