The Duc Ngo über Atmosphäre in Restaurants "Social Media hat viel kaputt gemacht"

In seinem ersten Kochbuch "The Duc Ngo - Neue asiatische Küche" präsentiert The Duc Ngo Rezepte aus seinen Restaurants.
In seinem ersten Kochbuch "The Duc Ngo - Neue asiatische Küche" präsentiert The Duc Ngo Rezepte aus seinen Restaurants.
© John Bauer
The Duc Ngo spricht im Interview über den wahren Geschmack von Umami, die Probleme mit Social Media und "Kitchen Impossible".

Das Essen fotografieren, anstatt zu genießen? "Das ist eine schlimme Weise, Gastronomie zu erleben." The Duc Ngo (51) erklärt der Nachrichtenagentur spot on news, wie Smartphones das Restauranterlebnis verändern. Der Koch und Stargastronom aus Berlin hat bereits über 20 Restaurants eröffnet, nun erscheint mit "The Duc Ngo - Neue asiatische Küche" (DK Verlag, 28.10.) sein erstes Kochbuch. Im Interview spricht der umtriebige Koch auch über seine Anfänge in den USA, Glutamat und "Kitchen Impossible".

Sie haben bereits über 20 Restaurants eröffnet, jetzt erscheint Ihr neues Kochbuch, dazu kommen TV-Projekte. Wie schaffen Sie das alles?

The Duc Ngo: Ich glaube, ich würde mich sonst langweilen. Ich bin aber auch sehr gut strukturiert und habe ein starkes Team um mich herum. Viele nehmen mir Arbeit ab, sodass ich mich auf das konzentrieren kann, was ich wirklich liebe: Kochen, Kreieren, Interviews geben, Fernsehen machen. Das habe ich früh so aufgebaut - und davon profitiere ich bis heute.

Was treibt Sie an?

The Duc Ngo: Das Kreieren. Ich will Dinge erschaffen, die andere Menschen schön finden. Wenn Gäste in meinen Restaurants sitzen, gutes Essen genießen, sich wohlfühlen und sagen: "Wow, das ist großartig" - dann ist das mein größter Lohn. Ich nenne das manchmal scherzhaft "Gaumenorgasmen". Diese Reaktionen motivieren mich. Schon als junger Mann dachte ich: So ein Erlebnis will ich anderen bieten. Daraus ist über die Jahre mein Antrieb geworden.

Sie waren vor Ihrem ersten eigenen Restaurant als Koch in der Welt unterwegs. Was hat Sie zu Beginn Ihrer Karriere am meisten inspiriert?

The Duc Ngo: Vor allem Amerika. New York, Los Angeles, Miami - das waren für mich Augenöffner. Auch London spielte schon früh eine große Rolle. Diese Städte waren ihrer Zeit voraus, sie dachten dort anders über Geschmack, über Konzepte, über Inszenierung. Darauf habe ich mich komplett eingelassen. Ich hatte klassisch Japanisch gelernt, mit südostasiatischen und kantonesischen Einflüssen - und plötzlich merkte ich: Das lässt sich alles neu denken. Die Amerikaner konnten das großartig inszenieren, sehr opulent. Dieses Gefühl, aus einem Restaurantbesuch ein Erlebnis zu machen, hat mich bis heute geprägt.

Können Sie sich noch an das Gefühl erinnern, als Sie zum ersten Mal in Ihrem eigenen Restaurant standen?

The Duc Ngo: Sehr genau. Ich hatte gerade die letzte Schraube festgezogen, das erste Gericht gekocht - und wusste: Das wird funktionieren. Das Restaurant war früher ein klassisch japanischer Laden, den wir übernehmen und in drei Monaten umbauen konnten. Mit meinen Brüdern und Cousins, ohne große Erfahrung. Wenn ich mir heute die alten Fotos oder Videos anschaue, sieht es furchtbar aus. Aber wir hatten ein Gefühl geschaffen - eine Stimmung, die Menschen sofort gespürt haben. Nach wenigen Monaten war der Laden voll, Prominente kamen. Es wurde ein Geheimtipp. Und genau dieses erste Probekochen mit Gästen, dieses Bauchgefühl: Das wird was - das hat sich bestätigt. Bis dahin war es aber ein weiter Weg. Ich habe immer hingeschaut, hingehört - und vor allem: gefragt, geredet, gelernt. Ich sehe mich nicht als technisch brillanten Koch. Meine Stärke liegt im Gespür, Dinge zu verbinden.

Ist das Ihr Erfolgsrezept?

The Duc Ngo: Ich habe mich oft gefragt: Was kann ich eigentlich? Irgendwann wurde mir klar: Ich kann Dinge verbinden. Ich finde die richtige Mischung, die dem gehobenen Massenpublikum gefällt. Ich vergleiche mich nicht mit Sterneköchen. Mir ging es von Anfang an um gute, einfache, spannende Küche - und um Design und Atmosphäre.

Haben Smartphones und Social Media die Atmosphäre in Restaurants verändert? Viele fotografieren das Essen, anstatt zu genießen...

