Das Online-Dating-Portal Tinder hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Seit Jonathan Badeen, Sean Rad und Justin Mateen die App 2012 in einer Start-Up-Werkstatt des Internetkonzerns IAC gründeten, ist Tinder von einem Portal für kurzweilige Sex-Verabredungen zu einer Plattform für Singles mit ganz unterschiedlichen Intentionen geworden. Tinder ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Schließlich ist es längst nichts ungewöhnliches mehr, dass über Tinder auch ernsthafte Verbindungen oder Beziehungen fürs Leben entstehen.
Trotz dieser Entwicklung ist das Prinzip, auf dem der Erfolg von Tinder fußt, noch immer dasselbe. Die App ist aufgebaut wie ein Computerspiel und präsentiert dem User eine endlose Auswahl an Singles in der unmittelbaren Nähe. Der Fokus liegt auf den Profilbildern der Nutzer:innen. Gefällt einem der erste Eindruck, wischt man nach rechts. Bei einem Linkswisch wird der User nie wieder angezeigt. Es ist diese digitale Geste, welche die App zu einem weltweiten Erfolg macht und vom Unternehmen noch immer als Aushängeschild benutzt wird. Finden zwei Nutzer:innen einander attraktiv, kommt es zu einem sogenannten "Match". Die beiden können nun schreiben und ein Date vereinbaren.
"Wir haben uns über Tinder kennengelernt" ist heute die Norm
Tinder hat das Kennenlernen revolutioniert. Wurde man vor einigen Jahren bei dem Satz "Wir haben uns über Tinder kennengelernt" noch komisch beäugt, ist Online-Dating heute wohl eher die Regel statt die Ausnahme. Der Gedanke, dass sich im Internet nur komische Gestalten oder Heiratsschwindler aufhalten, ist längst verflogen. Die App kann nach zehn Jahren 500 Millionen Downloads und über 70 Milliarden Matches verzeichnen. Jeden Tag wird durchschnittlich vier Milliarden Mal geswipet.
Auch wenn Tinder bereits vor der weltweiten Covid-19-Pandemie ein großer Erfolg war, so hat die App vor allem in den letzten zwei Jahren eine rasante Entwicklung hinter sich. Die Angst vor einer Infektion sowie strenge Kontaktbeschränkungen machten es Singles unmöglich, neue Menschen in ihrem Alltag kennenzulernen. Vor allem Alleinstehende hatten mit Einsamkeit zu kämpfen. Aufgrund dieser Gegebenheiten überrascht es nicht, dass zu Beginn der Pandemie rund 52 Prozent mehr Nachrichten versendet wurden als vorher. Bei unter 25-Jährigen stieg die Rate der Swipes in dieser Zeit um 39 Prozent.
Auch Tinder selbst hat im Laufe der Jahre viel dafür getan, um sein Schmuddel-Image abzulegen. Über die "Explore"-Funktion kann man inzwischen über Hobbies und Vorlieben nach Gleichgesinnten suchen. Zudem hat die App einige Schritte vollzogen, um Belästigungen möglichst zu verhindern. Seit kurzem ist es nicht mehr möglich, dass einem ein ehemaliger Partner angezeigt wird. Wenn man sich ganz sicher sein will, kann man sich auch nur Profile von verifizierten User:innen anzeigen lassen.
"Bumble" und Co.: Die Konkurrenz schläft nicht
Dennoch ist Tinder alles andere als unumstritten. Schließlich hat sich durch die App nicht nur die Art und Weise des Kennenlernens verändert, sondern auch die Lebenseinstellung vieler Nutzer:innen. Den Menschen wird suggeriert, sollte ein erstes Date nicht glatt verlaufen, würde eine Vielzahl an Menschen nur darauf warten, mit ihnen Kontakt aufzunehmen. Der Druck auf ein schnelles Match und die damit einhergehende Oberflächlichkeit bleibt vielen Nutzern weiterhin ein Dorn im Auge.
Seit dem Erfolg von Tinder treten auch etliche Mitbewerber mit unterschiedlichen Konzepten im Online-Dating-Markt auf. Beim wohl größten Konkurrenten "Bumble" ist beispielsweise ebenfalls eine Swipe-Funktion enthalten. Allerdings sind es bei heterosexuellen Matches die Frauen, die hier den ersten Schritt machen müssen. Eine der ältesten Kontaktbörsen, "OkCupid", verbindet die Tinder-Wischgeste mit seinem auf Fragen basierenden System, um kompatible Profile zu identifizieren. Mobile-Apps wie "Grindr" und "Her" richten sich vor allem an homo-, bi- und transsexuelle Personen. Auch wenn Tinder irgendwann weniger populär werden sollte – Online-Dating ist längst ein Konzept mit Zukunft.