Als sie in ihrem Wahlwohnsitz in New Hampshire von FBI-Beamten festgenommen wurde, soll Ghislaine Maxwell schnell in ein anderes Zimmer geflohen sein. Ihr Handy habe sie in Alufolie gewickelt, wie später herauskam. So wollte sie offenbar verhindern, dass es gefunden werden kann. Nun sitzt die ehemalige Vertraute von Jeffrey Epstein in einem Untersuchungsgefängnis in Brooklyn, New York - und daran wird sich auch vorerst nichts ändern.
Ghislaine Maxwell bleibt in Haft: wenig überraschend
Am Dienstag argumentierten ihre Verteidiger, Maxwell solle auf Kaution freigelassen werden, weil sie im Gefängnis wegen der Corona-Pandemie gefährdet sei. Sie stelle keine Fluchtgefahr dar und wollte sogar fünf Millionen Dollar Kaution bieten. Doch das Gericht blieb hart. "Keine Überraschung. Der Richter sieht hohe Fluchtgefahr, insbesondere weil Frankreich nicht ausliefert", erklärt Strafverteidiger Dr. Alexander Stevens dem stern.
Maxwell besitzt nicht nur den US-amerikanischen Pass, sondern auch den britischen und den französischen. "Sie haben sie ferner zwei neuer Lügen überführt: Sie behauptet, kein Einkommen zu haben aber dann hätte sie sich ihren aktuellen Lebensstil nicht leisten können, außerdem hat sie erst 2019 ein Schweizer Bankkonto eröffnet und dabei angegeben, dass sie ein Vermögen von mehr als zehn Millionen US-Dollar hat", sagt Dr. Stevens.
Eine fünf-Millionen-Dollar Kaution hätte Maxwell also verschmerzen können. "Ihren Reisepass braucht sie auch nicht, um irgendwo in ein Privatflugzeug zu steigen und sich nach Frankreich abzusetzen. Das ist übrigens eine allgemein bekannte Lücke im System, da die Privatjet und Staatsbesuchspassagiere nicht durch die normalen Kontrollen müssen, sondern die selbst bei großen Flughäfen mehr so als obligatorische Selbstverpflichtung auf freiwilliger Basis gehandhabt wird", erklärt der Rechtsanwalt. Maxwell soll das Anwesen in New Hampshire außerdem unter einer falschen Identität gekauft haben. "Sie scheint jedenfalls ein überdurchschnittlich hohes Maß an krimineller Energie zu haben."
Wie geht es jetzt weiter?
Der Prozess gegen die 58-Jährige wird im Juli 2021 beginnen. Bis dahin wird die Angeklagte mit ihren Verteidigern eine Strategie finden müssen. "In den US nennt sich das 'Discovery', wo dir der Prosecutor alles geben muss, was sie haben. Anders als in Deutschland benennt das Gericht aber keine Zeugen - das muss jede Seite selber tun. Es gibt dann Zeugenlisten und man hört sich üblicherweise davor an, was die jeweiligen Zeugen vor Gericht aussagen werden (auch um sich zu überlegen, ob man Zeuge X überhaupt benennen will – in Deutschland ist das undenkbar)", erklärt Dr. Stevens.
"Wenn man viel Geld hat, dann engagiert man einen Jury Consultant, der einem bei der späteren Auswahl der Jury hilft und lässt das gesamte Verfahren vor einer Fokus-Gruppe als Mocktrial [Anm. d. Red: simulierte Gerichtsverfahren, üblich in den USA] mal durchlaufen", sagt er.
Ein Deal ist immer noch möglich
Interessant ist noch immer, ob Ghislaine Maxwell ihr potenzielles Wissen über Mittäter nutzen wird. Wie in den vergangenen Wochen oft vermutet wurde, soll die ehemalige Society-Lady über Dokumente verfügen, die andere Männer belasten könnten. Hätte sie etwas in der Hand, was der Staatsanwaltschaft im Fall Epstein weiterhelfen würde, könnte sie sich selbst retten.
"Einen Deal kann man bis zur Urteilsverkündung noch machen", erklärt Dr. Stevens. "Die Staatsanwaltschaft kann jederzeit einen Deal vorschlagen; das Gericht akzeptiert den dann üblicherweise auch", sagt er.
Prinz Andrew könnte vorgeladen werden
Immer wieder wird auch der britische Royal Prinz Andrew im Zusammenhang mit Maxwells Prozess erwähnt. Auch er ist einer der Menschen, die wichtige Informationen liefern könnten. Das Gericht in den USA könnte den Sohn der Queen in diesem Zuge tatsächlich vorladen, wie Dr. Stevens erläutert. Allerdings: "Sie könnten ihm schon eine Vorladung zustellen, aber sollte er dieser nicht Folge leisten, gäbe es allenfalls einen Haftbefehl gegen ihn wegen Missachtung des Gerichts", sagt er.
"Bei einer Einreise in die USA müsste er dann mit Verhaftung rechnen. Mit anderen Worten: Sobald Andrew amerikanischen Boden betritt und das bekannt wird, hat er praktisch die Wahl zwischen Zeugenaussage oder Vorführhaft. Aber: Ein Rechtshilfeersuchen könnte an der royalen Immunität scheitern", so der Strafverteidiger.
Prinz Andrews Anwälte behaupten derweil, der Royal hätte seine Hilfe längst angeboten - die US-Anwälte bestreiten das vehement.
Verwendete Quellen: "NBC News" / "The Guardian"