"Camilla opferte mich auf ihrem persönlichen PR-Altar." Das steht in Prinz Harrys Autobiografie, die am Dienstag erscheint. In "Spare" (in Deutschland: "Reserve") setzt sich der 38-Jährige mit der Royal Family und den Methoden des Königshauses auseinander. Richtig persönlich wird es, als er seine Stiefmutter und die heutige Königin Camilla anspricht. Die Frau seines Vaters habe Informationen über ihn und William an die Presse gegeben, um besser dazustehen, lautet sein Vorwurf. Ein ernüchternder Vorwurf, der offenbart, dass das Lächeln bei gemeinsamen Auftritten womöglich doch nicht echt war.
"Wir waren zu dritt in der Ehe. Es war ein bisschen überfüllt", sagte Prinzessin Diana 1996 in ihrem berühmten Interview für die BBC-Sendung "Panorama". Vier Jahre zuvor hatte die Weltöffentlichkeit erfahren, dass die damalige Prinzessin von Wales eine Nebenbuhlerin um die Liebe ihres Gatten hatte: Camilla Parker-Bowles. Die Tochter eines Militäroffiziers war in den 1970er Jahren mit Charles liiert, bevor sie heiratete und zwei Kinder bekam. 1981 heiratete der damalige Thronfolger die blutjunge Lady Diana Spencer und bekam ebenfalls zwei Kinder mit ihr. Doch der Kontakt zwischen dem Ex-Paar riss nie ab. Diana erzählte später in dem Buch "Diana – Her True Story", dass sie schon vor der Hochzeit über das Verhältnis von Charles und Camilla wusste. Im Verlauf der Ehe solle es oft Wutausbrüche, Tränen und Eifersucht gegeben haben. Einmal habe sie die Geliebte sogar zur Rede gestellt und sie gebeten, ihren Mann in Ruhe zu lassen. Vergeblich.
Harry und William waren zuerst gegen die Hochzeit von Charles und Camilla
Natürlich haben Prinz William und Prinz Harry die Streitigkeiten ihrer Eltern mitbekommen und wussten spätestens durch Dianas Interview von der Affäre ihres Vaters. Und dann sollte ausgerechnet diese Frau Stiefmutter und künftige Königin werden. An diesem Punkt sagten sie Nein, schreibt Harry in seinem Buch. "Wir dachten nicht, dass es notwendig ist. Wir dachten, dass es mehr Schaden anrichtet, als Gutes tut. Wenn er jetzt mit seiner Person zusammen wäre, wäre das sicher genug. Warum so weit gehen, wenn man es nicht unbedingt braucht", erklärt er in einem Interview mit der CBS-Sendung "60 Minutes". Aber: "Wir wollten, dass er glücklich ist, und wir sahen, wie glücklich er mit ihr war. So hieß es damals, 'Ok'."
Doch damit nicht genug, der Herzog von Sussex sagt heute, dass dieses Okay einen Prozess in Gang setzte, der "Leichen an der Straße zurückließ". Denn Camillas Ziel sei es gewesen, ihren Ruf zu reparieren – und dies habe sie "gefährlich" gemacht. Dafür sei sie Verbindungen mit der britischen Presse eingegangen. "Es gab offenen Willen auf beiden Seiten, Informationen auszutauschen." Dazu gehöre auch, dass sie und ihre zukünftigen Stiefsöhne sich vor der Hochzeit in privatem Rahmen trafen. Hinterher seien Informationen aus diesen Gesprächen in der Presse gelandet. Laut Harry hätte William dies nie getan und daher könne es nur von der anderen Person im Raum stammen.
Schockierende Aussagen – aber keineswegs überraschend.
Im Laufe der Jahre habe ich oftmals meine Interviewpartner, die allesamt Royal-Experten waren, viele von ihnen Mitglieder der Royal Rota, auf das Verhältnis von William und Harry mit ihrer Stiefmutter angesprochen. Nicht einer von ihnen sprach von einer herzlichen, gar mütterlichen Beziehung. Sie sei die Ehefrau des Vaters, das sei alles, hieß es oft recht lapidar. Die Brüder wollten ihren "Pa" glücklich sehen.
Warum jetzt diese Breitseite gegen die Königin?
Für Stefan Blatt von dem Magazin "Bunte" ist die Antwort recht simpel: Harry brauchte einen Sündenbock und hat Camilla gefunden. Gegen seinen Vater könne er nicht direkt schießen und nehme daher dessen Frau. Mit dieser Meinung stünde der Herzog von Sussex allerdings allein da. "William hat irgendwann erkannt, dass er aus rationalen Gründen weitermachen muss – er und Kate sowie Charles und Camilla sind jetzt ein Team – und dass er Camilla nicht als böse Frau abstempeln kann. Es gehören immer zwei dazu und hier sprechen wir auch noch von einer arrangierten Ehe. William hat die Zusammenhänge erkannt, Harry scheint die bis heute zu leugnen", so der Adelsexperte.
Nichtsdestotrotz hat William eine dynastische Verpflichtung, der sein jüngerer Bruder nicht unterliegt. Der Prinz von Wales hat die Verantwortung, die Zukunft der Monarchie zu sichern. Bedeutet das auch, dafür andere Mitglieder der Familie und speziell ihn und Meghan der Presse zum Fraß vorzuwerfen? Ganz nach dem Motto: Wenn der andere schlecht dasteht, sehe ich viel besser aus. Wahr ist, dass mit Mark Bolland ein Medienstratege von Prinz Charles rund um die Jahrtausendwende eingestellt wurde, um sein und Camillas Image aufzupolieren. Schon vor Jahren berichteten britische Medien davon, dass damals eine Kampagne fortgeführt wurde – sie begann vor Dianas Tod und wurde durch diesen unterbrochen –, die Freundin des Thronfolgers hoffähig zu machen. Sorgfältig wurde das erste gemeinsame Outing anlässlich einer Geburtstagsparty ihrer Schwester im Jahr 1999 orchestriert. Zwei Jahre später das erste Küsschen auf die Wange in der Öffentlichkeit. 2005 gaben sich Charles und Camilla schließlich das Jawort. In langsamen Schritten wurde das Volk auf eine Königin Camilla vorbereitet. Mittlerweile scheint es so, als habe sie eine Mehrheit der Briten überzeugt. Harte Arbeit, bescheidenes Auftreten, humorvolle Interaktionen mit Menschen – all dies ließ die 75-Jährige in der Gunst des Publikums steigen. Die Frage ist, ob Harrys Aussagen daran etwas ändern können.