The Duc Ngo: Das ist eine schlimme Weise, Gastronomie zu erleben. Social Media hat viel kaputt gemacht. Man lässt sich nicht mehr auf die Atmosphäre ein. Zum Glück schaffen wir es oft, dass die Gäste nach dem ersten Löffel das Handy weglegen. Dann können sie die Atmosphäre wieder genießen: das Essen, das Personal, die Stimmung.

Natürlich hat Social Media mir auch geholfen, bekannt zu werden. Aber es hat die Wahrnehmung verflacht. Heute wird zu schnell geurteilt und das ist unfair. Ein Restaurant braucht Zeit, um zu wachsen. Zwei Jahre mindestens, bis alles stimmt. Kaum jemand lässt diese Zeit zu. Die Social-Media-Welt ist zu schnell. Viele schauen nur halb hin. Mich beunruhigt das.

Ihr Kochbuch "The Duc Ngo - Neue asiatische Küche" erscheint nun. Können sich alle Hobbyköche herantrauen - oder braucht man Vorkenntnisse?

The Duc Ngo: Wer regelmäßig kocht, kommt damit gut zurecht. Wer noch nie ein Messer in der Hand hatte, wird sich schwertun - gerade bei Rohfischgerichten, da braucht man Gefühl und Wissen über Qualität. Aber es ist kein Fine-Dining-Buch. Es zeigt Gerichte aus acht meiner Restaurants. Es geht um ein gutes Stück Fleisch, Fisch oder Gemüse, die richtige Sauce dazu, vielleicht eine Beilage. Mehr braucht es nicht.

In Ihrem Buch schreiben Sie über Glutamat, das in Deutschland oft kritisch gesehen wird. Warum zu Unrecht?

The Duc Ngo: Weil die Kritik wissenschaftlich nicht haltbar ist. Es gibt keine Belege dafür, dass Glutamat gesundheitsschädlich ist. Manche Menschen reagieren empfindlich, fühlen sich nach zu viel etwas benommen oder müde - aber das ist eine Frage der Menge. Glutamat kommt in der Natur ganz selbstverständlich vor: in Tomaten, Käse, getrocknetem Fisch, fermentierten Lebensmitteln. Es ist die Geschmacksrichtung, die man "Umami" nennt: Es bedeutet rund, wohlschmeckend. Jeder Koch auf der Welt versucht, diesen Geschmack zu erreichen.

Problematisch wird es nur, wenn ein Restaurant künstliches Glutamat nutzt, um fehlende Arbeit zu kaschieren. Richtig eingesetzt, kann es aber den Geschmack abrunden. In Asien ist das ganz normal. Man nutzt es sparsam, um Brühen ausgewogener zu machen.

Sie haben bereits erwähnt, dass Ihnen das Fernsehen Spaß macht. Was war bisher Ihre schönste TV-Erfahrung?

The Duc Ngo: Ganz klar "Kitchen Impossible". Kein Format zeigt ehrlicher, was Köche wirklich leisten. Man verreist in ein Land und muss loslegen. Man lernt dort die Menschen, Märkte und Kultur kennen. Das macht den Reiz aus: herauszufinden, worin der eigentliche Kniff eines Gerichts liegt. Und am Ende, wenn man gemeinsam mit den Kollegen die Auflösung sieht - was gelungen ist, was nicht -, ist das immer ein besonderer Moment. Das ist ein perfektes Konzept.

Die Serie "The Bear" um einen jungen Küchenchef hat viel Aufmerksamkeit bekommen. Haben Sie sie gesehen?

The Duc Ngo: Ich habe die ersten eineinhalb Staffeln geschaut. Großartige Serie - starke Schauspieler, tolle Kamera, beeindruckendes Setting. Mein Bruder, selbst ein Filmemacher, meinte auch: "So etwas müssten wir auch mal machen." Aber man darf nicht vergessen: Das sind die Amerikaner. In deutschen oder asiatischen Küchen läuft es anders. So extreme Konfrontationen wie dort gab es bei mir nie. Aber die Serie zeigt auf alle Fälle den Stress in den Spitzenküchen.

Sie stehen auch weiterhin fürs Fernsehen vor der Kamera, richtig?

The Duc Ngo: Im November bin ich kurz in Tim Mälzers neuem Format "Meisterklasse" zu sehen - in einer kleinen Gastrolle. Für nächstes Jahr ist außerdem eine Dokumentation geplant, gemeinsam mit einem deutschen Filmemacher. Es geht um ein Gericht, das in verschiedenen Kulturen vorkommt, mit wenig Sensation oder Wettkampf - einfach der kulturelle und geschichtliche Hintergrund dazu. Parallel eröffne ich zwei neue Restaurants, in Frankfurt und Wiesbaden. Und dazwischen kommt immer wieder etwas Spontanes dazu. Ich sage mir zwar oft: "Jetzt reicht's erst mal", aber dann kommt das nächste Projekt - und ich mache es doch.

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