was-macht-eigentlich Jean-Marc Bosman

Der ehemalige belgische Profi-Kicker brachte Europas Fußballvereine um etliche Millionen. In einem Musterprozess erkämpfte er, dass Spieler, deren Vertrag ausläuft, ohne Ablöse die Mannschaft wechseln können

Der ehemalige belgische Profi-Kicker brachte Europas Fußballvereine um etliche Millionen. In einem Musterprozess erkämpfte er, dass Spieler, deren Vertrag ausläuft, ohne Ablöse die Mannschaft wechseln können STERN: Herr Bosman, Sie sehen ziemlich ernst aus. Was ist mit Ihnen los?

BOSMAN: Ich bin stocksauer. Ein belgisches Magazin hat behauptet, mein Anwalt und ich hätten beim Transfer eines Fußballspielers kräftig mit abkassiert. Das ist eine infame Verleumdung. Ich würde nie einen Pfennig Vermittlungsgebühr annehmen.

STERN: Was verbindet Sie überhaupt noch mit dem Fußball?

BOSMAN: Nichts. Zuletzt hat mir Standard Lüttich einen Vertrag als Jugendtrainer angeboten. Aber ich habe abgelehnt.

STERN: Warum?

BOSMAN: Mein Kampf gegen die Ablösesummen im Fußball hat zehn Jahre gedauert, jetzt will ich mich nicht mehr für längere Zeit festlegen. Ich liebe und genieße meine neue Selbstständigkeit.

STERN: Aber wovon leben Sie?

BOSMAN: Als ich meinen Krieg gegen die Uefa gewonnen hatte, gab es eine Entschädigung. Davon ist auch nach Abzug der Anwaltskosten genug übrig geblieben für ein Haus, einen Porsche und eine bescheidene Geldanlage.

STERN: Und die ehemaligen Kollegen, die seit Ihrem Musterprozess bei Vertragsende ohne Ablöse wechseln können und dafür Handgelder erhalten - haben die etwas an Sie weitergegeben?

BOSMAN: Ich habe einmal 33 500 Mark bekommen von 15 Mannschaften der belgischen Liga sowie vier Einzelspielern, darunter Marc Wilmots und Frank Verlaat, die heute beide bei deutschen Vereinen spielen. Und eine Delegation der niederländischen Nationalmannschaft brachte mir mal 112 500 Mark. Macht zusammen also knapp 150 000 Mark.

STERN: Ein nettes Almosen. Haben sich auch deutsche Profis erkenntlich gezeigt?

BOSMAN: Von denen kam keine müde Mark.

STERN: Die großen Stars verdienen Millionen, und Sie stehen beinahe mit leeren Händen da. Ärgert Sie das?

BOSMAN: Natürlich. Wenn einem Fußballer auffällt, dass er heute fünfmal so viel wie früher verdient, wäre das ein passender Moment, sich an Bosman zu erinnern. Aber die meisten bilden sich nur ein, dass sie fünfmal so gut geworden sind.

STERN: Fürchten Sie nicht, auf lange Sicht mittellos und zu einem Sozialfall zu werden?

BOSMAN: Als ich den Prozess führte, besaß ich doch auch nichts. In dieser Zeit ist meine Ehe in die Brüche gegangen, ich wohnte vorübergehend in der Garage meiner Eltern. Da lernt man, mit einem Minimum auszukommen. Ich habe nun wieder ein bisschen Geld und meine neue Frau Carole. Zudem bin ich jetzt viel sparsamer als früher.

STERN: Bis zum Lebensabend wird es trotzdem nicht reichen.

BOSMAN: Meine Name ist ja noch vermarktbar. Im Augenblick verhandele ich mit einer deutschen Produktionsfirma, die die Rechte für ein Buch und ein Fernsehfeature über mich erwerben will. Durch solche Dinge bleibe ich wenigstens finanziell am Ball.

STERN: Vielleicht wäre ein Trainerjob doch nicht so schlecht?

BOSMAN: Mir fehlen die Diplome. Ich sehe mich auch eher als Kommentator bei Rundfunk oder Fernsehen. Wortgewandt genug bin ich ja inzwischen.

STERN: Bedauern Sie im Nachhinein Ihr juristisches Solo?

BOSMAN: Nein. Die ganze Affäre hat mir Lebenserfahrung gebracht, und sie hat aus einem introvertierten Typ einen entschlossenen Mann gemacht. Ich bewege mich heute zwanglos in allen möglichen Kreisen. Dass andere sich mit Fußball dumm und dämlich verdienen, stört mich nicht. Mir ging es einfach ums Prinzip.

Mit Jean-Marc Bosman sprach STERN-Mitarbeiter Albert Eikenaar.

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