Der Mittelfeldspieler von Borussia Mönchengladbach wurde als fleißiger Helfer des Kick-Strategen Günter Netzer berühmt. Bei der EM 1972 stand »Hacki« beim legendären 3:1 gegen England im deutschen Team, das später auch den Titel gewannZur Person :
Hacki» Wimmer, 55, hat in Aachen, wo der 36-fache Nationalspieler mit seiner Frau lebt, einen Lottoladen
stern: Am 17. Juni trifft Deutschland bei der EM auf England. Kribbelt's in den Füßen?
Wimmer: Ich kann da ganz entspannt zuschauen. Aber wenn die Hymnen gespielt werden, denk ich sicher dran, dass ich da unten auch mal gestanden habe. Obwohl der Gedanke ganz unwirklich ist. Das ist ja so lange her. Ich habe jetzt schon über 20 Jahre meine Toto-Lotto-Annahmestelle.
stern: Zu Ihrer Zeit konnten deutsche Kicker richtig schön Fußball spielen. War Ihnen 1972 bewusst, wie gut diese Nationalelf war?
Wimmer: Spätestens seit dem 3:1 im EM-Viertelfinale in England. Wir waren Außenseiter, aber es passte einfach alles zusammen. Wir hatten Beckenbauer und Netzer als herausragende Techniker und Arbeiter wie mich. Natürlich war das Tempo langsamer. Aber vielleicht waren wir ja wirklich die letzten Straßenfußballer Deutschlands.
stern: In Erinnerung haben Sie die Fans allerdings nicht als Dribbelkünstler . . .
Wimmer: . . . obwohl ich als Rechtsaußen gerne Haken schlug. Daher auch »Hacki«.
stern: . . . sondern als Laufwunder, das Günter Netzer den Rücken freihielt. Er war der Star, Sie sein Zuarbeiter. Wurmt Sie die Rollenverteilung in der Rückschau?
Wimmer: Den Begriff »Wasserträger« empfinde ich noch heute nicht als Beleidigung. Netzers Stärke waren lange Pässe, meine, kreuz und quer über den Platz zu rennen.
stern: Sind Sie befreundet?
Wimmer: Nein. Dafür waren wir zu unterschiedlich. Er fuhr zum Beispiel Ferrari oder Jaguar, ich unauffällige Wagen. Aber auf dem Feld verstanden wir uns blind, wir haben beide voneinander profitiert.
stern: Nur, dass Sie dafür zahlen mussten: 1994 brauchten Sie ein neues Hüftgelenk.
Wimmer: Ich hatte solche Schmerzen, dass ich am Ende kaum noch ins Auto steigen konnte. Meine letzte Operation war im Dezember 1999, seitdem geht's mir wieder gut. Nur Fußball spielen ist leider nicht mehr drin. Ich kann nicht mehr rennen.
stern: Weil Sie es früher übertrieben haben?
Wimmer: Ach was. Meine Hüftprobleme sind angeboren. Ein Arzt hat mal zu mir gesagt: Wie Sie zehn Jahre lang Profifußballer sein konnten, ist mir ein Rätsel.
stern: Günter Netzer wird heute als scharfzüngiger Kritiker gefeiert. Warum kommentieren Sie keine Fußballspiele?
Wimmer: Um Gottes willen. Günter macht das sehr gut. So geschliffen hat er früher übrigens nicht geredet, dafür öfter mal ordentlich geflucht. Aber öffentlich aufzutreten liegt ihm einfach. Ich war immer froh, wenn mich die Reporter in Ruhe ließen.
stern: Dabei sind Sie in Gladbach noch immer ein Held. Nicht weit vom Bökelberg steht ein Denkmal: Netzer, Berti Vogts und Sie, in Bronze gegossen, auf einer Weltkugel balancierend.
Wimmer: Das empfinde ich als Ehre. Ich war selbst erstaunt, als ich gesehen habe, dass mich da jemand verewigt hat.
stern: Vom Gladbacher Angriffsschwung der siebziger Jahre schwärmen noch heute überall Fußballfans.
Wimmer: Darf ich ehrlich sein? Ich auch, wenn ich mir so manches Spiel im Fernsehen ansehe. Viele Profis wollen heute gar nicht mehr durch Leistung überzeugen, sondern nur durch ihr Auftreten. Es wird so viel Blödsinn geschrieben und gesendet.
stern: Wären Sie heute gern Spieler?
Wimmer: Klar, wenn ich die gleichen Erfolge hätte. Eigentlich war ich früher auch zufrieden mit dem Geld. Und wir hatten nicht so viel Druck wie die heutigen Profis.
stern: Vom Medienrummel können viele Alt-Internationale gut leben. Warum haben Sie sich aus dem Fußball zurückgezogen?
Wimmer: Mir war immer klar, dass ich in das Geschäft meines Vaters einsteigen würde. Ich bin kein Typ, der der Vergangenheit nachtrauert. Die alte Leidenschaft ist weg, und ich vermisse sie nicht einmal. Ich habe meinen Spaß hinter dem Ladentisch.
stern: Wetten Sie selbst?
Wimmer: Seit es diese Oddset-Wetten gibt, bei denen man auf einzelne Spiele tippt, fast jeden Tag. Ich mag den Nervenkitzel.
stern: Würden Sie bei der EM auf Deutschland setzen?
Wimmer: Natürlich. Der alte Spruch stimmt noch: Die Deutschen sind eine Turniermannschaft. Warten Sie's ab.