Hamburg, Februar, Regen, kalt, windig: kurz bah! Wobei ich auch statt Februar hier zehn andere Monate hätte hinschreiben können, in denen in der nördlichen Hansestadt immer das gleiche Wetter herrscht. Selbst die Temperaturen variieren nur minimal. Witterungsverhältnisse, bei denen man beim ersten Date nicht durch den Park schlittern möchte, sondern sich im Café auf eine heiße Schokolade trifft. Doch bei dem Date mit dem Öko-Lappen-Mann war außer der Schokolade so gar nichts heiß.
Vom Parkplatz, der eigentlich vergoldet hätte sein müssen, wenn man sich die Parkticketpreise anguckt, kämpfte ich mich wie in einem Film durch Wind und Wetter vor zu einem Café. Über Tinder hatten wir ein Date vereinbart, nicht ahnend, dass an diesem Tag Poseidon wieder auf Hamburg schiffte, als hätte der Gute ein Prostata-Problem. Ich war nach dreimaligem Schirmumklappen durch den norddeutschen Wind eigentlich schon bedient, als ich ankam. Mit dem Rücken zur Scheibe der Lokalität schüttelte ich das Mistvieh aus und klappte ihn zusammen. Dann drehte ich mich um und sah mein Date in der Mitte eines hellerleuchteten Cafés auf einem Bein stehen. Er taumelte, während er versuchte, sich einer Regenhose zu entledigen und dabei fast den nächsten Tisch mit zwei irritierten Frauen zu Boden riss.
"Heilige Scheiße", dachte ich. Der Typ ist jetzt bitte kein Lehrer in Regenhose. Schon wieder in meiner Dating-Laufbahn zog ich eine schnelle Flucht in Erwägung. Doch dann drehte er sich in einer Zehntelsekunde um, sah mich und lächelte. Fuck. Was, wenn ich jetzt wie in einem Cartoon mit stehenbleibender Staubwolke um mein Leben renne? Ich tat es mal wieder nicht. Also ging ich hinein. Die Regenhose war er mittlerweile mit einem abschließenden, epileptischen Beinzucken losgeworden. Aufgeregt streckte Tim mir eine nasse Hand entgegen. "Hi, ich bin Tim, aber du kannst mich auch Timmi nennen." Jesus Maria, ich suche einen Mann, kein Kind.
Dating: Meine Melonen fand der Typ offenbar ökologisch korrekt
Wir setzten uns an einen kleinen Tisch in der dunkelsten Ecke und fingen an, uns zu unterhalten. Meine Augen schweiften umher, hoffentlich sah mich niemand. Sein Blick war nervös, auch der Bestellvorgang schien ihn an seine Grenzen zu bringen. Vor Aufregung fing er ein bisschen an zu stottern. Er schaute mir jedoch kaum in die Augen. Seine Blicke klebten an meinen Brüsten, wie seine Regenhose noch vor wenigen Minuten an seinem Knöchel. Von seiner Stirn setzten sich immer wieder Regentropfen über die Schläfen laufend ab. Er zog ein Tuch aus der Hosentasche und wischte sie hastig weg.
Das Gespräch war mühsam. Schnell merkte ich, dass wir so gar nicht auf einer Ebene waren. Er war bekennender Öko-Fanatiker. Seine Freizeit verbrachte er bei Fridays for Future, alle Wege, selbst zu Ikea, bestritt er mit dem Fahrrad und zum Dinner aß er gerne Soya-Schnitze, die er erst einweichte, um sie verarbeiten zu können. Dann zog er erneut den Lappen aus der Tasche, um nochmal seine Stirn zu feudeln. Langsam aber sicher wurde mir klar, das konnte nicht noch immer der Regen von draußen sein, der Typ schwitzte vor Aufregung und hatte einen Schweißlappen dabei. Als ich mich auf meine Sherlock-Holmes-Schweißanalyse konzentrierte, merkte ich, wie er nach wie vor zitterte und der Kaffee in seiner Hand fast überschwappte. Er bemerkte nicht wie ich ihn begutachtete, er hing noch immer oder schon wieder mit den Augen auf meinen Brüsten. Auffällig strich ich mehrmals über meinen Vorbau und sagte: "Hab ich da irgendwas, Krümel?". Woraufhin der Öko-Hansel auch noch erwiderte: "Nein, da ist nichts", jedoch den Blick trotzdem nicht hob.
Aus Witz wurde ich beim Date zum AfD-Wähler in Müllbergen
Nach weiteren Manifesten des Ökotums machte ich mir einen Spaß daraus und formte verbal eine Anti-Haltung. Ich verteufelte alles. Erzählte ihm, dass ich am liebsten 200 km/h auf der Autobahn fuhr, Lebensmittel nach einem Tag wegwarf, das Licht immer brennen ließ, dauernd mit dem Flugzeug hin und her jettete, den Müll nicht trennen würde und die politische Ausrichtung der AfD wunderbar finde. (Bitte glauben Sie jetzt nicht, dass das meine Einstellung ist). Ich wollte ihn einfach so richtig abturnen. Der Mann, der mich die ganze Zeit anguckte, als sei ich sein liebster Pornostar in live, nickte verdutzt und sagte: "Vielleicht können wir ja voneinander lernen". Uff. Nichtmal ich als Öko-Antichrist half, um den schwitzenden Schadstoffreduzierer, der kaum noch Blut im Kopf hatte, abzuwehren. Da zog ich meine letzte Karte: "Weißt du, ich bin noch nicht mal mehr kompostierbar, so wenig ökologisch korrekt bin ich als Mensch". Nicht ahnend, dass ich damit eins seiner Lieblingsthemen schnitt: "Das macht nichts. Witzig, dass du das sagst, ich möchte mich tatsächlich nach meinem Tod kompostieren lassen. Ich möchte als Gurke wiedergeboren werden. Mein Traum ist es, dass meine Frau mich dann als Gurke isst und ich ein Teil von ihr werde".
Dann stand er auf und ging wie aufs Stichwort zur Toilette. Kaum war er außer Sichtweite, rannte ich um mein Leben. Die Cartoon-Staubwolke vernebelte bestimmt den Tisch wie in China die Luft. Noch nie war ich so froh, dass ich mit dem Auto im Hamburger Schmuddelwetter unterwegs war und nicht mit einer Regenhose und einem Fahrrad auf die Flucht ging.
Die Geschichten dieser Dating-Kolumne sind alle im realen Leben passiert. Ich habe sicherlich nicht alle selbst erlebt, auch Beiträge von Kollegen, Freunden und Bekannten verbergen sich unter ihnen, doch erzählenswert sind sie alle.
+++ Lesen Sie auch: +++